Biobasierte Kunststoffe im Bauwesen

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Kunststoffe sind aus dem modernen Bauwesen nicht mehr wegzudenken. Allerdings stammen die meisten konventionellen Kunststoffe aus fossilen Rohstoffen und tragen wesentlich zur Erhรถhung der COโ‚‚-Emissionen bei. Eine vielversprechende Alternative bieten biobasierte Kunststoffe. Dieser Artikel beleuchtet deren Eigenschaften, aktuelle Anwendungsbereiche im Bauwesen und zukรผnftige Potenziale.

Autorin

Gabriele

Peterek

Referentin ร–ffentlichkeitsarbeit, Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR), 18276 Gรผlzow-Prรผzen

Kunststoffe im Bauwesen

Von den rund 13 Millionen Tonnen Kunststoffen, die jรคhrlich in Deutschland verarbeitet werden, entfallen รผber 3 Millionen Tonnen auf den Bausektor. Damit ist die Baubranche โ€“ nach der Verpackungsindustrie โ€“ der zweitgrรถรŸte Kunststoffverbraucher.

Kunststoffe werden รผberwiegend in nichttragenden Bauteilen verwendet. รœber die Hรคlfte entfรคllt auf Rohre und Leitungen. Weitere Einsatzbereiche sind Fenster- und Tรผrrahmen, Dรคmmstoffe und Bodenbelรคge. Auch in geringeren Mengen, etwa in Klebstoffen, Dichtstoffen und Beschichtungen, leisten Kunststoffe einen wichtigen Beitrag.

Zu den am hรคufigsten eingesetzten Kunststoffen zรคhlen:

  • Polyethylen (PE): fรผr Rohre und Leitungen
  • Polyvinylchlorid (PVC): fรผr Fenster- und Tรผrrahmen
  • Polystyrol (PS) und Polyurethan (PU): meist in expandierter oder geschรคumter Form als Dรคmmstoffe

Biobasierte Kunststoffe

Biobasierte Kunststoffe โ€“ auch Biokunststoffe genannt โ€“ werden aus nachwachsenden Rohstoffen wie Stรคrke, Zucker, Zellulose, Lignin oder pflanzlichen ร–len hergestellt. Erste Entwicklungen biobasierter Kunststoffe reichen รผber 150 Jahre zurรผck, verloren jedoch mit dem Aufschwung der Erdรถlindustrie an Bedeutung.

Seit etwa fรผnf Jahrzehnten werden neue biobasierte Kunststoffe gezielt weiterentwickelt. Man unterscheidet dabei zwei Hauptgruppen:

  • Chemisch neuartige Biokunststoffe: Sie besitzen eine andere chemische Struktur als ihre fossilen Pendants. Ein bekanntes Beispiel ist PLA (Polymilchsรคure).
  • Drop-In-Kunststoffe: Diese sind chemisch identisch mit herkรถmmlichen Kunststoffen, werden jedoch aus biobasierten Rohstoffen gewonnen โ€“ etwa Bio-PE (biobasiertes Polyethylen).

Wichtig zu wissen: Biobasierte Kunststoffe kรถnnen sowohl biologisch abbaubar als auch dauerhaft sein. Besonders die dauerhaften Varianten eignen sich fรผr langlebige Bauprodukte โ€“ vor allem, wenn sie recycelbar sind, was bei vielen dieser Typen der Fall ist.

Derzeit betrรคgt der globale Anteil biobasierter Kunststoffe nur etwa 1 %. Hauptanwendungsbereich sind bislang Verpackungen.

1 Biobasierte Kunststoffe im รœberblick
2 3D-Fassade aus Flachs, biobasierten Kunststoffen und Wellpappe

Anwendungen im Bauwesen

Im Bauwesen ist der Einsatz biobasierter Kunststoffe bisher noch begrenzt, doch das Interesse wรคchst stetig. Immer mehr Unternehmen integrieren erste Produkte in ihr Portfolio. Bereits am Markt erhรคltlich sind beispielsweise:

  • Dรคmmplatten aus Naturfasern mit PLA-Verstรคrkungsfasern
  • Wanddรผbel aus biobasiertem Polyamid (Bio-PA)
  • Bodenbelรคge auf Basis von PLA und recycelten Kunststoffen
  • Holzklebstoffe auf Basis von Bio-PUR, PLA und stรคrkebasierten Kunststoffen
  • Streugranulate aus Holzfasern und biologisch abbaubaren Biokunststoffen fรผr Transport und Lagerung von Platten

Technisch mรถglich, aber aktuell wirtschaftlich noch nicht konkurrenzfรคhig, ist die Herstellung von Rohren, Leitungen und Fensterrahmen aus Bio-PE, Bio-PP oder Bio-PVC.

Das Bundesministerium fรผr Landwirtschaft, Ernรคhrung und Heimat (BMLEH) fรถrdert im Rahmen des Programms โ€žNachhaltige Erneuerbare Ressourcenโ€œ gezielt die Entwicklung solcher Bauprodukte. Ein Beispiel: In Chemnitz wurde eine LED-hinterleuchtete 3D-Fassade aus Flachs, biobasierten Kunststoffen und Wellpappe am Firmengebรคude der „richter & heรŸ Verpackungs-Service GmbH“ realisiert. Projektpartner waren unter anderem die TU Chemnitz und die „Fiber-Tech Construction GmbH“.

Ein weiterer Fokus der Forschungsfรถrderung liegt auf der Entwicklung extrudierter Dรคmmplatten aus biobasierten Kunststoffen, an der u. a. das Fraunhofer-Institut fรผr Holzforschung (WKI) arbeitet.

Biobasierte Kunststoffe im Bauwesen

Vorteile

  • Reduzierung fossiler Rohstoffe
  • Verringerung der COโ‚‚-Emissionen
  • Breite Einsatzmรถglichkeiten
  • Ergรคnzung zu klassischen Baustoffen wie Holz u. a.
  • Potenzial fรผr neue Herstellungsverfahren (z.โ€ฏB. 3D-Druck)

Herausforderungen

  • Kosten: Noch sind biobasierte Kunststoffe teurer als konventionelle Alternativen
  • Verfรผgbarkeit: Geringe Produktionskapazitรคten, unvollstรคndige Lieferketten
  • Normung und Zulassung: Fehlende Standards und Prรผfverfahren erschweren die Anwendung
  • Langzeitverhalten: Es mangelt an Langzeiterfahrungen im baulichen Einsatz
  • Vermeidung gesundheits- und/oder umweltschรคdlicher Inhaltsstoffe

Weitere Informationen

Biokunststoffe stehen nicht in Konkurrenz zu Holz und anderen Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, sondern kรถnnen diese ergรคnzen โ€“ insbesondere bei komplexen Geometrien oder fรผr den 3D-Druck. Letzterer wird zunehmend fรผr Prototypen, Innenausbau oder temporรคre Strukturen genutzt.

Ausblick

Mit wachsendem Nachhaltigkeitsbewusstsein und strengeren Umweltvorgaben steigt der Bedarf an alternativen Materialien in der Bauwirtschaft. Biobasierte Kunststoffe bieten hier vielseitige Lรถsungen und tragen dazu bei, den รถkologischen FuรŸabdruck der Branche zu senken.

Entscheidend fรผr ihren langfristigen Erfolg sind:

  • Akzeptanz innerhalb der Bauindustrie
  • Entwicklung einheitlicher Normen und Standardt
  • Wirtschaftliche Skalierung der Produktion

Die Bauwirtschaft befindet sich im Wandel โ€“ weg von fossilen, hin zu erneuerbaren Rohstoffen. Biobasierte Kunststoffe sind dabei ein zentraler Baustein fรผr das nachhaltige Bauen der Zukunft.

Kommentar des IBN

Biobasierte Kunststoffe bieten gute und vielversprechende Alternativen zu erdรถlbasierten Kunststoffen. Sie kรถnnen jedoch ebenfalls gesundheits- und/oder umweltschรคdliche Inhaltsstoffe enthalten, so z. B. in zugesetzten Additiven, die Haltbarkeit, Flexibilitรคt, Farbe oder Verarbeitbarkeit verbessern sollen. Viele dieser Additive wie Stabilisatoren, Weichmacher, Farbmittel oder Flammschutzmittel sind nicht biobasiert und kรถnnen bei Abrieb, Erhitzen oder unsachgemรครŸer Entsorgung freigesetzt werden.

Das IBN plรคdiert fรผr folgende Kriterien entlang der Lebenszyklusphasen biobasierter Kunststoffe (Entwicklung, Herstellung, Nutzung, Recycling, Entsorgung):

  • Toxikologisch und รถkologisch problematische Inhaltsstoffe bestmรถglich vermeiden (einschl. Vermeidung von Mikroplastik aus dauerhaft biobasierten Kunststoffen).
  • Fรผr viele Anwendungsbereiche gibt es natรผrliche Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen oder Mineralien, die ohne problematische Hilfsstoffe auskommen und eine bessere ร–kobilanz bieten. Diese sollten stets bevorzugt verwendet werden.
Quellenangaben

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Titelbild: Haupteinsatzbereich fรผr Kunststoffe im Bauwesen | Wlodzimierz-stock.adobe.com
Bild 1: FNR
Bild 2: Silvia Giardion

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