Energetische Sanierung eines Dreifamilienwohnhauses mit Strohdämmung

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Ein Mehrfamilienhaus aus den 70er-Jahren wurde baubiologisch mit nachhaltigen Baustoffen wie Lehm und Kalk saniert. Das Leuchtturmprojekt im Landkreis Königstein erhielt zudem ein kreislauffähige Fassadendämmung aus Stroh.

Autor

Silvio

Stolpe

Baubiologische Beratungsstelle IBN, Trocknungstechnik, Sachverständiger für Schäden an Gebäuden

Der Wunsch nach einer kreislauffähigen und nachhaltigen, energetischen Sanierung seines 3-Familien-Wohnhauses brachte Herrn Grimm zu uns. Bereits bei der Planung stellten wir fest, dass ein „konventionelles“ Vorgehen, also eine energetische Sanierung mit Polystyrol oder ähnlichem, nicht infrage kommt. Schnell konnten wir ihn dafür begeistern, als Fassadendämmstoff Stroh zu verwenden. Die Vorteile, wie zum Beispiel ein niedriger Primärenergieaufwand bei der Herstellung, ein hoher sommerlicher Wärmeschutz sowie die Möglichkeit, den Verschnitt einfach auf dem Kompost zu entsorgen, haben ihn überzeugt. 

Innovative Strohdämmplatte

Für die Planung und Ausführung haben wir mit der großartigen Bauingenieurin und Energieberaterin Steffi Gruttke zusammengearbeitet. Mit ihr leiten wir zusammen das Unternehmen „Naturgetreu“, welches sich auf ökologische Sanierungen, Renovierungen und Neubauten spezialisiert hat. Für die energetische Ertüchtigung der Fassade haben wir uns für die VestaEco Wall-Strohdämmplatte entschieden. Stroh als Baustoff hat viele positive Eigenschaften, wie:

  • Hitzeschutz: Stroh hat eine hohe Wärmespeicherkapazität und ist dadurch hervorragend für den sommerlichen Hitzeschutz geeignet. Selbst an heißen Sommertagen bleibt es im Inneren des Hauses angenehm kühl. Die 20 cm dicken Strohplatten in Verbindung mit einem dicklagigen und armierten Kalk-Putzsystem bewirken eine Phasenverschiebung von etwa 24 Stunden – diese gibt an, mit welcher Verzögerung sommerliche Hitze die Innenräume erreicht.
  • Dämmwirkung: Die Wärmeleitfähigkeit der Dämmplatte beträgt 0,039 W/m2K. Dieser Wert kann hervorragend mit anderen Dämmstoffen mithalten. So hat eine Polystyroldämmung z.B. eine Wärmeleitfähigkeit zwischen 0,032 W/m2K und 0,040 W/m2K.
  • Brandschutz: Die leichte Brennbarkeit von losem Stroh führt immer wieder zu Unsicherheiten. Durch die dichte Pressung erreichen die Strohballen die Baustoffklasse E, sind also wie viele andere Baustoffe auch normal entflammbar. Durch das Verputzen der Wände (mit Lehm- oder Kalkputz) lassen sich die Brandschutzeigenschaften weiter verbessern.
  • Schallschutz: Stroh ist zur Dämmung von Wänden in Wohnlagen mit lauten Umgebungsgeräuschen geeignet, da Geräusche durch das Eigengewicht der dicht gepressten Strohhalme sehr gut absorbiert werden.
  • Feuchtigkeitsregulierung: Stroh ist diffusionsoffen und hygroskopisch und sorgt mit Lehm oder Kalk für ein gesundes Raumklima.
  • Widerstandsfähigkeit: Wichtig ist, dass Verkleidungen und Putzschichten ebenfalls diffusionsoffen sind, damit das Material trocken bleibt. Werden Risse und Lücken vermieden, durch die Insekten und Schädlinge eindringen könnten, überzeugt die Strohdämmung mit einer langen Haltbarkeit.

1 Die verwendeten Strohdämmplatten der Firma Vesta Eco in einer Dicke von 200 mm. Schon beim Auspacken fühlte man sich wie auf einem frisch gemähten Feld.
2 Die erste Lage Strohdämmung mit mindestens 50 cm Abstand zum Erdreich. Darunter wird eine für den Sockel geeignete wasserfeste Dämmplatte angebracht.
3 Die Platten werden wie bei herkömmlichen Systemen verklebt. Für den Zuschnitt von Dicken über 10 cm benötigt man eine spezielle Säge, die gerade und schnelle Schnitte ermöglicht.
4 Der Wandaufbau erreicht einen U-Wert von 0,19 W/m²K – deutlich unter dem Neubauwert von 0,24 W/m²K. Aufgrund der hohen Speichermasse von Stroh bietet er einen hervorragenden sommerlichen Hitzeschutz mit einer Phasenverschiebung von etwa 24 h.
5 Statt einer auskragenden Betonplatte wurde eine Holzkonstruktion angebaut, die gleichzeitig Balkon, Witterungs- und Sonnenschutz ist.
6 Holzbalken in der Fassade nehmen künftige Lasten auf. Wichtig ist, deren Position genau zu dokumentieren, da man sie nach erfolgtem Verputz nicht mehr sieht.
7 Der dicklagige Kalkputz bildet einen natürlichen Schutz vor Algenbildung und Moosbefall.
8 Auf das neue Dach wurde passgenau eine Photovoltaikanlage montiert, die zusammen mit einer Batterie eine Wärmepumpe speist.
9 Die fertiggestellte Fassade leuchtet in der Sonne.

Ausführung Kalk außen

Der Zuschnitt der Platten erfolgte mit einer speziellen Säge der Firma Festool, die auch für Holzfaserdämmung benutzt wird. Schienengeführt kann man mit ihr gerade und schnell Schnitte auch bei hohen Dämmstärken ausführen. Um einen diffusionsoffenen Aufbau zu erreichen, wurden die Dämmplatten auf die vorbereitete Fassade mit dem Haftputz Hessler HP14 auf Kalkbasis der Firma Hessler Kalkwerke verklebt und zusätzlich mit acht Dämmstoffdübeln je Quadratmeter befestigt. Mit dem gleichen Haftputz wurde dann auch die dicklagige Armierung in drei Lagen aufgebracht. Als erstes wurde eine Kratzspachtelung mit der Zahnspachtel in 6 mm Stärke aufgebracht. Anschließend wurde die zweite Lage mit 6 mm aufgezogen und vollflächig mit Gewebe armiert. Zum Glätten und Vorbereiten für einen Feinputz wurde diese sogleich nochmals mit 3 mm nass in nass überzogen. Als Feinputz kam ein Filzputz zum Einsatz, ebenfalls von der Firma Hessler Kalkwerke. Dieser hat eine Kornstärke von 1 mm und wurde mit einem Kellenschlag handwerklich strukturiert. Dabei wird in den frischen Putz mit der Traufel oder Kelle ein Abdruck gemacht, welcher dann nach dem Ansteifen mit einem Schwamm oder einer Bürste egalisiert wird. Als Anstrich kam natürlich nur eine diffusionsoffene Silikatfarbe infrage. Hierbei haben wir uns für das Keim Granital-System entschieden. 

Reduzierung von Kunststoffen

Durch diesen Beschichtungsaufbau haben wir einige Probleme, die man von konventionellen Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) kennt, neutralisiert. Ganz ohne Biozide schaffen wir damit einen natürlichen Schutz vor Algen- und Moosbewuchs. Gründe dafür sind die Speicherkapazität für Feuchtigkeit durch die hohe Schichtdicke und die Alkalität des Untergrundes. Um den Einsatz von Kunststoffen weiter zu reduzieren, haben wir bei den Montagepunkten für Lasten, welche an die Fassade angebracht werden sollen, auf Montagequader aus Kunststoff verzichtet und stattdessen welche aus Massivholz verwendet. So können die Lasten auch direkt verschraubt werden und der Einsatz zusätzlicher Dübeltechnik wird obsolet.

Weitere energetische Sanierung

Im Zuge der Sanierung wurde auch das Dach mit Holzfaserdämmstoffen der Firma Steico energetisch ertüchtigt. Strom erzeugt eine Photovoltaikanlage mit 15 kW auf dem Dach, ergänzt um einen 10 kW Batteriespeicher. Der damit erzeugte Strom wird komplett eigenverbraucht. 

Für das Heizsystem wählte der Bauherr eine Wärmepumpe, welche nur die Heizung versorgt. Die Warmwasserbereitung erfolgt ausschließlich über Trinkwasserstationen (Durchlauferhitzer) in jeder Wohnung. Auf diese Weise konnte der Energieverbrauch durch lange Zirkulationsleitungen und dazugehörige Pumpen weiter reduziert werden. Auch ist keine Vorratshaltung für Warmwasser notwendig. Mit dieser durchdachten Planung und dem innovativen Stroh-WDVS ist hier kreislauffähig saniert worden.

Dreifamilienwohnhaus im Landkreis Königstein

Planung und BauleitungNaturgetreu GmbH, Königstein
WandaufbauLehmputz innen
Bestandsmauerwerk aus Bimsstein, 30 cm
VestaEco Wall Fassadendämmplatte aus Stroh, WLG 0,039 W/m2K
Hessler HP14 Kalkarmierungsputz 15 mm
Hessler HP 90 1 mm Oberputz
Keim Granital Fassadenfarbe
U-Wert 0,188 W/m2K
Erneuerbare DämmungVestaEco Wall 600 x 800mm, d = 200 mm
DachZwischensparrendämmung 180 mm Steico Flex mit Dampfbremse ProClima Intello Plus
Aufsparrendämmung 140 mm Steico universal dry
Unterspannbahn
Neue Dachsteineindeckung
FensterKunststofffenster 3-fach UW-Wert 0,90 W/m2K
HeizsystemWärmepumpe 18 kW modulierend
WarmwasseraufbereitungTrinkwasserstation auf jeder Wohnebene
StromPhotovoltaik 15 kWp
Batteriespeicher 10 kW

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Fotos: Silvio Stolpe

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Silvio

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