
Ökologische Wärmedämmung im Bestand – Interview mit Ulrich Steinmeyer, Vorstand der ÖkoPlus AG
In Ihren Vorträgen sagen Sie häufig „Das Schlimmste ist, an einem Altbau nichts zu machen“. Müssen wirklich alle Altbauten energetisch saniert werden?
Ja! Bis in die 70-er Jahre hinein wurden die meisten Gebäude gar nicht gedämmt. Bis 1995 galten im Vergleich zu heute relativ schwache Dämmvorschriften. Ohne die energetische Sanierung dieser Bestandsgebäude wird es nicht gehen. Dauerhaft möchte Niemand hohe Heizkosten zahlen müssen, zumal Energie knapper und teurer wird.
Ist es nicht manchmal besser und vielleicht sogar preiswerter, alte Gebäude abzureißen und neu zu bauen?
Ja, das kann passieren. Ich hatte das für einen Vortrag beim NABU (Naturschutzbund Deutschland) mal anhand von Ökobilanzen für CO2 und Primärenergie im Lebenszyklus durchgerechnet, was ökologisch sinnvoller ist – ein altes Gebäude energetisch sanieren oder abreißen und neu bauen. Im Ergebnis hängt es davon ab, wie gut sich ein Gebäude sanieren ließe und welchen Neubau man alternativ dafür errichten würde. Außerdem kann es preiswerter sein, abzureißen und neu zu bauen als energetisch aufwendig zu sanieren. Überwiegend ist aber die eine fachgerechte Sanierung einem Abriss vorzuziehen.
Was ist effizienter? Wärmedämmung oder Ertüchtigung der Haustechnik?
In der Regel ist beides notwendig. In Wohngebäuden wird etwa 4 x mehr Energie für Wärme verbraucht als für Strom. Selbst wenn die Wärme durch Wärmepumpen erzeugt würde, wäre der Energiebedarf dafür insgesamt kaum regenerativ zu decken. Daher ist in jedem Falle eine energetische Sanierung alter schlecht gedämmter Gebäude sinnvoll. Hinzu kommt die damit verbundene Verbesserung der Wohnqualität; kalte Wände ziehen häufig Feuchteprobleme und Schimmel nach sich. Mit einer baubiologischen Gebäudesanierung wird zumeist auch das Raumklima deutlich verbessert. Die Ertüchtigung der Haustechnik mit Nutzung regenerativer Energie ist ebenfalls notwendig. Derzeit wird noch rund 85 % des Wärmebedarfes fossil gedeckt. Will man das alles klimafreundlich ausrichten, hilft nur gute Dämmung und regenerative Haustechnik.
Aktuell wächst der Anteil erneuerbarer Energien z.B. aus Windkraft zügig. Macht es da überhaupt noch Sinn, in Energieeinsparmaßnahmen zu investieren?
Klar hilft das. Wie gesagt ist der Wärmebedarf schlecht gedämmter Gebäude so hoch, dass es kaum machbar sein wird, alles mit Strom aus erneuerbaren Energien zu beheizen. Wo sollen die ganzen Windräder stehen, woher die Flächen für Photovoltaik-Module kommen? Außerdem wollen auch andere Verbraucher wie der Verkehr und die Industrie am “grünen Strom” teilhaben. Das wird eng.
Wie kann man trotz Dämmung den individuellen Charme älterer z.B. denkmalgeschützter Gebäude erhalten?
Dafür gibt es in der Baupraxis eine Reihe von Möglichkeiten. So kann bei erhaltenswerten Fassaden z.B. mit einer Innendämmung gearbeitet werden. Häufig lassen sich solche Gebäude nicht auf ganz so gute Werte bringen wie Neubauten. Aber eine Verbesserung auf 1/4 oder 1/3 des Energiebedarfes im Vergleich zum unsanierten Zustand lässt sich meist erreichen. Den Rest muss dann die regenerative Haustechnik liefern.
Wie viel Energie und damit laufende Kosten lassen sich an Bestandsgebäuden einsparen?
Den größten Effekt hat die Wärmedämmung. Hier kann man im Vergleich zu nicht gedämmten Gebäuden bis zu 90 % Wärme-Energie sparen. Selbst bei einfacheren Dämm-Maßnahmen ist eine Reduktion von 60 bis 75 % möglich. Das ist mit einer modernen Heiztechnik oft nicht zu schaffen. Sehr gut Wärmepumpen schaffen es, aus 1 kWh Strom 5 kWh Wärme zu erzeugen (Jahresarbeitszahl von 5), mindestens ist Faktor 3 erreichbar. Bei den Kosten sieht es anders aus. Da die kWh Strom auch 3-4 x so viel kostet, wie die kWh aus Gas, spart man da nicht viel.
Ulrich Steinmeyer als Referent zum Thema „Ökologische Dämmung im Bestand"
Altbausanierung: Außendämmung mit Holzweichfaserplatten und Einblasdämmung
Altbausanierung: Holzgerüst als Basis für Innendämmung mit Zellulosedämmung
Altbausanierung: Nachträgliche Dachdämmung der oberen Geschossdecke
Altbausanierung: Wärmedämmung des Fußbodens zum Keller
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Ulrich Steinmeyer als Referent zum Thema „Ökologische Dämmung im Bestand”2
Altbausanierung: Außendämmung mit Holzweichfaserplatten und Einblasdämmung3
Altbausanierung: Holzgerüst als Basis für Innendämmung mit Zellulosedämmung4
Altbausanierung: Nachträgliche Dachdämmung der oberen Geschossdecke5
Altbausanierung: Wärmedämmung des Fußbodens zum Keller
Was meinen Sie mit „Ökologischer Dämmung“? Kann man nicht jede Dämmung per se als ökologisch bezeichnen?
Eine ökologische Dämmung ist eine, die in der Herstellung, Verwendung und Entsorgung einen geringen ökologischen Fußabdruck hat. Alte Polystyrol-Dämmplatten konnte man eine Zeit lang praktisch nirgends entsorgen, bis die Bundesregierung die Vorgaben dafür zurückgenommen hat. Der Energieaufwand und die Umweltbelastung ist bei konventionellen Dämmstoffen wie Polystyrol, PUR oder Mineralwolle in der Regel deutlich höher als für Naturdämmstoffe wie Hanf, Wolle, Zellulose oder Stroh.
Sind ökologische Dämmungen teurer als konventionelle Dämmungen?
Es hängt wie immer von den konkreten Dämmstoffen und Baukonstruktionen ab. Zellulose ist inzwischen meist günstiger als Mineralwolle, auch weil sie mit deutlich weniger Energie produziert werden kann. Bei der Innendämmung von Außenwänden müssen in der Regel kapillar wirksame Materialien eingesetzt werden. Das können konventionelle Dämmstoffe nicht. Bei Fassadendämmungen mit WDVS (Wärmedämmverbundsystem) sind konventionelle Polystyrol-Dämmungen günstiger als solche mit Holzweichfaserplatten und mineralischen Putzen. Dafür müssen sie mit giftiger Farbe gestrichen werden, um Algenbildung zu vermeiden. Das klappt immer nur begrenzte Zeit (10 – 15 Jahre). Dann muss gereinigt und neue “fungizide” Farbe aufgebracht werden. Fassaden mit Holzweichfaserdämmung und mineralischen Putzen können dagegen Feuchtigkeit puffern und sind vom Material her hochalkalisch. Da hat man im Normalfall Jahrzehnte Ruhe vor Algen und kommt ohne Fungizide in der Farbe aus. Also in diesem beispielhaft beschriebenen Fall ist die Dämmung teurer, aber dafür nicht giftig und die Renovierungszyklen sind deutlich länger.
Was sind häufig angewendete Sanierungslösungen mit ökologischen Dämmungen?
Dazu zählen Innendämmungen mit kapillar wirksamen Materialien wie Holzweichfaserplatten mit Lehm oder Strohplatten mit Lehm. Oder auch Zelluloseflocken in der Dachdämmung oder der oberen Geschossdecke. Da diese meist eingeblasen werden, kann man damit auch Hohlräume erreichen, die sonst nicht dämmbar wären, wie z.B. nicht gedämmte Dachschrägen. Da sind Ökobaustoffe dann im Verhältnis unschlagbar günstig. Bei Fassaden setzten wir häufig Holzweichfaserplatten ein, die mit Kalk- oder Silikatputzen verputzt werden und auf einer Lattung an der Fassade aufgebracht werden. Die Hohlräume werden dann mit Zellulose gefüllt. Das sind nur einige Beispiele von vielen. Je nach Region und Bautyp eines Altbaus lassen sich ganz unterschiedliche sinnvolle Lösungen finden.
Welche dieser Dämmmaßnahmen sind besonders effektiv?
Effektiv bedeutet in der Regel wenig Aufwand/Kosten im Verhältnis zum Nutzen/Dämmwert. Dabei haben sich vor allem die Systeme mit Einblasdämmung als der Renner erwiesen. In Norddeutschland sind die meisten Wohngebäude seit etwa 1900 zweischalig gebaut. Bis in die 70-er Jahre ohne Dämmung. Dadurch hat man einen Hohlraum von zumeist 4 – 7 cm zur Verfügung, in den sich Dämmstoff einblasen lässt. Bei 6 cm Dämmung verringert sich dadurch der Wärmeverlust durch die Wände auf 1/3 des vorherigen Wertes. Auch eine nicht gedämmte Dachschräge, die vom Spitzboden aus zugänglich ist, lässt sich zumeist von oben aus dämmen mit Hilfe von Dämmsäcken oder Hartfaserplatten, die als nachträgliches Unterdach eingezogen werden. Solche Dämmmaßnahmen rechnen sich zumeist schon nach 3 – 5 Jahren; in diesem Zeitraum werden so viel Energiekosten gespart, wie für den Einbau der Dämmung notwendig ist. Andere Maßnahmen wie eine Fassadendämmung rechnen sich dagegen häufig erst nach 20 Jahren.
Welche Energieeinsparmaßnahmen raten Sie Bauherren mit schmalem Geldbeutel?
Vor allem die eben genannten Maßnahmen mit Einblasdämmung. Oder auch solche, bei denen er oder sie selbst Hand anlegen kann, wie Dämmung der Kellerdecke vom Keller aus oder Dämmung der oberen Geschossdecke.
Für die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden gibt es einige Fördermöglichkeiten. Welche davon können Sie besonders empfehlen?
Alle, die für das konkrete Vorhaben in Frage kommen. Die einfachen Maßnahmen wie Einblasdämmung sind in der Regel nicht förderfähig, weil sie die erhöhten Dämmwerte nicht erreichen, die Grundlage der Förderung sind. Als Handwerker-Leistung kann man sie jedoch meist von der Steuer absetzen. Aber sobald geplant ist, an die Fassade ranzugehen oder die Fenster zu tauschen, dann sollten die Förderungen in Anspruch genommen werden.
Welche Fachleute sind am besten dafür geeignet, Bauherren durch den Dschungel an Fachwissen, Ausführung, Finanzierung und Förderung zu beraten und zu begleiten?
Das Problem bei den meisten “Fachleuten” ist leider, dass sie Fachleute für konventionelle Bauvorhaben sind. Die kennen dann aber häufig auch nicht die Möglichkeiten baubiologisch empfehlenswerter Verfahren. Daher sollte man sich möglichst an Energieberater*innen und/oder Planer*innen wenden, die sich mit Naturdämmstoffen auskennen. Um geeignete Fachleute zu finden, kontaktiert man am besten Naturbaustoffhändler oder baubiologische Institutionen und Beratungsstellen. Dort einfach mal anfragen.
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