Interview mit Stefan Sellner

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Mit breiter Expertise rund um wohngesundes Bauen führt Stefan Sellner zwei Baubiologische Beratungsstellen des IBN – eine für die ganzheitliche Beratung von Bauherren beim Hausbau und eine als Teil einer Zimmerei.

FokusBauherr – Stefan Sellner

Schafhof 7,
DE-72218 Wildberg

DIE FRAGEN STELLTE

Achim

Pilz

freier Journalist, Kurator, Juror und Berater, Baubiologe IBN und Chefredakteur des Baubiologie Magazin.

Stefan, du bist nicht nur Baubiologe IBN, sondern auch Bauingenieur und Zimmermann. Was ist dein Lieblingsholz?

Ich arbeite gerne mit heimischen Hölzern – zum Beispiel mit Fichte oder Kiefer im klassischen Holzbau. Diese Hölzer sind regional verfügbar, wachsen schnell nach und lassen sich gut verarbeiten. Für den Innenbereich mag ich Eiche oder Weißtanne sehr gern – beide haben eine ruhige Maserung und schaffen eine warme, natürliche Atmosphäre. Mir ist wichtig, dass das Holz möglichst naturbelassen bleibt – also geölt statt lackiert – damit es seine volle Wirkung im Raum entfalten kann. Holz ist für mich kein Werkstoff, sondern ein lebendiges Material.

Wann und warum wurdest du Baubiologe IBN?

Das Thema gesundes Bauen hat mich schon lange beschäftigt. Ich habe in verschiedenen Rollen im Bauwesen gemerkt, dass es oft nur um Normen, Kosten und Geschwindigkeit geht – aber selten um die Menschen, die später in den Gebäuden leben oder arbeiten. Die Baubiologie gibt mir das Handwerkszeug, um genau das zu ändern. Ich kann damit nicht nur auf bautechnische Aspekte achten, sondern auch auf Materialien, Raumklima, Schadstoffe und Strahlung. Seitdem sehe ich Gebäude mit einem ganz anderen Blick – und kann meine Kunden wirklich ganzheitlich begleiten.

Du hast bei einem ökologischen Fertighaushersteller gearbeitet. Was waren deine Aufgaben dort?

Ich war in der Bauleitung und Projektsteuerung tätig. Meine Aufgabe war es, die Kunden durch den gesamten Bauprozess zu begleiten – vom Vertragsabschluss bis zur Übergabe. Das war sehr individuell und persönlich, und ich konnte viele wertvolle Erfahrungen sammeln. Gleichzeitig habe ich gemerkt: Selbst bei einer guten schlüsselfertigen Begleitung bleiben für die Baufamilien oder auch gewerbliche Kunden noch viele Aufgaben und Entscheidungen übrig. Genau hier wollte ich ansetzen – um sie noch besser zu entlasten und ihnen echte Sicherheit zu geben.

1 Sanierung der Fachwerkkonstruktion eines denkmalgeschützten Wohnhauses
2 … Restaurierung des traditionellen Fachwerks
3 Austausch von Fachwerk in einem historischen Gebäude
4 Ersatzneubau an der Stelle des maroden Bauernhauses – die alte Scheune bietet Ausbaureserven 

Warum hast du deine Firma „Fokus Bauherr“ gegründet und was machst du dort?

Die Idee war, den Fokus wieder auf den Menschen zu richten. Ich habe gemerkt, dass viele Bauherren sich im Bauprozess allein gelassen fühlen – überfordert mit Entscheidungen, schlecht informiert über Risiken, oft ausgeliefert. Mit FokusBauherr begleite ich private Bauherren und -frauen unabhängig – von der ersten Idee über die Planung bis zur Bauabnahme. Ich verstehe mich als Wegbegleiter, als jemand, der zwischen Kunde, Handwerk und Planung vermittelt. Dabei spielt die Baubiologie eine zentrale Rolle – wir bauen für Menschen, nicht für den Katalog.

Ganz frisch hast du die Zimmerei deines Vaters übernommen. Wie viele Mitarbeiter hast du dort? Wirst du sie neu ausrichten?

Aktuell arbeiten in der Zimmerei drei Mitarbeiter auf der Baustelle – zwei Meister und ein Geselle – plus meine Familie im Hintergrund. Mein Ziel ist es, das Lebenswerk meines Vaters weiterzuführen, aber zugleich neue Akzente zu setzen. Ich möchte stärker in Richtung baubiologischer Holzbau gehen, mit gesunden Materialien, klarem Gestaltungsanspruch und hoher handwerklicher Qualität. Die Zimmerei soll ein Ort sein, an dem traditionelles Handwerk und moderne Baubiologie zusammenkommen – im besten Sinne nachhaltig.

Gibt es genug Holz, um es zu verbauen und zu verfeuern?

Holz ist ein großartiger Baustoff – nachwachsend, regional und CO₂-bindend. Aber auch Holz ist eine endliche Ressource, wenn wir nicht vernünftig damit umgehen. Ich bin der Meinung, dass wir sein Potenzial viel besser nutzen können – z. B. durch Wiederverwendung, durch langlebige Konstruktionen und durch bewussten Verzicht auf das, was unnötig ist. Holz zu verheizen, während wir gleichzeitig Plattenware aus Fernost verbauen, ergibt für mich wenig Sinn. Wir sollten lokal denken – und generationenübergreifend handeln.

5 Bei der Umnutzung einer alten Autowerkstatt in ein Bürogebäude erhielt die Fassade eine baubiologische Holzdämmung
6 Innerstädtischer Sichtschutz aus naturbelassenem Lärchenholz
7 Einbau einer Hochfrequenzschirmung in Dach und Fassade eines Holz-Massivhauses 
8 Baubiologische Baubegleitung bei der Erstellung eines ökologischen und wohngesunden Holz-Hauses

Seit wann führst du deine Baubiologischen Beratungsstellen IBN?

FokusBauherr habe ich 2021 gegründet – mit der klaren Ausrichtung, private Bauherren individuell und baubiologisch zu beraten. Die Zimmerei habe ich Anfang 2025 übernommen. Beide Unternehmen haben mittlerweile ihre eigene IBN-Beratungsstelle – was vermutlich ziemlich einzigartig ist. Der Grund dafür: Die Zielgruppen sind unterschiedlich. Während FokusBauherr stark auf Beratung und Begleitung privater Bauherren fokussiert ist, bietet die Zimmerei die baubiologische Umsetzung in der Praxis – direkt auf der Baustelle. Theorie und Praxis greifen hier ineinander.

Was sind wichtige Kooperationspartner von dir?

Ich arbeite eng mit Architekten, Fachplanern und spezialisierten Handwerkern zusammen – aus den Bereichen Heizung, Sanitär, Elektro, aber auch Messtechnik. Besonders wichtig ist mir die Zusammenarbeit mit Menschen, die ähnliche Werte vertreten – die Qualität über Masse stellen, die bereit sind, über den Tellerrand zu schauen und die wissen, dass Bauen mehr ist als nur Wand, Dach und Fassade. Gemeinsam entsteht so ein Netzwerk, das für Kunden echten Mehrwert bietet.

Was war deine interessanteste Baustelle?

Es gibt viele Projekte, die mir in Erinnerung geblieben sind – jedes mit seinen eigenen Besonderheiten, Herausforderungen und Geschichten. Ich könnte zu fast jeder Baustelle eine kleine Anekdote erzählen. Besonders prägend war aber definitiv mein eigenes Bauprojekt. Das war mit Abstand die größte Herausforderung – emotional, organisatorisch und fachlich. Ich hätte nie gedacht, wie sehr einen das persönlich fordert. Als Profi dachte ich, ich wäre gut vorbereitet. Aber selbst ich war zwischenzeitlich überfordert. Das hat mir nochmal vor Augen geführt, was es für Andere bedeutet, ein Haus zu bauen – und wie wichtig echte Begleitung in dieser Phase ist.

9 Viel Glas und Blick ins Grüne auf der Südseite des Wohnhauses der Familie Sellner. Der große Dachüberstand bietet sommerlichen Wärmeschutz
10 Die Fassade aus sägerauem Fichtenholz ist mineralisch vorvergraut – langlebig und wartungsfrei
11 Selbst gebaute Möbel aus Holzpaletten – im Außenbereich sehr dekorativ
12 Vollholzküche: Parkett und Fronten sind aus geöltem Eichenholz, der Korpus ist aus Fichte- und Ahorn-Dreischichtplatten

Im Außenbereich von deinem privaten Haus verwendest du auch gebrauchtes Holz. Worauf muss man beim Weiterverwenden von Hölzern besonders achten?

Ich finde es wichtig, dass wir recyceln. Aus Paletten kann ich zum Beispiel eine Garten-Lounge machen, aus alten Balken Trittstufen. Aus baubiologischer Sicht würde ich Palettenmöbel nicht im Innenraum verwenden, weil sie schadstoffbelastet sein können. Im Außenbereich sehe ich da keine Probleme. Altholz für Möbelbau muss schadstofffrei, trocken und frei von Pilzbefall sein.

Was ist dein Traum?

Ich arbeite dafür, dass wir wieder für Generationen bauen – mit langlebigen, ehrlichen Materialien, mit einem klaren Fokus auf Gesundheit und Wohlbefinden. Häuser sollen Orte sein, an denen man sich erholen kann – keine Produkte von der Stange. Ich wünsche mir, dass das Bauen wieder entschleunigt wird, dass wieder mit Freude, mit Qualität und mit Verantwortung gearbeitet wird. Und dass wir das Wissen von früher mit den Möglichkeiten von heute kombinieren, statt ständig alles neu zu erfinden. Und: Bauen ist kein rein technischer Vorgang. Es ist ein kultureller Akt, der Verantwortung bedeutet – für die Menschen, die in den Gebäuden leben und arbeiten und für die Umwelt, in der die Gebäude stehen. Es geht auch darum, die Menschen zu schützen, die am Bau beteiligt sind: die Baufamilien, die sich oft überfordert fühlen, und die Handwerker, die unter hohem Zeit- und Kostendruck stehen. Wenn wir das im Blick behalten, entsteht etwas, das bleibt – und gut tut.

Vielen Dank für das Interview!

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Titelbild: Katharina Bauer
Bilder 1-8, 12: Stefan Sellner
Bilder 9-11: Katharina Bauer

FokusBauherr – Stefan Sellner

Schafhof 7,
DE-72218 Wildberg

Gibt es "Passende Literaturtipps"?: ja

Soll "Beratungsstellen" beworben werden?: ja

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