Biobasierte Kunststoffe im Bauwesen
Kunststoffe im Bauwesen
Von den rund 13 Millionen Tonnen Kunststoffen, die jährlich in Deutschland verarbeitet werden, entfallen über 3 Millionen Tonnen auf den Bausektor. Damit ist die Baubranche – nach der Verpackungsindustrie – der zweitgrößte Kunststoffverbraucher.
Kunststoffe werden überwiegend in nichttragenden Bauteilen verwendet. Über die Hälfte entfällt auf Rohre und Leitungen. Weitere Einsatzbereiche sind Fenster- und Türrahmen, Dämmstoffe und Bodenbeläge. Auch in geringeren Mengen, etwa in Klebstoffen, Dichtstoffen und Beschichtungen, leisten Kunststoffe einen wichtigen Beitrag.
Zu den am häufigsten eingesetzten Kunststoffen zählen:
- Polyethylen (PE): für Rohre und Leitungen
- Polyvinylchlorid (PVC): für Fenster- und Türrahmen
- Polystyrol (PS) und Polyurethan (PU): meist in expandierter oder geschäumter Form als Dämmstoffe
Biobasierte Kunststoffe
Biobasierte Kunststoffe – auch Biokunststoffe genannt – werden aus nachwachsenden Rohstoffen wie Stärke, Zucker, Zellulose, Lignin oder pflanzlichen Ölen hergestellt. Erste Entwicklungen biobasierter Kunststoffe reichen über 150 Jahre zurück, verloren jedoch mit dem Aufschwung der Erdölindustrie an Bedeutung.
Seit etwa fünf Jahrzehnten werden neue biobasierte Kunststoffe gezielt weiterentwickelt. Man unterscheidet dabei zwei Hauptgruppen:
- Chemisch neuartige Biokunststoffe: Sie besitzen eine andere chemische Struktur als ihre fossilen Pendants. Ein bekanntes Beispiel ist PLA (Polymilchsäure).
- Drop-In-Kunststoffe: Diese sind chemisch identisch mit herkömmlichen Kunststoffen, werden jedoch aus biobasierten Rohstoffen gewonnen – etwa Bio-PE (biobasiertes Polyethylen).
Wichtig zu wissen: Biobasierte Kunststoffe können sowohl biologisch abbaubar als auch dauerhaft sein. Besonders die dauerhaften Varianten eignen sich für langlebige Bauprodukte – vor allem, wenn sie recycelbar sind, was bei vielen dieser Typen der Fall ist.
Derzeit beträgt der globale Anteil biobasierter Kunststoffe nur etwa 1 %. Hauptanwendungsbereich sind bislang Verpackungen.

Biobasierte Kunststoffe im Überblick

3D-Fassade aus Flachs, biobasierten Kunststoffen und Wellpappe
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Biobasierte Kunststoffe im Überblick2
3D-Fassade aus Flachs, biobasierten Kunststoffen und Wellpappe
Anwendungen im Bauwesen
Im Bauwesen ist der Einsatz biobasierter Kunststoffe bisher noch begrenzt, doch das Interesse wächst stetig. Immer mehr Unternehmen integrieren erste Produkte in ihr Portfolio. Bereits am Markt erhältlich sind beispielsweise:
- Dämmplatten aus Naturfasern mit PLA-Verstärkungsfasern
- Wanddübel aus biobasiertem Polyamid (Bio-PA)
- Bodenbeläge auf Basis von PLA und recycelten Kunststoffen
- Holzklebstoffe auf Basis von Bio-PUR, PLA und stärkebasierten Kunststoffen
- Streugranulate aus Holzfasern und biologisch abbaubaren Biokunststoffen für Transport und Lagerung von Platten
Technisch möglich, aber aktuell wirtschaftlich noch nicht konkurrenzfähig, ist die Herstellung von Rohren, Leitungen und Fensterrahmen aus Bio-PE, Bio-PP oder Bio-PVC.
Das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) fördert im Rahmen des Programms „Nachhaltige Erneuerbare Ressourcen“ gezielt die Entwicklung solcher Bauprodukte. Ein Beispiel: In Chemnitz wurde eine LED-hinterleuchtete 3D-Fassade aus Flachs, biobasierten Kunststoffen und Wellpappe am Firmengebäude der „richter & heß Verpackungs-Service GmbH“ realisiert. Projektpartner waren unter anderem die TU Chemnitz und die „Fiber-Tech Construction GmbH“.
Ein weiterer Fokus der Forschungsförderung liegt auf der Entwicklung extrudierter Dämmplatten aus biobasierten Kunststoffen, an der u. a. das Fraunhofer-Institut für Holzforschung (WKI) arbeitet.
Biobasierte Kunststoffe im Bauwesen
Vorteile
- Reduzierung fossiler Rohstoffe
- Verringerung der CO₂-Emissionen
- Breite Einsatzmöglichkeiten
- Ergänzung zu klassischen Baustoffen wie Holz u. a.
- Potenzial für neue Herstellungsverfahren (z. B. 3D-Druck)
Herausforderungen
- Kosten: Noch sind biobasierte Kunststoffe teurer als konventionelle Alternativen
- Verfügbarkeit: Geringe Produktionskapazitäten, unvollständige Lieferketten
- Normung und Zulassung: Fehlende Standards und Prüfverfahren erschweren die Anwendung
- Langzeitverhalten: Es mangelt an Langzeiterfahrungen im baulichen Einsatz
- Vermeidung gesundheits- und/oder umweltschädlicher Inhaltsstoffe
Weitere Informationen
Biokunststoffe stehen nicht in Konkurrenz zu Holz und anderen Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, sondern können diese ergänzen – insbesondere bei komplexen Geometrien oder für den 3D-Druck. Letzterer wird zunehmend für Prototypen, Innenausbau oder temporäre Strukturen genutzt.
Ausblick
Mit wachsendem Nachhaltigkeitsbewusstsein und strengeren Umweltvorgaben steigt der Bedarf an alternativen Materialien in der Bauwirtschaft. Biobasierte Kunststoffe bieten hier vielseitige Lösungen und tragen dazu bei, den ökologischen Fußabdruck der Branche zu senken.
Entscheidend für ihren langfristigen Erfolg sind:
- Akzeptanz innerhalb der Bauindustrie
- Entwicklung einheitlicher Normen und Standardt
- Wirtschaftliche Skalierung der Produktion
Die Bauwirtschaft befindet sich im Wandel – weg von fossilen, hin zu erneuerbaren Rohstoffen. Biobasierte Kunststoffe sind dabei ein zentraler Baustein für das nachhaltige Bauen der Zukunft.
Kommentar des IBN
Biobasierte Kunststoffe bieten gute und vielversprechende Alternativen zu erdölbasierten Kunststoffen. Sie können jedoch ebenfalls gesundheits- und/oder umweltschädliche Inhaltsstoffe enthalten, so z. B. in zugesetzten Additiven, die Haltbarkeit, Flexibilität, Farbe oder Verarbeitbarkeit verbessern sollen. Viele dieser Additive wie Stabilisatoren, Weichmacher, Farbmittel oder Flammschutzmittel sind nicht biobasiert und können bei Abrieb, Erhitzen oder unsachgemäßer Entsorgung freigesetzt werden.
Das IBN plädiert für folgende Kriterien entlang der Lebenszyklusphasen biobasierter Kunststoffe (Entwicklung, Herstellung, Nutzung, Recycling, Entsorgung):
- Toxikologisch und ökologisch problematische Inhaltsstoffe bestmöglich vermeiden (einschl. Vermeidung von Mikroplastik aus dauerhaft biobasierten Kunststoffen).
- Für viele Anwendungsbereiche gibt es natürliche Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen oder Mineralien, die ohne problematische Hilfsstoffe auskommen und eine bessere Ökobilanz bieten. Diese sollten stets bevorzugt verwendet werden.
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