Ein Garten für jede Familie

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Wie kann man auch für Mehrfamilienhäuser jeder Wohnung einen eigenen Gartenanteil sichern? Ein Beispiel aus Friedberg bei Augsburg zeigt eine Lösungsmöglichkeit.

Autor
Wolfgang Weise

Wolfgang

Weise

Architekt mit Schwerpunkt Denkmalpflege in Augsburg

Zur Diskussion bezüglich Flächen sparen, nachverdichten und bezahlbaren Wohnungsbau darf nicht vergessen werden, für alle Menschen gesunde Wohnverhältnisse zu schaffen. Nach § 1 Absatz 6 des Baugesetzbuchs sind in Bebauungsplänen die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse zu berücksichtigen. Konkret kann die Gemeinde selbst definieren, was sie bezüglich des Verhältnisses von Wohnfläche und Gartenfläche unter gesunden Wohnverhältnissen versteht und entsprechende Vorgaben in Bebauungsplänen festlegen. Es ist auch möglich, bauliche Nachverdichtungen über sog. „Einfache Bebauungspläne“ zu steuern, in denen festgelegt wird, dass für jede neu entstehende Wohnung ein Gartengrundstück geschaffen werden muss.

Bewährte Tradition

Im Laufe der Geschichte wurden Wohnungen mit Gärten auf unterschiedliche Art und Weise miteinander verbunden. So ist beispielsweise seit Anfang des 17. Jahrhunderts in Friedberg (östlich von Augsburg) jedem Gebäude ein 300 m2 großer „Krautgarten“ zugeordnet und dies, obwohl die dicht bebaute Altstadt von einer Stadtmauer eingezwängt wird. Veranlasste hatte dies einst der bayerische Herzog im 30 jährigen Krieg, um nach einem verheerendem Stadtbrand Bürger dazu zu bewegen, wieder in die Stadtmauern zu ziehen. Die meisten Altstadtgrundstücke verfügen heute noch über ihre Krautgärten, wie der schöne Selbstversorgergarten der Familie Scholz in der Nähe des Friedberger Sees.

Auch die Schrebergarten-Bewegung, die 1865 einen ersten Platz in Leipzig einweihte, wollte Arbeitern in den dicht bebauten Stadterweiterungsgebieten die Möglichkeit bieten, sich auf den Wohnungen zugehörigen Flächen zu erholen und zu betätigen.

Später bot die 1919 beschlossene Weimarer Verfassung mit dem Reichsheimstättengesetz eine Art grundgesetzlich verankertes Recht auf Wohnen, mit Hilfe dessen Mietshäuser mit Mietergärten kostengünstig errichtet werden konnten. In dieser Zeit entstand beispielsweise die Maikäfersiedlung in München.

1 Der zum Grundstück gehörende Krautgarten, damals noch in Form von sechs Feldreihen ohne Abgrenzung, wird seit 1627 zur Selbstversorgung genutzt
2 Mangold und Rote Beete
3 Möhren, Buschbohnen und Mangold

Gesunder Grünbezug

Gesunde und lebenswerte Wohnverhältnisse halte ich bei Mehrfamilienhäusern nur dann für gewährleistet, wenn zu jeder Wohnung ein Garten von mindestens 100 m2 Fläche gehört, vor allem wenn Familien mit Kindern darin wohnen. Dieser Anspruch sollte auch dann gelten (z. B. über eine Baulast*), wenn Wohngebiete nachverdichtet werden. Neu auszuweisende Grünfl.chen sollten in max. 1 – 2 km Entfernung zu den Wohnungen liegen.

*) Eine Baulast ist im Bauordnungsrecht eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung eines Grundstückseigentümers gegenüber der Baubehörde, bestimmte das Grundstück betreffende Dinge zu tun, zu unterlassen oder zu dulden.

Funktionierende Beispiele von Grünbezug

1650 Friedberg
Zuordnung von Krautgärten zu Grundstücken in der dicht bebauten Altstadt
1865 Schrebergartenbewegung
Erholungs- und Betätigungsmöglichkeit für Arbeiterfamilien
1936 Maikäfersiedlung, München
Mit Mietergärten nach dem Reichsheimstättengesetz von 1920 erbaut
1986 Ökosiedlung Bamberg
Mit zusätzlichen Mietergärten zum pachten, kleiner Imkerei am Siedlungsrand, www.landschaftssiedlung.com/Bamberg (W+G Nr. 146 S. 20–22)
2009 Prinzessinnengärten, Berlin
Urban Gardening auf brachliegenden Flächen in der Innenstadt (W+G Nr. 145, S. 68)
2016 WagnisART, München
138 Wohnungen mit Dachgärten, Gemeinschaftsterrassen und -brücken, Ateliers, Praxisräumen, Büros, Speisecafé, Probe-, Veranstaltungs-, Gemeinschaftsräume, Werkstätten, Waschcafé, Nähstube, Raum zum Toben, Gäste-Appartements, Dorfplatz, Oasenhof
Weitere Möglichkeiten
Große Pflanzflächen vor Fenstern, mietbare landwirtschaftliche Ackerflächen, …

Gesunden Grünbezug einfordern

Der Bebauungsplan regelt für ein definiertes Gebiet die städtebauliche Entwicklung und Ordnung. Er setzt fest, wie einzelne Grundstücke zu nutzen und zu bebauen sind. Der Bebauungsplan wird vom Gemeinderat als Satzung beschlossen und stellt dann rechtsverbindliches Stadtrecht dar. Anders, als bei einem Gesetzgebungsverfahren, kann jeder Bürger bei der Aufstellung von Bebauungsplänen seine Interessen und Belange unmittelbar einbringen.

Bei Nachverdichtungen in Gebieten ohne Bebauungspläne können Bürgerversammlungen Beschlüsse fassen, z. B. auch, dass ein einfacher Bebauungsplan aufgestellt werden soll. Zur Gewährleistung eines gesunden Grünbezugs bei Nachverdichtungen kann also auf dieser Rechtsgrundlage jeder Bürger ein Gartengrundstück fordern.

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Quellenangaben und/oder Fußnoten:

Bilder: Familie Scholz

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Wolfgang Weise

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