Vertikales Grün für Klimaresilienz

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Große Fassaden lassen sich auf unterschiedlichste Art und Weise begrünen und sorgen für ein gutes Klima – bodengebunden oder künstlich bewässert, mit und ohne Rankhilfe. Eine übersichtliche Zusammenfassung.

Autorin

Mechthild

Fendrich

M.L.E.A., freie Journalistin und Übersetzerin. Schwerpunkte: Innenausbau, Hausbegrünung, Garten, Gesundheit, 71706 Markgröningen

Die Fassade ist der größte Teil der Hausoberfläche. Sie kann auf unterschiedliche Art und Weise begrünt werden. Bei der bodengebundenen Begrünung unterscheidet man zwischen Kletterpflanzen, die sich allein an der Hauswand hocharbeiten, und jenen, die eine Kletterhilfe benötigen.

Haftwurzler wie der Gemeine Efeu können sich mit ihren sprossbürtigen Würzelchen an jeden Untergrund anheften. Finden sie gar Spalten oder Risse im Putz, dringen die lichtscheuen Triebe mit Vorliebe dort ein, um sich ins Hausinnere vorzuarbeiten. Daher sollte man vor der Anpflanzung die Fassade auf solche Beschädigungen kontrollieren. Ist diese Vorbedingung erfüllt, klettert der Efeu in allen Richtungen die Fassade hoch. Er ist immergrün und bildet mit der Zeit ein dickes Polster, das in der kalten Jahreszeit einen willkommenen Kälteschutz darstellt, aber auch vielen Vogelarten – allen voran Amsel, Taube und Sperling – ein gemütliches Zuhause bietet. Seine Blüten im Herbst ernähren vielerlei Insekten, und die Früchte stellen im Winter eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel dar. Efeu bevorzugt halbschattige bis schattige Hauswände, weshalb er der geeignete Gegenspieler zum Wilden Wein ist, der sich in der Sonne wohler fühlt und mit seinen drei bis fünflappigen großen Blättern im Sommer die Südfassade vor zu starker Sonnenstrahlung schützt. Ende September setzt dann die prachtvolle Herbstfärbung ein, bis er nach den ersten kalten Nächten die Blätter abwirft und damit den Wintersonnenstrahlen hilft, die Fassade zu erwärmen. Wie auch die Fünfblättrige Jungfernrebe sondert der Wilde Wein bei Berührungsreiz eine Art Kleber aus, mit dem er selbst an glatten Oberflächen dauerhaft andockt.

Die von Juni bis August prächtig blühende Klettertrompete bildet ebenfalls Haftwurzeln aus, mit deren Hilfe sie am liebsten an südexponierten Mauern und Zäunen, aber auch an Laternenpfosten in die Höhe klettert. Im Herbst wirft sie ihr Laub ab und ist bis -17 °C frosthart.

1 Dachbegrünung und aus Pflanztrögen hängende Fassadenbegrünung („Living Wall“) an der Calwer Passage in Stuttgart
2 Weinrebe an Spalier
3 Jungfernrebe an Rankhilfe
4 Hokkaido an Vogelknöterich

Klettergerüste und Rankhilfen

Recht beliebt ist die aus Asien bzw. Nordamerika stammende Glyzinie. Sie ist sehr starkwüchsig. Ein stabiles Klettergerüst ist also unbedingt Voraussetzung. Dünnes Blech wie etwa ein Regenabflussrohr würde sie erwürgen. Sie blüht meist zweimal im Jahr. Der erste kräftige Blütenschub erscheint noch vor den Blättern im Frühjahr. Im Spätherbst wirft sie ihr Laub ab und geht in Winterruhe.

Der Vogelknöterich stammt ursprünglich aus Mittelasien, hat sich bei uns aber seit Langem etabliert und bietet ein reichhaltiges Nektarangebot für Bienen und sonstige Insekten. In puncto Kletterhilfe ist er nicht wählerisch, er umschlingt alles, was ihm in die Quere kommt, wächst in die Breite ebenso wie bis in 15 Meter Höhe. Er verträgt einen kräftigen Rückschnitt am Ende des Winters, aber auch unterm Jahr kann es nötig werden, seine sich in alle Richtungen vorfühlenden Triebe einzukürzen. Das nimmt er aber nicht krumm.

Rosengewächse wie Ramblerrosen oder auch die Brombeere gehören zu den Spreizklimmern, die sich mit ihren Trieben an vorhandene Stützen anlehnen und dann Dornen ausbilden, mit denen sie sich bevorzugt an waagerechten Lattengerüsten einhaken, um ein Abrutschen zu verhindern. Bei vorhandenen senkrechten Kletterhilfen wachsen sie auch in die Höhe.

Zu den Sprossrankern gehört der Echte Wein, der sich in jeder Richtung fixieren lässt und so jede gewünschte Wuchsform einnimmt. Daher ist er besonders gut geeignet für Terrassenüberdachungen. Sein dichter Wuchs und die großen Blätter beschatten nicht nur, sondern kühlen die Umgebung spürbar. Die Früchte muss man dann allerdings mit Vögeln, Insekten und auch mal Hornissen teilen. In der Tabelle sind weitere Kletterpflanzen mit ihren Standortvorlieben etc. aufgeführt. Bevor eine geeignete Rankhilfe an der Fassade befestigt wird, muss deren Eignung hinsichtlich entstehender Zusatzlasten unbedingt geprüft werden. Wie sieht es mit Hinterlüftung aus, ist die Holzverkleidung tragfähig genug?

Living Walls für Wärmedämmverbundsystem (WDVS)

Wer ein Gebäude mit einem WDVS eingepackt hat, braucht dennoch nicht auf die Verschönerung seiner Fassade mit einer Lebenden Wand zu verzichten. Groß ist die Auswahl an zumeist Stecksystemen aus Kunststoff, die am Boden fixiert werden und dann in der gewünschten Höhe entweder mithilfe von Spezialdübeln an der Wand fixiert oder – besser – am Dachüberstand befestigt werden. Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle künstlich bewässert werden müssen. Zahlreiche Fachbetriebe sind darauf spezialisiert. Sie planen die Bepflanzung so, dass die Pflanzen hinsichtlich Blütezeit, Standortansprüchen, Wasserbedarf etc. zueinander passen. Auf Wunsch übernehmen sie auch die Pflege übers Jahr und warten das Bewässerungssystem.

Diese „Living Walls“ können auch freistehen und eignen sich bestens als Sichtschutzwände, die im Gegensatz zu sterilen Holzzäunen oder gar mit Schotter gefüllten Gabionen nicht nur das Nahrungsangebot für Insekten erhöhen, sondern gleichzeitig die Umgebungstemperatur absenken, den Straßenstaub filtern und auch noch Schallschutz bieten.

5 Kiwi an Drahtgitter vor WDVS
6 Living Walls gibt es in vielerlei Ausführung mit und ohne integrierte Bewässerung.
7 … sie können als Sichtschutz aufgestellt werden, eine Fassade großflächig begrünen oder Leben in eine versiegelte Fußgängerzone bringen.

Hängende Gärten

Auch für den Innenbereich werden solche Lebenden Wände fast schon standardmäßig angeboten. Da die wassergesättigten Trägervliese, in die die Pflanzen hineinwurzeln, bis zu 32 kg/m2 Gewicht auf die Waage bringen, muss auch hier zuerst der Verankerungsgrund auf Eignung geprüft werden. Die Bewässerung erfolgt vollautomatisch. Besonders in Innenräumen sorgen diese Hängenden Gärten im Winter für eine Befeuchtung der trockenen Heizungsluft, wodurch viele Erkältungskrankheiten gar nicht erst ausbrechen. Im Sommer sorgen sie durch die Verdunstungskühlung dafür, dass so manches Klimagerät eingespart werden kann.

Tipp der IBN-Redaktion

Ein neuartiges Grünfassadensystem zur Förderung der Biodiversität in dicht bebauten urbanen Räumen ist die “wilde Klimawand” der Firma Helix Pflanzensysteme. Sie soll nicht nur die Biodiversität in urbanen Räumen fördern, sondern auch die Hitzebelastung reduzieren.

Die 70 verwendeten Pflanzenarten wurden u.a. anhand eines wissenschaftlich erforschten Wildbienenscore ausgewählt. Ein Prototyp mit über 6.000 Einzelpflanzen auf 200 m² wurde in Stuttgart aufgebaut. Integriert sind auch Habitatsysteme für Vögel, Fledermäuse und Insekten. In den nächsten Jahren wird es wissenschaftlich analysiert. 2024 erhielt es den DGNB Sonderpreis Biodiversität und den Publikumspreis.

Quellenangaben

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1 Kommentar

  1. Was für ein schöner Artikel. Mitten im Winter macht er Lust auf den nahenden Frühling und inspiriert zu neuen Bepflanzungen.
    Vielen Dank.

    Antworten

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Titelbild: Mechthild Fendrich
Bild1: Leila Fendrich
Bild 2: Peter Fendrich
Bild 3-7: Mechthild Fendrich

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