Baubiologische Elektroinstallation – Visionen 2030
Von den Anfรคngen
Mit der Erfindung der Glรผhlampe und des Elektromotors im 19. Jhd. begann die stetige Elektrifizierung der รถffentlichen und privaten Rรคume. Der anfรคnglich verwendete Gleichstrom wich im Laufe der Zeit der effizienteren Versorgung mit Wechselstrom.
Die Situation heute
Heute hat sich die Situation grundlegend gewandelt. Die Versorgung mit Strom, inkl. der Kabel und elektrischen Gerรคte, ist nahezu flรคchendeckend. Den technischen Raffinessen sind keine Grenzen gesetzt – Kabel befinden sich in Innenrรคumen mittlerweile in fast allen Wรคnden und Decken. Die Folge ist eine rasante und allumfassende รnderung unserer natรผrlichen Umweltbedingungen. Und es ist nur eine von vielen, von Menschenhand gemachte Verรคnderung, die uns als Lebewesen, als Teil der Natur, herausfordert.
Nachteile der konventionellen Elektroinstallation
Die Stromversorgung basiert auf physikalischen Verfahren, die es ermรถglichen, Energie zur Stromnutzung per Kabel zu รผbertragen. Zum eigentlichen Stromfluss kommt es erst dann, wenn ein Verbraucher, z. B. eine Lampe oder ein elektrisches Gerรคt eingeschaltet wird. Aber selbst, wenn kein Strom flieรt, stehen praktisch alle in Deutschland an das hausinterne Stromnetz angeschlossenen Kabel unter einer Netzspannung von zumeist 230โ240V.
Als ungewollter Nebeneffekt dieser Energiebereitstellung entstehen jedoch biologisch wirksame elektrische Wechselfelder. Entsprechend dem Fernlehrgang Baubiologie des IBN sind dafรผr u. a. folgende Ursachen verantwortlich:
- nicht abgeschirmte Kabel
- defekte Kabel
- ungeerdete Leitungen und Gerรคte
- Ankopplung an alte Kabel oder Metallteile wie z. B. von Betonarmierungen
- ungewollte Strรถme auf Fremdleitungen (Heizung, Gas, Wasser)
Wie Praxismessungen belegen, werden entgegen der รถffentlichen Meinung elektrische Wechselfelder allein durch Baustoffe zumeist nicht hinreichend genug abgeschirmt. Messwerte zwischen 30โ50 V/m am Schlafplatz sind leider keine Seltenheit. Diese sind aus baubiologischer Sicht bereits stark bis extrem auffรคllig.
Empfehlungen zur Vorsorge
Schon das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) von 1974 fordert in ยง 1 eigentlich โMenschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphรคre sowie Kultur- und sonstige Sachgรผter vor schรคdlichen Umwelteinwirkungen zu schรผtzen und dem Entstehen schรคdlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugenโ. Um die Technik vor Stรถrungen zu schรผtzen und deren Funktionen zu gewรคhrleisten, werden abgeschirmte Kabel z. B. fรผr Netzwerk-Verbindungen oder fรผr das Kabelfernsehen genutzt. Zum Schutz des Menschen jedoch wird die notwendige Reduzierung elektrischer Wechselfelder schlichtweg ignoriert. Andere Lรคnder, wie z. B. Schweden, sind da fortschrittlicher: Dort gilt zum Schutz der Arbeitnehmer gemรคร der TCO-Norm fรผr Computerarbeitsplรคtze ein Vorsorgewert von 10 V/m (erdpotenzialbezogen). Mediziner, Wissenschaftler, Baubiologen und Elektrosensible fordern seit Jahren einen bewussteren Umgang mit diesem Thema und die Herabsetzung der รถffentlichen Grenzwerte.
Richtwerte fรผr elektrische Wechselfelder in V/m
DIN/VDE 0848 (Arbeitsplatz) | 20.000 |
26. BImSchV | 5.000 |
Schwedische TCO-Norm fรผr Computerarbeitsplรคtze | 10 |
Baubiologische Richtwerte gemรคร SBM-2015 | 1 |
Ist Vorsorge รผberhaupt notwendig?
Leider ist die Thematik sehr umstritten und es gibt seitens der Wissenschaft oft widersprรผchliche Aussagen. Da biologische Zellablรคufe im Menschen durch kรถrpereigene elektrische Impulse gesteuert werden, ist die Wahrscheinlichkeit, auf รคuรere Reize ebenfalls zu reagieren, durchaus gegeben. Reizstrom wird z. B. auch zur therapeutischen Behandlung eingesetzt und kann hier seine positiven biologischen Wirkungen entfalten. Das regelmรครige und andauernde Vorliegen einer elektrischen Wechselspannung in Kรถrpernรคhe kann jedoch unser biologisches System stรถren, Ionenkanรคle ins Ungleichgewicht bringen und die gesamte Zellkommunikation behindern. Aus diesen Stรถrungen kรถnnen sich im Laufe der Zeit ernsthafte Erkrankungen entwickeln. Dies zeigt z. B. auch die steigende Zahl der Elektrosensiblen.
Neue EMF-Leitlinie
Die europรคische Akademie fรผr Umweltmedizin (EUROPAEM) stellte u. a. fest, dass โรrzte immer hรคufiger mit Beschwerden unbekannter Ursache konfrontiert werdenโ und dass โStudien, empirische Beobachtungen und Berichte von Patienten ganz eindeutig auf Wechselwirkungen zwischen Beschwerden und der Exposition gegenรผber elektromagnetischen Feldern (EMF) hinweisenโ. Die 2016 verรถffentlichte EMF-Leitlinie zur Prรคvention, Diagnostik und Therapie EMF-bedingter Beschwerden und Krankheiten gibt medizinische Erkenntnisse wieder und fordert mit einer konkreten Handlungsanleitung die Umsetzung von Vorsorgemaรnahmen, auch im Bereich der niederfrequenten elektrischen Felder von gebรคudeinternen Elektroinstallationen. Konkret werden fรผr die Nacht am Schlafplatz Werte von max. 1 V/m (potenzialfrei) und fรผr empfindliche Personengruppen 0,3 V/m (potenzialfrei) gefordert. Diese Richtwerte liegen fรผr die elektrischen Wechselfelder nahe den Richtwerten des Standards der Baubiologischen Messtechnik (SBM-2015).
Grafik
Anschluss des Beidrahtes an den FPA (Funktionspotenzialausgleich) | Danell GmbH
Vorteile der baubiologischen Elektroinstallation
Den besten Basisschutz bieten abgeschirmte Kabel (auch Gerรคteanschlusskabel!) und Steckdosen, weil so die Emissionen elektrischer Wechselfelder bereits an der Feldquelle verhindert werden. Durch die standardmรครige Verlegung abgeschirmter Kabel kรถnnten diese Felder also einfach und unkompliziert an ihrer Ausbreitung gehindert werden. Vielen Menschen kรถnnten damit jahrelange Belastungen durch erhรถhte Feldstรคrken von vornherein erspart bleiben. Nachtrรคgliche, umfangreiche und kostenintensive Abschirmmaรnahmen kรถnnten so vermieden bzw. deutlich vereinfacht werden.
Das neue Elektrohandwerk
In der Ausbildung von Elektrikern spielen Einflรผsse auf den Menschen durch erhรถhte Feldbelastungen i. d. R. keine Rolle. Das Vorhandensein biologisch wirksamer Faktoren und auch die Reduzierung unnรถtiger Emissionen durch feldarme Installationsarten oder Abschirmungen ist nicht Teil der Lehrinhalte. Folglich werden Kunden in den meisten Fรคllen nicht รผber mรถgliche Risiken und die Mรถglichkeiten ihrer Vermeidung beraten. Durch Integration dieser Themen in die Ausbildung kรถnnte Verantwortung und Gesundheitsvorsorge gefรถrdert werden.
Besonderheiten fรผr den Elektriker
Elektriker sollten v. a. auf eine abgeschirmte Installation und die separate Erdung des Kabelschirmes am Funktionspotenzialausgleich achten.
Vorteile fรผr Arbeitgeber durch Vorsorge
Arbeitgeber tragen eine hohe Verantwortung fรผr ihre Mitarbeiter. Das Engagement zur Bereitstellung eines gesunden Arbeitsumfeldes โ und hierzu gehรถrt auch ein Minimum an physikalischen Umweltbelastungen โ wird durch die Mitarbeiter als wertschรคtzend honoriert. Dies zeigt wunderbar die Eigeninitiative der DB Services GmbH der Deutschen Bahn: Hier wurden in den letzten Jahren im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements an รผber 750 Bรผroarbeitsplรคtzen Messungen und Reduzierungen u. a. der elektrischen Wechselfelder durchgefรผhrt. Die Mitarbeiter wurden aktiv in die Maรnahmen einbezogen und geschult. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: sinkende Fehltage, gegenseitige Wertschรคtzung und ein besseres Arbeitsklima. In die Gesundheit der Mitarbeiter zu investieren lohnt sich also auf jeden Fall.
So einfach kรถnnte Vorsorge sein
Was nรผtzt all der Fortschritt und Komfort, wenn dadurch sogenannte Zivilisationskrankheiten entstehen? Fraglich ist, wer die Verantwortung trรคgt fรผr die Informationspflicht und den Schutz der Bevรถlkerung. Nach Auffassung der Autorin sind dies in erster Linie die รถffentlichen รmter und Normungsgremien sowie alle beteiligten Berufsgruppen.
Die geringen Mehrkosten fรผr die abgeschirmten Kabel und den Mehraufwand bei der Verlegung stehen in keinem Verhรคltnis zu dem Aufwand und den Kosten fรผr nachtrรคgliche Abschirmmaรnahmen und werden von informierten Kunden fรผr ihre Gesundheit sicherlich gern aufgebracht. Fortschritt und Verantwortung sind untrennbar miteinander verbunden. Und nicht immer ist Vorsorge so einfach, wie bei der Ausfรผhrung von Elektroinstallationen. Die Vision 2030 fรผr die Integration eines gesundheitsbewussten VDE-Standards in Ausbildung und Ausfรผhrung kann wahr werden, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen.
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6 Kommentare
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Interessant, ich habe noch nie von baubiologischen Elektroinstallationen gehรถrt! Gut, dass sie die Emissionen elektrischer Wechselfelder verhindern. Ich plane gerade die Elektrotechnik meines Hauses und lese daher gerne zum Thema. Danke fรผr den Beitrag, sehr interessant!
Es freut mich, dass diese Informationen fรผr Sie hilfreich sind. Sehr gut, dass Sie bereits in der Planungsphase Kenntnis davon erlangen, so kรถnnen Sie dies bei der Umsetzung berรผcksichtigen. Da es ja auch immer auf die Kosten ankommt, noch ein Hinweis: Vorrangig schรผtztenswert im Sinne einer Reduzierung von Elektrosmog sind auf jeden Fall die Schlafrรคume und Kinderzimmer.
Ich wรผnsche Ihnen viel Erfolg bei ihrem Bauprojekt!
Das Thema Elektroinstallation interessiert mich schon seit Lรคngerem. Ich bin immer auf der Suche nach neuen und interessanten Artikeln und Blogs zu diesem Thema. Es ist super, dass ich diesen Blog gefunden habe. Hier findet man echt viele hilfreiche Informationen. Dies wird mir bei der Elektroinstallation fรผr das Bรผro, in dem ich arbeite, helfen.
Vielen Dank fรผr den Input von Herrn Brรผggemann. Mein Beitrag war eher zukunftsorientiert auf den Neubau von Gebรคuden bezogen, aber natรผrlich ist es ebenfalls wichtig, im Bestand elektrische Wechselfelder zu reduzieren und dies nicht nur durch Abschirmmaรnahmen. Ich kann die Ideen von Herrn Brรผggemann nur unterstรผtzen. WIr brauchen sowohl Reprรคsentanten in den Normausschรผssen, die รผber baubiologisches Wissen verfรผgen und im Sinne der Vorsorge Einfluss nehmen kรถnnen, als auch gut ausgebildete Elektriker und Baubiologen. Mit einem guten Fortbildungskonzept auch auf diesem Gebiet und der Zusammenarbeit der baubiologischen Institute (wie z.B. dem IBN) und Verbรคnde (wie z.B. VB und VDB) kรถnnte man sicherlich gemeinsam viel erreichen.
Freundliche Grรผรe
Jeanne Siepert
Die Idee ist super, aber das ist Schritt drei oder vier.
Heute werden im privaten Wohnungsbau nicht mal die Altinstallationen geprรผft. Wenn man einfach nur die Elektroinstallationen alle fรผnf Jahre รผberprรผfen und in Ordnung bringen wรผrde, wรคre schon viel gewonnen, auch in Punkto Brandschutz und Nutzerschutz. Da werden LED-Leuchten in Masse in einem Haushalt eingebaut und der 15 Jahre alte FI-Schalter bleibt sitzenโฆ
Elektrofirmen haben die Auftragsbรผcher voll und kein Interesse, neue Geschรคftsfelder zu erschlieรen.
Ich fahre inzwischen in einem grรถรeren Umkreis um meinen Wohnort, um Installationen zu prรผfen, niederfrequente Felder zu messen, Gebรคudeerder zu ertรผchtigen und Netzfreischalter einzubauen. Wohlgemerkt, nebenberufflich und zum Ingenieursstundensatz, da es keine Elektriker gibt, die das tun wollen oder kรถnnen.
Im Hauhalt mit einer Drehstromeinspeisung und intelligenter Verteilung der Phasen รผber die Rรคume kann man schon einiges an elektrischen Feldern reduzieren. Das kostet nicht mal mehr.
Die Baubiologie braucht mehr Elektrofachkrรคfte, die das know-how im Bereich der Hausinstallationen haben und Personen, die in den Normausschรผssen mitarbeiten. Es gibt gute baubiologisch geschulte Fachleute wie Architekten, Bau- und Baustofffachleute und im Bereich der Technischen Gebรคudeausrรผstung (TGA). โBaubiologischeโ Elektrofachkrรคfte gibt es wenig.
Beim Anschluss von Erdungen an Abschirmmaterialien reicht es nicht, nach der Netzform zu fragen, man muss auch den Erder mal nachmessen und die Erdung im Raum beurteilen kรถnnen. Wie oft hรคngt, in alten Hรคusern, die Gebรคudeerde an der Wasserleitung, was genau so lange funktioniert hat, bis die Wasseruhr durch eine Kunststoffuhr ersetzt wurdeโฆ
Vielleicht hat das IBN ja Interesse, Weiterbildungen fรผr Elektrofachkrรคfte anzubieten?! Optimal wรคre es, wenn diese Kurse dann als Kurse fรผr den Erhalt der Fachkunde anerkannt wรผrden.
Ich kรถnnte mir da eventuell eine Kooperation mit einem Bildungstrรคger vorstellenโฆ..
Viele Grรผรe,
Armin Brรผggemann
Ergรคnzung: Das Thema โBaubiologische Elektroinstallationโ ist derzeit leider wirklich im Elektrohandwerk kaum ein Thema. Um das Jahr 2000 herum war das noch anders. Damals gab es auch den bundesweiten โVerband fรผr angewandte biologische Elektrotechnik โ VABEโ als Interessenvertretung der baubiologisch installierenden Elektriker. Irronischerweise kamen die meisten Mitglieder des VABE aus der Region von Herrn Brรผggemann.
Bei einigen Handwerkskammern werden Schulungen zur baubiologsichen Elektroinstallation (Beispiel HWK Augsburg in Kooperation mit dem IBN) angeboten. Leider fallen diese Schulungen hรคufig mangels Teilnehmer aus.
Zielfรผhrender dรผrften daher Schulungsmodule in der Meister- und Facharbeiterausbildung sein. Diese Module (Unterlagen + Referenten) kรถnnten vom IBN und VB bundesweit den jeweiligen Ausbildungsstรคtten angeboten werden.