Licht ist Leben

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Dem Einfluss der Beleuchtung auf das menschliche Wohlbefinden wird kaum Bedeutung beigemessen, dabei ist das Thema wichtig.

Autor
Joachim Gertenbach

Joachim

Gertenbach

Dipl.-Ing., arbeitet als Baubiologe und Umweltanalytiker in Wuppertal

Baubiologen und Mediziner aufgewacht! 

Trotz Glรผhlampenverbot 2009 und Halogenlampenverbot 9/2018 und den damit verbundenen neuen Leuchtmitteln erscheint mir das Interesse an unseren kรผnstlichen Beleuchtungen selbst bei manchen Baubiologen eher gering. Obwohl dieses Thema schon immer in den โ€ž25 Leitlinien der Baubiologieโ€œ und seit 2015 auch im SBM (Standard der Baubiologischen Messtechnik) als ein Kriterium zur Beurteilung von gesundem Wohnen und Arbeiten verankert ist, findet es immer noch zu wenig Beachtung. Mit diesem Beitrag mรถchte ich wachrรผtteln und darstellen, warum es so wichtig ist.

In ihrer Entwicklungsgeschichte haben sich alle Lebewesen an die natรผrlichen Lichtverhรคltnisse angepasst. Pflanzen absorbieren die Blau- und Rot-Anteile des Sonnenlichts und verwenden die hierin enthaltene Energie fรผr ihr Wachstum (Photosynthese). Die dazwischen liegenden Wellenlรคngen werden hauptsรคchlich reflektiert und daher erscheint uns die Flora รผberwiegend in einem Grรผnton. In der Fauna haben Tiere spezielle Rezeptoren entwickelt, die รผber das Sehvermรถgen der Menschen hinausgehen. Schlangen kรถnnen z. B. mittels Infrarot-Sensoren ihre Beute auch nachts jagen oder Vรถgel mit einer gegenรผber dem Menschen doppelt so hohen Anzahl von Sehzellen auch die ultraviolette Strahlung registrieren und somit Details und Bewegungen viel deutlicher als Menschen erkennen.

Fรผr uns Menschen ist das Sonnenlicht lebensnotwendig. Es steuert unseren Tag-/Nacht-Rhythmus, ist Vitamin-D-Spender, stรคrkt das Immunsystem, steuert wesentliche Hormonaktivitรคten und beeinflusst somit eine Vielzahl von Funktionen unserer Organe. Eine vollstรคndige Auflistung wรผrde viele Seiten fรผllen.

Baubiologische Messtechnik und Licht

Bei den meisten herkรถmmlichen Schlafplatzanalysen werden lediglich die Belastungen der elektrischen und magnetischen Immissionen der Nachttisch- und Deckenlampen untersucht. Die Argumentation: Wรคhrend der Regenerationsphase sind in der Regel alle Lampen ausgeschaltet. Doch dies ist zu kurz gedacht. Biologische Reaktionen kรถnnen sofort oder zeitlich verzรถgert auftreten, so z. B. durch das Licht zuvor genutzter Monitore, Tablets, E-Book-Reader, Smartphones oder LEDs mit einem hohen Blau-Anteil. Diese Gerรคte unterdrรผcken dann die fรผr den Schlaf wichtige Melatonin-Produktion und sollten daher vor dem Schlafengehen nicht mehr genutzt werden.

1 und 2 Ausstellungs- und Vortragsraum des IBN: In Abhรคngigkeit vom AuรŸenlicht in der Beleuchtungsstรคrke und Farbwiedergabe variables und flimmerfreies Deckenlicht sowie Akzentsetzung durch Strahler an den Wรคnden.

Und was ist mit dem Kunstlicht im Bรผro, in Kindergรคrten, Altenheimen, Krankenhรคusern usw.? In unseren baubiologischen Betrachtungen mรผssen wir auch diese Lichtquellen genauer begutachten, zumal sie ebenfalls, wissenschaftlich in vielen Untersuchungen erhรคrtet, einen enormen Einflussfaktor auf unsere biologischen Ablรคufe im Kรถrper und unser Wohlbefinden besitzen.

Baubiologische Pioniere wie Hengstenberg, Maes und Merkel haben schon vor รผber 25 Jahren auf die Bedeutung des Lichts aufmerksam gemacht. Doch erst seit dem Glรผhlampenverbot wurde das Thema intensiver betrachtet. Dabei ging es u.a. um das Flimmern anderer Leuchtmittel, die wie in wissenschaftlichen Untersuchungen festgestellt, zu sogenannten asthenopischen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Konzentrationsschwรคchen, trockenen Augen, usw. fรผhren kรถnnen. Bereits 1994 in der Zeitschrift โ€žร–kotestโ€œ, in den Ausgaben von โ€žWohnung+Gesundheitโ€œ 124/2007 (Glรผhbirne raus โ€“ Energiesparlampe rein?) und 133/2009 (Hinters Licht gefรผhrt: Energiespar- lampen) wie auch auf dem ersten Lichtseminar am 14.4.2012 erschienen hierzu die ersten Warnungen von Wolfgang Maes in Bezug auf das Flimmern der von der damaligen Bundesregierung gefรถrderten Energiesparlampen. Wichtige Erkenntnisse durchgefรผhrt mit einer minimalen Messeinrichtung.

Der Rosenheimer Arzt Markus Rust beim Messen einer Schreibtischleuchte im IBN. Er empfiehlt bei hรคufiger Computerarbeit gutes Tageslicht bzw. das Hinzuschalten einer guten und flimmerfreien Leuchte

In den folgenden Jahren erschienen dann auch in Wohnung+Gesundheit Artikel รผber die spektralen Eigenschaften des Kunstlichts und dessen Bedeutung. Untersuchungen, die heute mit viel gรผnstigeren Messgerรคten durchgefรผhrt werden kรถnnen. Aber nach wie vor liegt das Thema Licht in einem Dornrรถschenschlaf. Dabei hat die Baubiologie eine ganze Menge an Informationen zu diesem Thema zusammengetragen und kann als neutrale Instanz unabhรคngig von Preisen und Herstellern die Anwender in Bezug auf gesundes Licht beraten. Die bereits im SBM von 2015 angegebenen Beurteilungskriterien waren wieder einmal richtungsweisend. Dies zeigte auch ein Besuch der im Mรคrz 2018 in Frankfurt veranstalteten Messe light+building.

Manipulation oder Nutzen fรผr den Verbraucher?

Auf dieser Messe waren die Vernetzungen der Lichtquellen mit anderen Steuerungssystemen sowie das Stichwort HCL (Human Centric Lighting) die vorrangigen Themen. Der Begriff HCL ist aber genau das, was die Baubiologie mit ihrem Grundsatz โ€žDie Natur als MaรŸstabโ€œ seit jeher gefordert hat, nรคmlich ein dem Sonnenlicht adรคquates Kunstlicht. Derzeit beschrรคnkt sich HCL noch auf die spektralen Eigenschaften des Lichts mit seinen biologischen Wirkungen, speziell zur Steuerung des circadianen Tagesrhythmus des Menschen, realisiert mit variablen Beleuchtungsstรคrken und Farbtemperaturen der Leuchtmittel. Die kommerziell bedeutsamen Argumente der Industrie lauten hierbei:

  • hรถhere Effektivitรคt der Mitarbeiter sowie geringere Unfallzahlen am Arbeitsplatz,
  • bessere Farbwiedergabe fรผr eine optimalere Prรคsentation von Waren
  • gesteigertes Wohlbefinden der Kunden in Shops mit entspr. hรถheren Verkaufszahlen
  • mehr Sicherheit im Dunkeln
  • geringerer Strombedarf.

Das Thema Lichtflimmern (engl. flicker) ist zwar in der Industrie allseits bekannt, aber aufgrund der noch vorhandenen Vielzahl von flimmernden Elektroniken in den LEDs oder Vorschaltgerรคten รถffentlich noch nicht salonfรคhig. Mit Sicherheit ein Thema in den kommenden Jahren, denn an einer Bewertung mit entsprechenden Standards wird intensiv gearbeitet.

Eine Aufgabe fรผr Baubiologen

Die Argumente der Industrie fรผr gesundes Licht spielt der Baubiologie in die Hรคnde. Durchschnittlich 90 % unserer Zeit verbringen wir in Innenrรคumen, davon viele Stunden unter Kunstlicht. Lichtplaner, Arbeitgeber, Krankenkassen, ร„rztekammern, Heilpraktikerverbรคnde oder Medien wรคren ideale Ansprechpartner fรผr baubiologische Messtechniker (nicht nur) in Sachen Licht. Wenn nicht jetzt, wann dann? Jeweils nach der Einfรผhrung von Leuchtstoffrรถhren und den ersten Computermonitoren stiegen die Beschwerden der Mitarbeitern deutlich an. Daraufhin wurden die Frequenzen erhรถht und man ging davon aus, dass ein Flimmern รผber 100 Hertz unkritisch sei. Jetzt wird auch die Industrie vorsichtiger und berรผcksichtigt bei ihren Flimmermessungen einen Frequenzbereich bis 2.000 Hz.

Nach baubiologischer Auffassung sollte Kunstlicht sowohl bei niedrigen als auch bei hohen Frequenzen vollkommen flimmerfrei sein (Stichwort dirty light). Ein Blick in den SBM zeigt, dass wir hierauf schon vor Jahren hingewiesen haben. Wie auch auf die Wellenform, nรคmlich harmonisch und sinusfรถrmig und nicht disharmonisch und rechteckfรถrmig. Das โ€“ speziell durch die vielfach eingesetzte Pulsweitenmodulation โ€“ gedimmte Licht, erzeugt eine Vielzahl von Oberwellen, die wir meist nicht bewusst wahrnehmen, die aber verstรคrkt zu stroboskopischen (nicht sichtbaren) Effekten fรผhren. Erkennbar schon mit einer Digitalkamera oder einem Smartphone: Helligkeitsschwankungen oder dunkle Balken auf diesen Gerรคten sind ein deutlicher Hinweis auf ein Flimmern mit 100 Hertz. Doch Vorsicht, gibt es diese Effekte nicht, bedeutet dies nicht in jedem Fall Flimmerfreiheit. Diese Leuchtmittel kรถnnen dann mit hรถheren Frequenzen flimmern.

Ein wesentlicher Ansatz des SBM ist der Vorsorgegedanke. Zu warten, bis gesundheitliche Probleme durch Leuchtmittel entstehen, wรคre daher fahrlรคssig. Seien wir uns doch der Vorreiterrolle der Baubiologie mehr bewusst und untermauern damit deren Einzigartigkeit. Die objektiven Messergebnisse bieten eine gute Grundlage fรผr รผbergreifendes, interdisziplinรคres Zusammenarbeiten.

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Vertiefendes Wissen zum Thema Lichtflimmern und neue Messverfahren

Quellenangaben

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2 Kommentare

  1. Schรถner Artikel, aber leider ohne irgendwelche Hinweise auf mรถgliche am Markt erhรคltliche Lรถsungen fรผr diese Anforderungen. Insbesondere wenn dann auch noch die Minimierung des Elektrosmogs angestrebt wird. Kรถnnen Sie da auch Hinweise geben?

    Antworten
    • Mit Nennung konkreter Produkte halten wir uns meist zurรผck, da wir uns als Institut Unabhรคngigkeit und Neutralitรคt (u.a. von Produktherstellern und -anbietern) auf die Fahnen geschrieben haben. Sie haben aber wohl recht, dass wir hierzu ein paar Hinweise machen sollten, zumal es wenig Lampen und Leuchten gibt, die auf die Minimierung von Elektrosmog und Flimmern achten:
      https://www.bio-licht.org
      https://www.biologadanell.com/c/geschirmte-leuchten
      https://www.yes-company.de/lampen (diese Firma hat einige LED-Leuchtmittel, die nicht flimmern)

      Antworten

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Bilder und Lichtplanung: Tanja Knura, Dipl. Ing. Innenarchitektin โ€“ Tageslichtarchitektin MSc, Mรผnchen

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Joachim Gertenbach

Joachim

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