Wie mobile Kommunikation gesünder gestalten?

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Die Mobilfunk-Infrastruktur ist nahezu flächendeckend ausgebaut, fast alle Einwohner nutzen mobile digitale Geräte. Damit stellt sich die Frage, wie wir und besonders unsere Kinder auf die damit verbundene Funkstrahlung reagieren. Die fortschreitende Digitalisierung sollte sich an demokratischen, ökologischen und gesundheitsverträglichen Gesichtspunkten, also auch im Sinne bestmöglicher Strahlenminimierung ausrichten.

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Das Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN ist Herausgeber des Baubiologie Magazins.

Die Mobilfunkstrahlung wurde von der WHO 2011 als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft. Aus neuen, besorgniserregenden Forschungsergebnissen schlussfolgern führende Wissenschaftler, dass die WHO die strengere Einstufung in „krebserregend“ prüfen sollte. Auf weitere Risiken wie Fruchtbarkeits- und Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Auswirkungen auf Lernen und Verhalten weisen zahlreiche Studien ebenfalls hin. Die wissenschaftliche Studienlage zu dieser Frage benennt also ein ernstzunehmendes Schädigungspotenzial.

Vorsorgepolitik und bestmögliche Strahlenminimierung sind also dringend notwendig nach dem Prinzip: Mehr Daten mit weniger Strahlung. Mit fortschrittlicher Technik kann dies bereits heute bei hervorragender Nutzungsqualität verwirklicht werden. Gestützt auf den TA-Bericht des Bundestags von 2023 “Mögliche gesundheitliche Auswirkungen verschiedener Frequenzbereiche elektromagnetischer Felder (HF-EMF)” (Drucksache 20/5646) sind zahlreiche Maßnahmen in verschiedenen Politikfeldern denkbar:

1. Gesundheitsschutz

  • Leitlinien Strahlenschutz für nieder- und hochfrequente nicht-ionisierende elektromagnetische Strahlung werden neu erarbeitet. Sie dienen als zentrale Grundlage für alle weiteren politischen Maßnahmen im Bereich der Mobilfunkpolitik…
  • Die Grenzwerte für elektromagnetische Felder (EMF), die in der 26. BImSchV festgelegt sind, werden angepasst. Dies geschieht anhand der neu erarbeiteten Leitlinien Strahlenschutz und damit auf Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu thermischen und nicht-thermischen biologischen Effekten.

2. Infrastruktur und Standards

Der TA-Bericht empfiehlt die Entwicklung emissionsärmerer Technologien und technischer Standards, um die Strahlenbelastung durch Elektromagnetische Felder (EMF) des Mobilfunks und anderer Quellen zu minimieren. Beispiele solcher Technologien und Standards sind:

  • Nationales Roaming bzw. Net-Sharing – Ein Netz für alle, anstatt gleichzeitig parallel betriebene mehrere Netze.
  • Kleinzellennetze: Bisherige Mobilfunkantennen (Makrozellen) versorgen große Flächen und strahlen daher so stark, dass am Rand jeder Zelle (durch mehrere Gebäude hindurch) die Versorgung noch garantiert wird. Dies führt zu sehr hoher Strahlenbelastung, besonders in der Nähe der Antenne. Mit Kleinzellennetzen rücken die Sender sehr viel näher an die Nutzer, senden nur noch entlang der Straßen, aber nicht mehr durch Gebäude hindurch. Dadurch sinkt die Strahlenbelastung erheblich.
  • Lückenloser Glasfaserausbau: Schnelles Internet gehört zur Daseinsvorsorge aller Menschen, es ist die Grundlage der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft. Die Glasfaser bietet genau dies. Und sie ist gesundheitlich unbedenklich, weil ohne Funkstrahlung.
  • LiFi – Licht statt Funk für die drahtlose Datenübertragung: Viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass WLAN-Strahlung gesundheitsschädlich ist. Die gesundheitlich unbedenkliche Alternative heißt Light Fidelity (LiFi): Hierbei werden die Daten per Licht- oder Infrarot-LEDs übertragen.
  • Mobilfunkvorsorgekonzepte: Kommunen können die Errichtung der Mobilfunkinfrastruktur bereits jetzt maßgeblich mitbestimmen, indem sie nach §7a der 26. BImSchV das Dialogverfahren einleiten. Dieses sieht vor, den emissionsärmsten Standort für neue Mobilfunkmasten zu ermitteln.

3. Verbraucherschutz

  • Interoperabilität – Ein Gerät für alle Netze: Wie praktisch wäre es, wenn unsere (mobilen) Endgeräte für Telefon-, Notruf- und Datenverbindungen immer automatisch das beste verfügbare, also strahlungsärmste Netz nutzen würden? Im Außenbereich kommen dafür das Mobilfunknetz (per nationalem Roaming) in Frage. In Gebäuden ist weiterhin die Versorgung per LAN-Kabel (ggf. über Adapter), per DECT, per WLAN-Call[i] oder per LiFi möglich – und alles mit dem gleichen Gerät. Dann ist es für mobile Erreichbarkeit nicht mehr nötig, Gebäude mit Mobilfunkstrahlung zu durchstrahlen (siehe Kleinzellennetze).
  • Kabelanschluss: Alle Geräte, die mit dem Internet kommunizieren können, verfügen über einen Kabelanschluss zur Datenübertragung (LAN oder USB). Ausschließliche Kommunikation per Funk ist nicht erlaubt, es muss aus Strahlenschutzgründen immer (auch) eine Kabelalternative zur Kommunikation geben. Wenn Geräte z.B. nur einen USB-Anschluss haben, gehört ein Adapter (USB auf LAN) zum Lieferumfang.
  • Leistungsregelung (Eco): Alle WLAN-Geräte (Router, Endgeräte) am Markt müssen in Zukunft leistungsgeregelt (z.B. bis 3% der Sendeleistung) und optional automatisch abschaltbar sein (Eco-WLAN). Das gleiche gilt für kabellose DECT-Telefone (Eco-DECT): Sie strahlen nicht mehr dauerhaft, sondern nur noch bei Telefonaten, und sie sind ebenfalls leistungsgeregelt (Basis und Hörer). Der Eco-DECT-Modus ist die einzige Betriebsart, Dauerstrahler sind damit nicht mehr erlaubt.
  • Information der Bevölkerung: Der TA-Bericht nennt als politische Option die „verstärkte Information der Bevölkerung“. Dazu gehören vorsorgeorientierte Aufklärungskampagnen zur möglichen Krebsgefahr, zu möglichen Fruchtbarkeitsstörungen und anderen Gesundheitsgefahren, zu denen evidenzbasierte Hinweise vorliegen.
  • Altersbeschränkung für Kinder: Für Kinder unter 16 Jahren sind sowohl die psychosozialen als auch die strahlungsbedingten Folgen der Nutzung von Smartphones, Tablets und Smartwatches besonders gravierend. Daher wird bundesweit die Nutzung solcher Geräte erst für Kinder ab 16 Jahre erlaubt.

4. Minderheitenschutz

  • Zunehmend mehr Menschen sind von Elektrohypersensibilität (EHS) betroffen, hervorgerufen durch die Dauerbelastung mit elektromagnetischen Feldern. Es ist Aufgabe des Staates, für ihre medizinische Versorgung und ihren Schutz zu sorgen. EHS wird daher als umweltbedingte Erkrankung anerkannt. Umweltmedizinische Leistungen werden in den Katalog der gesetzlichen Regelversorgung aufgenommen.
  • Schutzzonen: Der TA-Bericht nennt die Einrichtung von Schutzzonen, in denen die Verwendung von Mobiltelefonen oder die Errichtung von Sendeanlagen verboten oder stark eingeschränkt wird. Daher werden zum Schutz für Elektrohypersensible – analog dem Nichtraucherschutz und im Sinne der Barrierefreiheit – mobilfunkarme und WLAN-freie Zonen eingerichtet, u.a. in öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern und im öffentlichen Nah- und Fernverkehr.

5. Umwelt- und Naturschutz

  • Naturschutzgebiete: Die im Labor nachgewiesene Schädlichkeit für Insekten und Pflanzen rechtfertigt bereits jetzt Vorsorgemaßnahmen, zumal die Insekten in der Natur zusätzlich diversen Umweltschadstoffen ausgesetzt sind: In Naturschutzgebieten dürfen keine Mobilfunkmasten mehr neu gebaut oder weiter betrieben werden.
  • Energieverbrauch: Durch die Einführung von nationalem Roaming (s.o.) sinkt neben der Strahlenbelastung auch der Energieverbrauch für den Mobilfunk. Durch die Einführung von interoperablen Geräten (s.o.) sind Mobilfunknetze in Gebäuden nicht mehr nötig, der Energieverbrauch für den Mobilfunk sinkt dramatisch.
  • Das Recht auf ein analoges Leben in allen Gesellschaftsbereichen wird gesetzlich garantiert!

6. Forschung

  • Das EMF-Portal (emf-portal.org) wird von der RWTH Aachen geführt und ist seit 2011 die Referenz-Datenbank der Weltgesundheitsorganisation (WHO), also die international anerkannte Datenbank für Studien zu nieder- und hochfrequenten nicht-ionisierenden elektromagnetischen Feldern. Bis 2017 wurde die Erstellung von neutralen Studienbesprechungen (Summaries) vom Bundesministerium für Umwelt finanziert. Die Bundesregierung beauftragt das EMF-Portal wieder mit der Erstellung solcher Studienbesprechungen und versetzt so Politik und Öffentlichkeit wieder in die Lage, sich ein Bild vom Stand der Forschung zu machen. Die Finanzierung übernimmt der Bundeshaushalt.
  • Studien mit elektrosensiblen Personen werden in Auftrag gegeben, wie im TA-Bericht vorgeschlagen: Diese sollen eine wissenschaftliche Grundlage schaffen, um das Symptombild Elektrohypersensibilität (EHS) wissenschaftlich besser zu verstehen.
  • Mögliche Wechselwirkungen zwischen nieder- oder hochfrequenten elektromagnetischen Feldern einerseits und anderen Umweltschadstoffen wie Pestiziden, Klimafolgen oder Luftschadstoffen andererseits sind bislang vollkommen unbekannt. Dies muss jedoch dringend wissenschaftlich untersucht werden, denn die Erfahrung aus der Ökotoxikologie zeigt, dass solche Wechselwirkungen bestehen und dadurch die Umwelt überproportional geschädigt wird.

7. Demokratische Mitbestimmung

  • Die Risiko-Governance wird anhand der Vorschläge des TA-Berichts verändert: Eine offene und breite Partizipation von Stakeholdern u.a. aus der Zivilgesellschaft ermöglicht die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der Problemlage. Wichtig ist, der interessierten bzw. organisierten Öffentlichkeit eine Möglichkeit der Mitsprache vor der politischen Entscheidungsfindung einzuräumen.
  • Gekürzte Zweitveröffentlichung aus der Zeitschrift “Kompakt” von diagnose:funk e.V.
  • Vollständige Erstveröffentlichung einschl. umfangreichen Quellenangaben und Download des Forderungskatalogs

 

Quellenangaben

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3 Kommentare

  1. Die höchste Belastung kommt in den meisten Fällen vom eigenen Netzwerk und Gerät.
    Besonders schlimm ist es in vielen Autos.
    Meine (zusätzliche) Devise: Wi-Fi on demand, sonst abschalten.

    Antworten
  2. Es ist der Karawane nachgebellt!!! es soll ein zu spät geben, oder?

    Antworten
    • Danke für Ihren Kommentar. Allerdings bellen wir seit Jahrzehnten, aber mit Elektrosmog verhält es sich wie mit anderen Suchtmitteln, also wie z. B. mit Alkohol. Wirtschaftliche Interessen sowie die Versuchung bzw. Sucht ist bei den meisten Menschen stärker als die Gesundheitsvorsorge. Viele Menschen wachen erst auf, wenn es zu spät ist und sie krank werden.
      Unser Engagement gilt v. a. denjenigen, die im Sinne unseres Grundsatzes “Jede Risikoreduzierung ist anzustreben” bereit sind, Vorsorgemaßnahmen und/oder bereits krank sind, sowie an den Schutz unserer Umweltschutz.

      Antworten

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