NaturInfoZentrum – Stampflehm und Eisspeicher
Auf dem Ludwigsburger Hungerberg, einer Kulturlandschaft mit renaturiertem Steinbruch, Biotopen und artenreichem Lebensraum fรผr gefรคhrdete Tiere und Pflanzen, steht seit Ende 2013 ein รถkologisches und energetisches Leuchtturmprojekt, das NaturInfoZentrum (NIZ). Es entstand in Kooperation der Stadt Ludwigsburg, der Hochschule fรผr Technik Stuttgart (HfT) und dem Bienenzรผchterverein Ludwigsburg 1, weshalb es auch Casa Mellifera genannt wird โ das Haus der Honigbiene. Das in die Landschaft eingebettete Gebรคude kombiniert die Stampflehmbauweise und ein innovatives Energiekonzept. Da es nicht kontinuierlich als Vereinsraum der Bienenzรผchter und als Ort fรผr nachhaltige Bildung genutzt wird, braucht es auch nicht die Wรคrmedรคmmstandards der EnEV zu erfรผllen.
Die Heizung sollte flexibel steuerbar sein. Um ein optimales Heizungskonzept zu finden, wurden verschiedene Varianten verglichen: eine Elektro-Einzelheizung, eine Gas-Brennwerttherme und die Eisspeichertechnologie mit unterirdischem Wasserspeicher, Wรคrmepumpe, Fuรbodenheizung und Solarluftrรถhrenkollektoren. Die Ludwigsburger Energieagentur LEA erstellte eine Wirtschaftlichkeitsberechnung und untersuchte die Umweltauswirkungen dieser Varianten. Letztendlich entschied man sich fรผr die Eisspeichertechnologie, obwohl die Investitionskosten dafรผr im Vergleich zu den anderen Varianten am hรถchsten sind. Allerdings wurde diese Investition mit 50 % gefรถrdert, u. a. durch das Ministerium fรผr Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Wรผrttemberg.
Eisspeicher
Ein Eisspeicher ist ein Niedertemperatur-Wรคrmespeicher, der zusammen mit einer Wรคrmepumpe betrieben wird und die Kristallisationswรคrme des Eises nutzt. Wirtschaftlich werden Eisspeicher meist erst dann, wenn auch Kรผhllasten anfallen, also z. B. eine vorhandene Fuรbodenheizung im Sommer zur Raumkรผhlung genutzt werden kann.
Innovative Eisspeichertechnologie
Die Berechnungen der LEA zeigen, dass die Eisspeichertechnik die geringsten laufenden Energie- und Betriebskosten hat. Ausgehend von einer Nutzungsdauer von 15 Jahren sind die Gesamtkosten fรผr eine Elektroheizung bereits nach 7,5 Jahren hรถher, obwohl sie in der Anschaffung am gรผnstigsten ist. Nach 11 Jahren liegen die Gesamtkosten fรผr die Elektroheizung auch hรถher als die der Variante mit der Gas-Brennwerttherme, obwohl lange Erschlieรungswege den Gasanschluss noch einmal teurer gemacht hรคtten. Die CO2-Emissionen der gewรคhlten Eisspeichertechnik sind mit 1.312 kg/a niedriger als 2.199 kg/a fรผr die Gas-Brennwerttherme und deutlich niedriger als 4.986 kg/a fรผr die Variante mit Elektroheizung.
Auch die Beleuchtung mit LEDs ist auf dem neuesten Stand der Technik. Warmwasser wird nur in der Kรผche mit Strom erzeugt. Die Wรคrmepumpe im Inneren des Gebรคudes beheizt das NaturInfoZentrum entweder mit warmem Wasser vom Dach oder entzieht dem Wasser im Eisspeicher die Wรคrme. Die PE-Rohre der Luftrรถhrenkollektoren auf dem Dach sind von Wasser durchflossen und von Auรenluft umstrรถmt. Sie nehmen dadurch die Energie der direkten Sonnenstrahlen ebenso auf, wie die Wรคrme der Luft, selbst wenn keine Sonne scheint.
Das NaturInfoZentrum in Ludwigsburg heizt und kรผhlt mit Solarluftrรถhrenkollektoren, Wรคrmepumpe und unterirdischem Eisspeicher
Die 30 Meter lange Lehmwand speichert die Sonnenwรคrme und ist mal Innen-, mal
In einem Forschungsprojekt werden Oberflรคchentemperaturen und Wรคrmedurchgรคnge gemessen
Planskizze zum Wandaufbau
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Das NaturInfoZentrum in Ludwigsburg heizt und kรผhlt mit Solarluftrรถhrenkollektoren, Wรคrmepumpe und unterirdischem Eisspeicher2
Die 30 Meter lange Lehmwand speichert die Sonnenwรคrme und ist mal Innen-, mal Auรenwand 3
In einem Forschungsprojekt werden Oberflรคchentemperaturen und Wรคrmedurchgรคnge gemessen 4
Planskizze zum Wandaufbau
Gemeinsam gestampfte Lehmwand
Die HfT entwarf auch die schรถne Architektur mit den gut ausgearbeiteten, รถkologischen Details. Dem Entwurfsgedanken folgend, wechseln die Auรenwรคnde zwischen massiv und Glas sowie zwischen gedรคmmt und ungedรคmmt: Das Foyer nach dem Eingang begleitet eine groรe Verglasung nach Sรผden. Nach Norden liegen die Toiletten und ein Nebenraum jeweils mit einer Auรenwand aus einer ausgeflockten Holzstรคnderkonstruktion. Der groรe Versammlungsraum รถffnet sich รผber Glasfassaden nach Norden und Osten; im Sรผden ist eine 60 cm starke Stampflehmwand โ ungedรคmmt wie ihr Betonsockel, mit eingestampften, die Erosion hemmenden Lagen aus Trasskalk. Das Material fรผr den Stampflehm ist ganz aus der Nรคhe. Der Lรถss kommt direkt aus der Grรผnanlage Hungerberg, der Lehm wurde beim Bau des nahen Neckarbiotops Zugwiesen gewonnen. Beim gemeinsamen Bauen wurden insgesamt 10.000 Arbeitsstunden durch die Mitglieder des Bienenzรผchtervereins, StudentInnen der HfT Stuttgart und Freiwilligen der Lokalen Agenda Ludwigsburg erbracht.
Forschung zu Energie
Alle Glaselemente sind raumhoch und mit Dreischeibenglรคsern ausgestattet. Die Decke ist aus Brettstapelholz gefertigt, der Boden mit einem Heizestrich aus Gussasphalt versehen. Durch eine intelligente Steuerung kann das NIZ im Sommer รผber die Fuรbodenheizung gekรผhlt und die entzogene Wรคrme dem Eisspeicher zugefรผhrt werden. Im Innenraum wurden zudem drei Sensoren fรผr den Wรคrmestrom und Oberflรคchentemperaturen angebracht. Ihre Daten werden von der HfT zusammen mit den Messdaten aus der Gebรคudetechnik ausgewertet, um das dynamische Verhalten der Stampflehmwand zu untersuchen. Das Monitoring des Gebรคudes gibt neue Erkenntnisse, um die EnEV eines Tages wieder vernรผnftig weiter schreiben zu kรถnnen.
Baudaten NaturInfoZentrum
Casa Melliferra in Ludwigsburg, 2013
Bauherren | Stadt Ludwigsburg, Bienenzรผchterverein Ludwigsburg 1 e.V. |
Energiekonzept | Ludwigsburger Energie Agentur LEA, Hochschule fรผr Technik Stuttgart |
technische Planung | Ingenieurbรผro Zeeh, Schreyer und Partner, Ludwigsburg |
Heizungssteuerung | Enisyst GmbH, Pliezenhausen |
Gebรคudegrundflรคche | 182,76 m2 |
ENERGIEKONZEPT | |
U-Werte [W/m2K] | Lehmwรคnde 1,5 / Holzstรคnderwรคnde 0,26 / Fenster 1,1 / Dach 0,19 / Bodenplatte 0,19 |
Jahresheizwรคrmebedarf | ca. 8.200 kWh |
Gebรคudeheizlast | 9.500 W |
Flรคchenheizung | 115 m2 |
thermische Solaluftrรถhrenkollektoren | 16 m2 |
Sole-Wasser-WP | Viessmann Vitocal 300 |
Eisspeicher | 10 m3 |
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รber die Baubiologie
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