Bauen (auch) für Wildtiere

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Überall wird gebaut – in den Städten werden letzte Baulücken gefüllt, an Stadträndern entstehen große Neubaugebiete. Brechen damit für Wildtiere, die auf Brutplatz und Unterschlupf an Gebäuden angewiesen sind, paradiesische Zeiten an?

Autorin

Sylvia

Weber

Dipl. Ing. (FH), ist Landschaftsarchitektin und im Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) zuständige Projektleiterin für den Artenschutz an Gebäuden in München.

Nein, das Gegenteil ist leider der Fall, wie sinkende Trends bei den Bestandszahlen typischer so genannter „Gebäudebrüter“ zeigen.

Artenschutz contra Klimaschutz?

Wir bauen heute anders als früher. Ob Passivhaus oder Niedrigenergiehaus – moderne Häuser sind Energiespardosen. Die Außenhülle ist gedämmt, um Wärme im Haus und Kälte draußen zu halten. Das ist auch nötig, um Energieverluste möglichst gering zu halten und unser Klima zu schützen.

Doch unsere gut gemeinten Bemühungen um die Umwelt werden für gebäudebewohnende Wildtierarten zur Katastrophe: denn energetisch hochwertige Gebäudehüllen und gedämmte Dächer bieten ihnen keine Mitwohngelegenheiten mehr. Es fehlen Lücken, Schlitze und Hohlräume, die Vögel wie Mauersegler, Sperling oder Dohle als Brutplatz nutzen können oder die Fledermäusen als Ruheplatz für den Tag dienen. Auch der moderne Baustil bereitet manchen Arten Probleme: An Flachdachbauten ohne Dachüberstand können Mehlschwalben keine Nester bauen – und Flachdächer liegen im Trend.

Mit Einbausteinen Platz für Wildtiere schaffen!

Doch Klimaschutz und der Erhalt unserer fliegenden Stadtnatur müssen nicht im Widerspruch stehen. Natürlich kann man an Neubauten Nisthilfen anbringen, um ein Quartierangebot für Spatz, Fledermaus und Co. zu schaffen. Doch wesentlich eleganter ist es, Quartiersteine bündig in die Neubaufassaden zu integrieren – dies beeinträchtigt die Gebäudeoptik nicht, schafft aber Platz für fliegende Mitbewohner. Um Wärmebrücken zu vermeiden, werden die Einbausteine hinterdämmt. Dafür gibt es hochleistungsfähige Dämmmaterialien, z. B. Vakuum-Isolierpaneele. Sie dämmen bei einer Dicke von zwei Zentimetern so gut wie 16 Zentimeter konventionelle Dämmung. So entsteht Platz für Tierquartiere.

1 Niststeine integriert in eine vorgehängte Fassade
2 Niststeine integriert in ein Wärmedämmverbundsystem (WDSV)

Die Quartiersteine werden eingeputzt und überstrichen – sichtbar bleibt lediglich das kleine, artspezifische Einflugloch. Der beste Platz für Einbausteine ist weit oben, in der Attika oder im Ortgang- und Dachtraufbereich. Auch hinter vorgehängten, hinterlüfteten Fassaden kann man auf diese Weise Quartiere schaffen. Sinnvollerweise sollte immer eine bauphysikalische Berechnung erfolgen, damit möglichst wenig Wärmeabfluss durch die Einbauquartiere erfolgt und der kfW-Standard eines Hauses erhalten bleibt.

Damit Gebäudebrüter die Quartiere am Haus leichter finden, sollte man sie in Gruppen anbieten. Sonst wird die Suche nach einem geeigneten Unterschlupf schnell zur Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen. Noch besser ist ein flächendeckendes Quartierangebot in Neubausiedlungen, auf freiwilliger Basis oder als Forderung in Bebauungsplänen. Manche Städte und Gemeinden bieten eine finanzielle Förderung für Gebäudebrüterquartiere an, auch eine spezielle kfW-Förderung kann dafür beantragt werden.

Gefahrenquelle Glas vermeiden

Wildtierfreundliches Bauen bedeutet auch, Gefahrenquellen zu vermeiden. Eine besonders große Gefahr stellt transparentes Glas für Vögel dar. Da sie Glas nicht sehen können, prallen sie im Flug dagegen und verlieren bei der Kollision ihr Leben. Auch Spiegelungen von Himmel oder Vegetation auf Glasscheiben verleiten Vögel dazu, diese „Illusionslandschaften“ anzufliegen – ein tödlicher Irrtum. Deshalb sollte man beim Hausbau kritisch prüfen, wie viel und wo Glas wirklich nötig ist. So manche Panoramascheibe erweist sich hinterher als „Präsentierteller“. Scheiben nachträglich gegen Vogelkollisionen zu sichern, ist mit hohem Aufwand und Kosten verbunden. Deshalb sollte man die schlimmsten Fehler schon bei der Planung vermeiden: Gläserne Brüstungen,

Fenster über-Eck, gläserne Windfänge und Lärmschutzwände, verglaste Treppenhäuser und Aufzüge, Unterstände aus Glas, verglaste Übergänge zwischen Gebäuden. Auch die Wahl des Glastyps hilft, Vogelleben zu schützen: Je geringer die Oberflächenspiegelung, desto weniger Vögel fliegen dagegen. Wintergärten und große Fensterfronten kann man mit einem feststehenden Sonnenschutz oder außenliegenden Raffstores entschärfen – die Lamellen stehen dabei annähernd waagerecht. So kommt noch genug Licht hinein, für Vögel ist das Hindernis aber sichtbar. Wo auf Transparenz nicht verzichtet werden kann, können sichtbare Markierungen die Lösung bieten: Lärm- und Windschutzwände mit Rastern im Siebdruckverfahren lassen genug Licht durchdringen, werden aber nicht zur Todesfalle für Vögel.

3 + 4: Verglasung mit sichtbaren Mustern (vor dem Einbau im Siebdruck aufgebracht) gegen Vogelkollisionen

Buffet im Grünen

Wo immer dichter bebaut wird, bleibt immer weniger Platz für Grün. Was aber nützt das schönste Heim, wenn der Magen leer bleibt? Deshalb sollten auch Gärten und Außenanlagen wildtierfreundlich gestaltet sein und Wände und Dächer als Grünressourcen genutzt werden.

5 Hoffentlich gibt es dank mehr Nisthilfen, Vorrichtungen gegen Vogelkollisionen und einem besseren Nahrungsangebot bald wieder mehr Vögel wie diesen Stieglitz

Vögel und Fledermäuse ernähren sich hauptsächlich bzw. ausschließlich von Insekten. Und viele Insekten sind echte Nahrungsspezialisten und von bestimmten heimischen Arten abhängig. Beeren und Samen heimischer Pflanzen dienen Vögeln als Nahrung, vor allem im Herbst und Winter. Die Verwendung vieler unterschiedlicher Arten erhöht dabei die Nahrungsvielfalt. Gefüllte Blüten sind für Insekten und deren Verwerter wertlos. Samenstände von Stauden bieten Vögeln im Winter Nahrung, die Stängel dienen Insekten als Unterschlupf. Amseln und Rotkehlchen stochern gerne im alten Laub nach Würmern, Igel und Amphibien verkriechen sich darunter zum Winterschlaf. Für eine „wilde Ecke“, wo Brennnessel, Löwenzahn und andere Wildkräuter wachsen dürfen, sollte in jedem Garten Platz sein.

Ein sauberer Garten hingegen ist der Feind der Wildtiere. Laubbläser, Unkrautvernichter und Insektenspritzmittel sollten also besser nicht zum Einsatz kommen. Lassen Sie lieber öfter mal „alle Fünfe gerade sein“ und verzichten Sie darauf, jedem Wildkraut auf den Leib zu rücken. Das gilt auch für pflegeintensive Rasenflächen. Wo der Nutzungsdruck es zulässt, sollte man auf nährstoffreiches Substrat verzichten und Blühwiesen anlegen. Schon kleinere Flächen wirken sich positiv aus; sie müssen nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht werden und sind daher kostengünstiger im Unterhalt von Außenanlagen.

Mit Gebäudequartieren und einem gefahrenreduzierten, zugleich nahrungsreichem Umfeld werden unsere Städte und Siedlungen zu einem attraktiven Lebensraum für Wildtiere. Und belebte Stadtnatur erhöht letztendlich auch unsere Lebensqualität.

Literaturtipp:

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Quellenangaben und/oder Fußnoten:

Titelbild: Carola Bria
Bilder 1–4: Sylvia Weber/LBV
Bild 5: Rose Röster/LBV

Autorin

Sylvia

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