Interview mit Dr. Thomas von Dall’Armi

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Thomas von Dallโ€™Armi ist begeistert von รถkologischer Baukunst. Seit Jahrzehnten gestaltet er naturnah, organisch und ganzheitlich fรผr Kรถrper, Geist und Seele. Fรผr Menschen, die in sozialen Gemeinschaften leben mรถchten, grรผndete er eine innovative Baugenossenschaft.

Denken Planen Bauen โ€“ Thomas von Dallโ€™Armi

Petersbrunner Str. 15 a
DE-82319 Starnberg

DIE FRAGEN STELLTE

Achim

Pilz

freier Journalist, Kurator, Juror und Berater, Baubiologe IBN und Chefredakteur des Baubiologie Magazin.

Thomas, in Zeiten von Corona drรคngt sich die Frage nach einem Bauen fรผr die Gesundheit auf. Wie sollten Architekten auf die Pandemie reagieren?

Zuerst einmal besonnen und verantwortungsvoll, dann aber auch genau untersuchen, was eigentlich objektiv passiert. Es handelt sich um eine groรŸe seelische Erschรผtterung. Man hat den Eindruck, den Menschen bleibt die Luft weg. Wie macht das der Virus? Er trรคgt eine Information in sich, mit der er in gesunde Zellen eindringt und versucht, sie umzuprogrammieren. Eigentlich Gesundes wird krank. Wir Architekten sollten uns an dem Gesunden orientieren und schauen, wie wir Formen und Lebensverhรคltnisse, Stรคdte und Hรคuser schaffen, die den Menschen aufbauen und in seiner Persรถnlichkeit stรคrken. Wir dรผrfen uns nicht von Effizienz treiben lassen und mรผssen uns ernsthaft fragen: Kรถnnen wir mit diesem Tempo heute noch ein menschenwรผrdiges Dasein sichern? Was wir brauchen ist Ruhe, also auch Ruhe im Raum. In bedrohlichwirkenden Zeiten wie diesen geht es vor allem darum, die Bewusstseinskrรคfte Denken, Fรผhlen und Wollen zu schulen und zu mobilisieren. Die in Krisenzeiten um sich greifende Lรคhmung reduziert den Menschen auf ein mechanistisches Reiz-Reaktionswesen. Es geht dann in der Architektur nur noch um Schutz- und Nutzbedรผrfnisse. Mir geht es darum, Bewegung, Formen oder Farbe ins Haus zu bringen, eine lebenswerte Zukunft zu schaffen.

Eure โ€žPlanungshalleโ€œ (= Architekturbรผro) hat sehr krรคftige Farben. Was bedeutet Farbe fรผr dich?

Eine Anregung in der Seele. Von jeder Farbe geht eine Wirkung aus, die bewusst eingesetzt werden kann. Ein feuerrotes Schlafzimmer wird eine andere Wirkung entfalten als ein zart hellblaues. Wir kรถnnen mehr tun, als alles einfach, schnell und gรผnstig weiรŸ zu streichen, wenn wir uns mit der Wirkung von Farben beschรคftigen. Fรผr jeden Raum mit seiner spezifischen Aufgabe gibt es eine fรถrderliche Farbigkeit, die den Menschen unterstรผtzt.

1 Der offene und einladend gestaltete Eingangsbereich des eigenen Architekturbรผros ist gleichzeitig Besprechungs- und Begegnungszentrum. Seine Naturfarben regen an und schaffen eine offene Beziehung
2 Organische Gestaltung: Die ovale Verglasung ist ein Leuchttisch fรผr Planbesprechungen und belichtet gleichzeitig den Veranstaltungsraum darunter

Du bist Doktor der Ingenieurwissenschaften. Was war das Thema deiner Doktorarbeit?

Bionik, eine damals ganz neue Wissenschaft der technischen Biologie. Die Natur ist ein groรŸes Ingenieurbรผro. Meine Themen waren Architektur, Natur und Analogien der Gestaltung. Wir haben Flรผgel von Insekten untersucht und auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse versucht leichte Tragwerke zu konstruieren, also funktionale konstruktive Erkenntnisse aus der Natur abzuleiten. Was mir bei dieser Arbeit besonders imponierte,waren die Wunder, die uns in der Natur begegnen. Warum fรคllt die Hummel nicht vom Himmel bei ihrer Masse? Warum ist der Stรคngel des Spitzwegerich mehrkantig, wenn er hoch wรคchst?

Es war mein Betreuer Professor Werner Nachtigall mit seiner ansteckenden Begeisterungsfรคhigkeit, dem ich mein nachhaltiges Interesse fรผr interdisziplinรคre Arbeit an den Nahtstellen der Wissenschaften verdanke.

Wie beschรคftigt dich Bionik heute noch?

Diese Begeisterung fรผr die Naturphรคnomene war fรผr mich nachhaltig und dauerhaft anregend. Damals ist mir Sinn und Bedeutung von “vernetztem Denken” erst wirklich klar geworden: nicht nur die Natur, auch den Menschen als Teil dieser Natur, als ein Wunderwerk betrachten zu kรถnnen. Der Mensch ist ein Wesen aus Kรถrper, Seele und Geist. Das ist substanziell wichtig fรผr die Architektur, weil wir alle Kulturschaffende sind. Jeder Einzelne ist wichtig, trรคgt zur Neugestaltung bei und ist eben nicht nur Teil des Problems.

Was folgt daraus fรผr dich?

Die Naturwahrnehmung, die Randzonen, Pflanzbereiche, Wasserlรคufe, die Dachgรคrten und Fassadenbegrรผnungen sehen. Freie Flรคchen nutzen. Jede Verkehrsinsel kann ein Garten werden. Die Stadt ist ein Ort der Versammlung. Diese erfordert eine die Lebenskrรคfte fรถrdernde Gestaltung und Neuorientierung.

Was kann man in der Natur lernen, an den Pflanzen und den Tieren?

Es geht nicht um das Kopieren, das ist nicht Sinn der Sache, sondern darum, die Phรคnomene zu verstehen, das Funktionsprinzip – ob Ultraschall von Fledermรคusen oder Elektroortung von Fischen, Termiten-Klimaanlagen oder Reparaturmechanismen von Pflanzen. In der Architektur hat uns der Eisbรคr mit seiner schwarzen Haut geholfen, transparente Wรคrmedรคmmung zu verstehen.

Es werden immer mehr bionische Erfindungen umgesetzt: Farben mit Lotuseffekt oder Haftkraft wie bei den FรผรŸen von Geckos.

Du fรผhrst auch eine Baubiologische Beratungsstelle IBN. Was ist Baubiologie fรผr dich?

Ich war einer der ersten, der Baubiologie bei Prof. Anton Schneider, dem Grรผnder des IBN, gelernt hat. Seine Begeisterung fรผr Wohn- und Lebensgemeinschaften hat mein Denken verรคndert. Baubiologie ist fรผr meine Erfahrung ein ganz wichtiger Baustein, Architektur umfassend wahrzunehmen und dem Bauen auf den Grund zu gehen, d.h. zu fragen, womit wir รผberhaupt bauen, mit welchem Material wir umgehen.

3 Skulpturale Gestaltung eines Lehmofens fรผr einen Dachgeschossausbau
4 Wir legen den architektonischen Formen und Linien geometrische Gesetze zugrunde, weisheitsvolle Zusammenhรคnge wie dieser Zykloid, der aus einer rollenden Bewegung entsteht
5 Neubau Einfamilienhaus mit organischer Treppe und zentralem Oberlicht

 Wie ist deine Zusammenarbeit mit dem IBN?

Austausch, Anregung, รถffentliche Veranstaltungen, Beratung. Dort sind Menschen, die etwas bewegen wollen und nicht so schnell zufrieden sind. Dafรผr bin ich dankbar und auch fรผr die Vielfalt der Disziplinen, die sich in der Baubiologie versammeln.

Mit Evolvente e.V. organisierst du Veranstaltungen รผber Gemeinschaftsbildung oder Plastizieren. Was fokussiert ihr aktuell?

Wir haben mehr Fragen als Antworten und arbeiten uns daran ab: Wie wirkt Architektur auf den Menschen und wie wirkt der Mensch auf die Architektur?

AuรŸerdem bist Du Mitglied im Bund Architektur und Umwelt e.V. und Vorstandsmitglied bei Ifma, Internationales Forum Mensch und Architektur. Wie ist das alles zu schaffen?

Das weiรŸ ich auch nicht und freue mich, das mir immer wieder Krรคfte und Motivation zur Verfรผgung stehen, die vielen Aufgaben zu bewรคltigen. Es ist die Freude an der Arbeit und mit der Arbeit. Wenn Du so etwas wie lebenskrรคftige Verhรคltnisse fรผr andere schaffst und unterstรผtzt, dann wirkt das auch auf Dich zurรผck.

Was ich bei Ifma besonders wertvoll finde und schรคtze, ist das anthroposophische Menschenbild und der andauernde Prozess, dem Organischen Bauen einen Inhalt zu geben.

Was sind die Arbeitsschwerpunkte in Deinem Bรผro?

Architektur vom konventionellen, aber gesunden, รถkologischen Wohnungsbau in Ingolstadt bis zum experimentellen, gemeinschaftlichen Hanfhaus im Park der Vielfalt in Weil.

Ihr habt im April die BauImPuls Genossenschaft fรผr Dorf und Stadt gegrรผndet. Gibt es dafรผr ein Vorbild?

Nein, es gab nur die Idee, dass Wohnprojekte von Menschen ausgehen, die bestimmte Wohn- und Lebensformen verwirklichen mรถchten, die zusammen etwas bewegen, bauen und wohnen mรถchten. In der gemeinsamen Arbeit, mit unserer Unterstรผtzung, Ideen und Fachkunde werden daraus Projekte entwickelt. Es ist ja heute vielfach so, dass Hรคuser โ€“ auch schรถne โ€“ gebaut werden und dann die Mieter, Nutzer dazu gesucht werden. Wir versuchen es andersherum und mรถchten funktionierende soziale Gemeinschaften in die Quartiere und Orte installieren.

รœbung mit Kindern
Treffen einer jungen Baugruppe und รœbung mit den Kindern

Was sind die Grenzen einer solchen Partizipation?

Die Grenzen liegen in einer guten, abwรคgenden, fachkundigen Begleitung. In einem verstรคndlich geschilderten, transparenten Planungsprozess braucht nicht jeder รผberall mitzuentscheiden. Alle sollen es aber nachvollziehen, warum z.B. Balkone nicht problemlos vier Meter auskragen kรถnnen oder in jeder Ecke eine Steckdose sein muss.

Was lรคsst sich abschlieรŸend sagen?

Egal welche Architektur wir verwirklichen wollen, der Mensch soll angesprochen werden! Mit der Baukunst mรถchte eine fรถrderliche und รคsthetische Rรผckwirkung auf den Menschen entstehen.

Vielen Dank fรผr das Interview!

Quellenangaben

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2 Kommentare

  1. Hallo, ja das ist ein sehr guter Ansatz, dem ich eine weite Verbreitung wรผnsche. Wir sollten umdenken und jeder Bauaufgabe sollten รคhnliche Gedanken vorausgestellt werden. Dem Bรผro wรผnsche ich recht viel Erfolg, auf dass wesentlich mehr echte Baukultur unsere Aufenthaltsorte und unsere Umgebung prรคgen mรถge. Weiter so und mit kollegialen GrรผรŸen
    Christian Rampl

    Antworten
  2. Vielen Dank fรผr diesen Beitrag. โ€œDie Natur ist ein groรŸes Ingenieurbรผroโ€ ist eine starke Aussage! Ich finde es รคuรŸerst interessant, diesen Vergleich zu machen, da ich auch der Meinung bin, dass Ingenieurwesen sehr mit der Natur verbunden ist, und die Natur uns als Menschen inspiriert.

    Antworten

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Bilder: Dr. Thomas von Dallโ€™Armi

Denken Planen Bauen โ€“ Thomas von Dallโ€™Armi

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Soll "Beratungsstellen" beworben werden?: ja

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