Interview mit Michael Kirchner
Architekturbüro Michael Kirchner
Michael, du bist Architekt und bildest dich regelmäßig weiter. Wann und warum wurdest du Baubiologe IBN?
Ich habe mich schon vor meinem Architekturstudium mit Lehmarchitektur beschäftigt. In dem Film „Sanfter Baustoff Lehm“ wurde der faszinierende Architekt Hasan Fathy vorgestellt. Seine Bauten sind fantastisch. Deshalb wollte ich Entwicklungshelfer werden. Aber dann habe ich meine Frau kennengelernt und dann war’s das (lacht).
Im Architekturstudium an der Fachhochschule in Würzburg war ich immer auf der Suche nach ökologischen Lösungen und war dann auch an der Uni Kassel bei Prof. Gernot Minke. Dort habe ich auch Lehmbaukurse belegt, die wir im Studium anerkannt bekamen.
Wie hast du es erreicht, dass deine Hochschule diese Kurse anerkannt hat?
Unsere Fachhochschule war extrem offen. Und wir waren eine Gruppe mit sieben bis acht Studenten, die einen etwas eigenen Weg gegangen sind. Wir sind damals auch auf die Ausbildung zum Baubiologen IBN von Prof. Anton Schneider aufmerksam geworden. Zu zweit haben wir zum Ende des Studiums den Fernlehrgang Baubiologie belegt. Wir haben uns dann 1994 zusammen selbstständig gemacht und noch berufsbegleitend Energie- und Umwelttechnik in Kassel studiert. 1996 konnten wir ein Niedrigenergiehaus-Baugebiet mit Nahwärmekonzept, das wir in der Planung hatten, als Diplomarbeitsthema nehmen.

Das Architekturbüro von Michael Kirchner liegt landschaftlich schön im „Biosphärenreservat Bayerische Rhön“
Ökologische Baustoffe wurden bereits beim ersten Wohnhaus sehr konsequent eingesetzt
Die schönen Jugendstil-Fliesen wurden ausgebaut, aufbereitet und wiederverwendet1 Das Architekturbüro von Michael Kirchner liegt landschaftlich schön im „Biosphärenreservat Bayerische Rhön“2 Ökologische Baustoffe wurden bereits beim ersten Wohnhaus sehr konsequent eingesetzt3 Die schönen Jugendstil-Fliesen wurden ausgebaut, aufbereitet und wiederverwendet
Wie hat sich seitdem das energieeffiziente Bauen verändert?
Die Förderkulisse hat sich geändert. Das energieeffiziente Bauen selbst hat sich zu langsam entwickelt. Die nötige CO2 Reduktion, die damals schon bekannt war, wird immer wieder verschleppt. Das, was jetzt mit dem Heizungsgesetz kommt, dass Kommunen ein
eWärmekonzept erstellen müssen, das haben wir schon 1998 in der Gemeinde Altershausen mit einem Nahwärmekonzept gemacht. Beim Straßen- und Kanalbau wurden gleich Nahwärmeleitungen verlegt.
Ist das Nahwärmekonzept umgesetzt worden?
Ja, Altershausen bei Königsberg ist eine absolute Vorzeigegemeinde. Wir hatten damals schon eine Positivliste mit ökologischem Punktesystem, bei dem die Bauherren eine Sicherheitsleistung eingezahlt haben und das Geld erst zurückbekommen haben, nachdem sie nachweisen konnten, dass sie die Anforderungen erfüllt hatten.
Wer hat das ökologische Punktesystem durchgesetzt?
Wir haben das zusammen mit dem Büro Widmann und Valier aus Bamberg gemacht. Die sind über das IBN auf uns gestoßen. Wir haben dann dort eine baubiologische Baugrunduntersuchung durchgeführt, mit allen über ein Jahr diskutiert und daraus einen ökologischen Bebauungsplan erstellt, u.a. mit Verschattungsplanung zur Optimierung der passiven Sonnenenergiegewinnung. Das war für 1998 schon sehr konsequent und innovativ. Für das Neubaugebiet und den vorhandenen Baubestand haben die Bewohner auch eine Biomasseheizanlage errichtet.
Die Baustoffbewertung lief in absolut vorbildlicher Zusammenarbeit mit der Stadt Königsberg. Der Bürgermeister und die Gemeinderäte haben das perfekt umgesetzt.

Die Brandmühle – um 1900 erbaut – stand leer und war stellenweise sehr marode
Im ehemaligen Heulager wird heute bis unter den Giebel gewohnt
Die Wand des Altbaus hat keinen Kontakt mehr zum Wasser und ist wieder trocken. Im historischen Turbinenhaus wird wieder Strom produziert
Eine neue Pflanzenkläranlage für 40 Einheiten4 Die Brandmühle – um 1900 erbaut – stand leer und war stellenweise sehr marode5 Im ehemaligen Heulager wird heute bis unter den Giebel gewohnt6 Die Wand des Altbaus hat keinen Kontakt mehr zum Wasser und ist wieder trocken. Im historischen Turbinenhaus wird wieder Strom produziert7 Eine neue Pflanzenkläranlage für 40 Einheiten
Wie arbeitest du mit dem IBN zusammen?
Ich halte seit 1996 Vorträge für Baustoffe, Baukonstruktion und Schallschutz im Rahmen der Ausbildung von Baubiolog*innen.
Gibt es für dich weitere Kooperationspartner?
Wir haben Anfang der 2000er den Bund Naturschutz in der Handhabung von Thermografiekameras geschult.
Was war dein interessantestes Projekt?
Da gibt es viele. Wichtig für uns war das „Zentrum für gesundes Bauen und Leben“ in Bad Brückenau. In einer alten Schule gab es ein Möbelhaus mit Massivholzmöbeln, einen ökologischen Baustoffhändler, zwei Ärzte, einen Physiotherapeuten und unser Büro.
Toll ist auch die Brandmühle, ein großes Areal mit Ökolandbau, Seminarhaus, Hofladen, Sommercafé, Eventscheune, Wasserkraft und Pflanzenkläranlage. Das Wohnhaus ist der Umbau einer Stallung mit Scheune.
Projekte sind immer dann toll, wenn Bauherren Feuer für die Baubiologie gefangen haben. So wie bei meinem erstes Doppelhaus mit zwei Damen als Bauherrinnen. Die sagten gleich zu Anfang: „Herr Kirchner, vergessen Sie mal die DIN. Wir wollen baubiologisch bauen.“ Deshalb setzten wir keinen Holzschutz ein, wie es damals noch Pflicht war. Und wir konnten ganz viel Lehm und historische Bauteile wie Innentüren und Fliesen verwenden. Es war einfach die wahre Freude.
Wurde der Verzicht auf die DIN vertraglich vereinbart oder war es ein Vertrauensverhältnis?
Es ist immer ein Vertrauensverhältnis, aber wir hatten das schon auch mit Vertrag vereinbart.
Wie finden dich deine Kunden?
Im ersten halben Jahr nach meinem Studium sind wir nur unterwegs gewesen und haben uns vorgestellt – bei den Kommunen, in Volkshochschulen, für Fachvorträge, im Ökohaus in Würzburg, überall. Nachdem wir die ersten Projekte hatten, sind wir jedes Jahr auf drei bis vier Messen gegangen. Seit zehn Jahren machen wir das nicht mehr. Die Leute kennen uns. Wir arbeiten jetzt für die Kinder der Kunden, für die wir vor 25 Jahren gebaut haben (lacht). Auch das IBN empfiehlt uns. Auch über die IBN-Seminare Nahunterrichte haben wir Bauherren kennengelernt.
Betreust du oft Eigenleistungen?
Ja. Die Bauherren bringen im Schnitt 10 % ein. Auch wenn sie keine Fachleute sind, erbringen sie in der Stunde ungefähr 30 Euro. 1.000 Stunden im Jahr sind im Monat ca. 80 Stunden, pro Woche um die 20.
Und du kannst das so organisieren, dass es effektiv ist?
Wir leiten Bauherr*innen an und nehmen ihre Leistung so ab, als ob es eine Handwerkerleistung wäre.

Nach der Sanierung dieses Hauses aus den 1960er Jahren gibt es viel Platz unter dem Dach und in neuen Räumen
Innen gibt es nun eine moderne Küche und viel gesundes Tageslicht ...
… sowie Wohnkomfort mit einem gemütlichen Kamin8 Nach der Sanierung dieses Hauses aus den 1960er Jahren gibt es viel Platz unter dem Dach und in neuen Räumen9 Innen gibt es eine moderne Küche und viel gesundes Tageslicht …10 … sowie Wohnkomfort mit einem gemütlichen Kamin
Heißt das auch, dass die folgenden Firmen diese Leistungen akzeptieren?
Ja, die Folgeunternehmen haben die Möglichkeit, Bedenken anzumelden. Tun sie das nicht, wird weitergearbeitet.
Und wenn die Firmen Bedenken anmelden?
Dann werden die gemeldeten Mängel behoben. Aber es gibt keine Bedenken. Die Qualität von Eigenleistungen ist meist höher als beim Handwerker (lacht). Die Dampfbremse etwa ist bei beiden dicht. Aber die Bauherren geben sich mehr Mühe und arbeiten extrem sauber. Das funktioniert.
Deine Bauherren verkleben und dichten ab?
Ja. Und sie erreichen teils höhere Gebäudedichtheitswerte als die Fachfirmen.
Überprüfst du das mit einem Blower-Door-Test?
Genau. Immer seit 1995.
Woran arbeitest du aktuell?
Mehrere neue Wohnhausplanungen und Altbausanierungen laufen, ebenso wie die Planung einer Montessori-Schule, ein Neubau mit Mensa, Turnhalle, zehn Klassenräumen und der Integration eines historischen Schützenhauses – mit 60 Meter langer Schießbahn.
Brauchen wir andere Schultypen als die staatlichen Schulen?
Ich sag mal ja. In der Montessori-Schule oder der Rudolf-Steiner-Schule in Loheland ist man in einer komplett anderen Welt. Die Kinder, die dort hingehen, können glücklich sein. In der Montessori-Schule gibt es Gruppengrößen von 25 Schüler*innen und drei Betreuer*innen. Das ist ein ganz anderes Verhältnis als an der Staatsschule.
In Loheland haben wir einmal eine Schülerin betreut, die einen Bauwagen zum Wohnwagen umgebaut hat.
Wie schaffst du das alles?
Ich habe eine Bauzeichnerin in Teilzeit, meine Frau erledigt nachmittags die allgemeinen Büroarbeiten. Die Baubiologie, die Energieberatung und die Architektur vom Entwurf bis zur Bauüberwachung bearbeite ich allein.
Vielen Dank für das Interview!
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Ein inspirierendes Interview! Vielen Dank.
Über die Brandmühle würde ich gerne mehr lesen.
Bert Fliege