Interview mit Peter Reinhardt – Beratungsstelle IBN

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Peter Reinhardt ist ein baubiologischer Visionär mit handwerklicher und wissenschaftlicher Kompetenz. Als Dachdeckermeister deckt er schöne Dachlandschaften und berät zur nachhaltigen Energieversorgung - vom Dach bis zu Wärmenetzen. Eines seiner Spezialgebiete ist gebäudeintegrierte Photovoltaik.

b i o n i k – Büro für Baubiologie IBN
Peter Reinhardt

Kelterser Straße 85
DE-53783 Eitorf (Sieg)

DIE FRAGEN STELLTE

Achim

Pilz

freier Journalist, Kurator, Juror und Berater, Baubiologe IBN und Chefredakteur des Baubiologie Magazin.

Peter, Du bist erfahrener Dachdeckermeister. Wann und warum wurdest du zudem Baubiologe IBN?

Im Jahr 2004 erkrankte ein Freund an Asbestose und starb auch daran. Er hatte zuvor sehr viel mit Asbest gearbeitet. Da wurde mir bewusst, dass mein Körper nichts vergisst und dass man auf Gifte achten muss.

Gebäudeintegrierte Photovoltaik ist im Trend. Was macht ein gelungenes Beispiel aus?

Ein gelungenes Beispiel ist eine störungsfreie und langlebige Anlage, die sich schnell amortisiert. Mechanischen Belastungen hält eine Indach-Photovoltaik-Anlage besser stand, weil sie Teil der Dachfläche ist. Indach-Photovoltaik empfiehlt sich vor allem für Neubauten und bei notwendigen Dachsanierungen. Die Dachneigung sollte größer als 25° sein, damit das Regenwasser effizient abfließen kann und die Indachanlage dadurch regensicher ist. Die Statik muss geprüft werden, damit die Dachlast nicht zu hoch wird. Die Hinterlüftung ist bei Indach-Anlagen naturgemäß eingeschränkt. Das kann zu Leistungseinbußen führen, wenn die Module zu heiß werden. Die Faustregel lautet: +1°C Mehrtemperatur der Zellen ergeben bis -0,5% Wirkungsgradverlust. Indach-Photovoltaik kann in Ziegeldächer-, Blech- und Schieferdächer integriert werden. Reetdächer sind für Indach-Solarmodule ungeeignet. Für Flachdächer hat ein Hersteller eine glasfaserverstärkte Kunststoff-Dach- und Dichtungsbahn mit leistungsstarken PV-Modulen ohne Glas entwickelt.

Bei Bestandsbauten sind Indach-Anlagen rund 30 Prozent teurer, weil das Dach zunächst abgedeckt und die Ziegel entsorgt werden müssen. Die Dachhaut muss geöffnet und am Ende wieder sorgfältig mit hochwertigen Blecheinfassungen regensicher hergestellt werden. All das verursacht zusätzliche Kosten.

Bei geplanten Dachsanierungen und Neubauten kann eine Indach-Solaranlage im Endeffekt sogar günstiger als eine Aufdach-Anlage sein, wenn sowieso die Anschaffung einer PV-Anlage geplant ist. Denn es spart Materialkosten für Dachziegel, an deren Stelle die Anlage eingefügt wird, sowie Handwerkerkosten, weil der Dachdecker weniger Aufwand hat. Die spezielle Montagetechnik für die Indach-Anlage ist zwar teurer als bei herkömmlichen PV-Anlagen, aber bei Neubauten und Dachsanierungen rentiert sich die Installation in der Regel trotzdem.

1 Baubiologischer Messestand mit viel Informationsmaterial, u.a. des IBN, im Garten der Pfarrei St. Mauritius
2 Ausführung einer PV-Indachanlage mit gesamthafter aktiver Eindeckung eines Bergrestaurants in der Zentralschweiz
3 Diesen denkmalgerechten Solardachziegel gibt es in drei Farben
4 Dach mit Solarziegeln, das aussieht, als sei es mit Biberschwanzziegel gedeckt
5 Auch Flachdächer können heute Strom produzieren. Die semiflexiblen PV-Module ohne Glasrahmen benötigen etwa 10 m2 Dachfläche pro installiertem kWp
6 Mit Ziegeln und Kupfer gedeckte, abwechslungsreiche Dachlandschaft in Halle/Saale

Gibt es vergleichbare Alternativen, um auf dem Dach Energie zu ernten?

Ja, mit Solar-Dachziegel, also einzelne, mit Solarzellen versehene Dachziegel. Wird ein komplettes Dach mit diesen Ziegel gedeckt, ergibt sich ein stimmiges Gesamtbild, da die Dachfläche nicht durch Solarmodule unterbrochen wird. Solar-Dachziegel sind eine hervorragende Lösung für denkmalgeschützte Gebäude, bei denen keine strukturellen Änderungen an der Bausubstanz vorgenommen werden darf.

Eine zweite Alternative ist ein Solardach. Auch hier wird mit einzelnen Elementen gedeckt, allerdings folgt man hierbei nicht der traditionellen Dacheindeckung. Stattdessen entsteht eine durchgehende Glasoberfläche, ein besonders modernes Design.

Welche Fallstricke gibt es für Kunden?

Marderbisse stellen regelmäßig eine Schadensursache bei Photovoltaikanlagen dar. Mehrere Versicherer geben dies an. Es kann dann sein, dass das beschädigte Solarkabel an der Stelle des Bisses einen deutlich erhöhten Widerstand aufweist. Das führt zu Ertragsverlusten und zu einer deutlichen Erwärmung des Kabels an dieser Stelle, die auch eine akute Brandgefahr bedeuten kann. Einen absolut sicheren Schutz gegen Marderbisse gibt es nicht, aber durch geeignete Vorsichtsmaßnahmen lässt sich das Risiko minimieren. Der beste Schutz gegen Marderbisse sind Kabel mit Bissschutz sowie ein Drahtgitter, das den Raum unter den Modulen seitlich abschließt, ohne die Hinterlüftung der Photovoltaik-Module zu beeinträchtigen. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, Kabel sorgfältig zu fixieren und frei hängende Kabelstrecken möglichst zu vermeiden. Deutlich vorsichtiger sind die im Fachhandel angebotenen Abwehrmittel gegen Marder zu bewerten. Das Angebot reicht von Ultraschallsendern bis zu chemischen Abwehrstoffen, die auch zur Marderabwehr für Autos angeboten werden. Biologen und Baubiologen bewerten deren Wirksamkeit deutlich zurückhaltender als die Anbieter.

Wer über eine entsprechende Photovoltaik-Versicherung verfügt, ist auf der sicheren Seite. In den Versicherungsbedingungen sind Marderbisse als versichertes Schadensereignis fast immer ausdrücklich aufgeführt. Ob die Gebäudeversicherung ebenfalls einspringt, muss beim Versicherer erfragt werden.

In jedem Fall sollte die Photovoltaikanlage der Versicherung gemeldet werden, da sie ein zusätzliches Brandrisiko birgt – nicht nur durch Marderbisse.

Seit wann betreibst Du eine Baubiologische Beratungsstelle IBN?

Ich betreibe zwei Baubiologische Beratungsstellen IBN, eine seit dem Jahr 2006 in Eitorf (Sieg) in NRW und eine zweite seit dem Jahr 2016 in Könnern (Saale) in Sachsen-Anhalt.

7 Rechtssicher analysiert ein chemisches Labor baubiologische Proben auf Schadstoffe wie Formaldehyd oder PAK (Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe)
8 Die Studie mit Prof. Reuter wies nach, dass der Nachwuchs an Flurgehölzen ausreicht, um alle öffentlichen Gebäude von Allstedt mit Energie zu versorgen
9 Auch Flurgehölze ergeben gute Hackschnitzel
10 Flyer zur Studie “Machbarkeit einer energetischen Versorgung und Sanierung der Stadt Nienburg (Saale)“
11 Visionäre Nutzungen mit Solarbäumen und Repair-Büro
12 Kompetente Beurteilung von Kleinwindanlagen und Beratung

Warum zwei Beratungsstellen?

Weil ich im Rheinland geboren bin und meine Liebe im Osten gefunden habe. Wir sind jeweils die Hälfte der Zeit im Rheinland und im Saaletal.

Du pendelst zwischen den neuen und den alten Bundesländern?

Ja, ich bin auch bundesweit unterwegs, wenn ich Anfragen erhalte sowie in der Vergangenheit auch in der Schweiz, in Frankreich und Luxemburg. Wo Projekte rufen, die interessant sind, da spielen Grenzen keine Rolle.

Was sind die Unterschiede zwischen einer Baubiologischen Beratungsstelle IBN in den alten und in den neuen Ländern?

Eigentlich ist die Baubiologische Beratungsstelle in beiden deutschen Landesteilen gleichermaßen gefordert. Die Umweltverschmutzung in der DDR hatte bis in die 1980er Jahre ein katastrophales Ausmaß erreicht. Dabei blieb kaum eine Region des Landes unberührt: vom sauren Regen zerstörte Wälder, verschmutzte Luft insbesondere in den großen Städten und Industriegebieten, großflächige Landschaftsschäden, Uranabbau, vergiftete Gewässer und auch Schadstoffe in Schulbauten sowie in öffentlichen und privaten Gebäuden. Umweltbelange spielten in der friedlichen Revolution und dem Prozess zur deutschen Einheit eine wichtige Rolle. Insgesamt hatte die DDR allerdings auch weite, zwar belastete, aber wertvolle Landstriche, die erfolgreich renaturiert werden konnten. So kam es zur Festlegung neuer Nationalparks und Biosphärenreservate z.B. durch Michael Succow. Er erhielt dafür den Alternativen Nobelpreis. 4,5% des DDR-Gebietes wurden dank seiner Initiative ökologisches Schutzgebiet.

Was sind wichtige Kooperationspartner von dir?

Einer meiner Partner ist z.B. der Landschaftsökologe und Landschaftsplaner Prof. Dr. Bernd Reuter. Er forscht u.a. mit Studierenden der Universität Halle an Flurgehölzen in Allstedt1. Wir haben gemeinsam eine Studie ausgearbeitet.

Was war das Ziel der Studie?

Eine Möglichkeit zur autarken Energieversorgung in der Kommune Allstedt mit rund 7.600 Einwohnern zu entwickeln. Der Wärmesektor bietet mit rund 50 Prozent des Endenergieverbrauchs den größten Hebel für die Energiewende. Das Besondere war dabei die Einbeziehung von Flurgehölzen. Pflanzung und Pflege tragen zum Klimaschutz in der Kommune bei und am Ende werden sie als Energieträger genutzt2.
Der nächsten Schritte sind die Herstellung von Wärmenetzen im Kontext der kommunalen Wärmeplanung und die Ertüchtigung der Flurgehölze.

Hast du weitere Studien durchgeführt?

Unser Erstlingswerk war die “Machbarkeit zur einer energetischen Versorgung und Sanierung der Stadt Nienburg (Saale)”, die 2015 abgeschlossen war (s. Bilder 10 und 11).

Was ist deine Vision?

Wir sollten Barrieren überwinden und zukunftsfähig handeln. Der technologische Fortschritt, wie erneuerbare Energien oder nachhaltige Materialien, zeigen, dass nachhaltige Lösungen möglich sind, wenn wir bereit sind, unsere Prioritäten entsprechend auszurichten. Es hängt von unserem kollektiven Engagement, Innovation und dem Bewusstsein für die Konsequenzen unseres Handelns ab.

Vielen Dank für das Interview!

Quellenangaben

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1 https://www.mz.de/lokal/sangerhausen/warum-studenten-der-universitat-halle-an-flurgeholzen-in-allstedt-forschen-3945892
2 https://www.mz.de/lokal/sangerhausen/auftaktveranstaltung-wie-allstedt-sich-selbst-mit-energie-versorgen-will-3539010

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