Interview mit Katharina Gustavs – Baubiologische Messtechnikerin IBN in Kanada

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Katharina Gustavs ist Baubiologische Messtechnikerin IBN, Ernährungsberaterin und Übersetzerin auf Vancouver Island in Kanada. Von dort aus trägt sie seit vielen Jahren die Baubiologie in die englischsprachige Welt und übersetzt und betreut u.a. den „Building Biology Course“, die englische Version des Fernlehrgang Baubiologie IBN. In diesem Interview erzählt sie von ihrem Werdegang und auch davon, was sie an der Baubiologie begeistert.

Katharina Gustavs

Baubiologische Messtechnikerin IBN, Übersetzerin (Fernlehrgang Baubiolologie IBN u.a.), Victoria/Kanada

DIE FRAGEN STELLTE
Winfried Schneider

Winfried

Schneider, IBN

Architekt und Geschäftsführer des Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN in Rosenheim

Was machst du beruflich?

Vor rund 20 Jahren habe ich an der Westküste Kanadas ein baubiologisches Beratungsbüro gegründet und mich insbesondere auf die Messung elektromagnetischer Felder und Wellen spezialisiert. Der baubiologische Ansatz hilft mir, alle Umweltfaktoren als mögliche Ursachen v.a. für Krankheiten immer im Blick zu behalten. Meine Beratungen reichen von Informationen zur Vermeidung von Funkbelastungen über Empfehlungen zu feldarmen Elektroinstallationen bis hin zur Zusammenstellung empfehlenswerter Baustoffe. Häufig finde ich mich auch in der Rolle einer Mediatorin wieder, die als solche Bedürfnisse von Menschen mit umwelt- oder krankheitsbedingten Anforderungen klar artikuliert und Konflikte zwischen Familienmitgliedern oder zwischen Vermietern und Mietern versachlicht.

Als Übersetzerin für Deutsch und Englisch stehen für mich die Themen Umweltmedizin, gesundes Bauen und elektromagnetische Felder im Mittelpunkt. Neben dem Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN übersetze ich für verschiedene Verbraucherschutzorganisationen, baubiologische Verbände und die Europäische Akademie für Umweltmedizin Lehrmaterialien, wissenschaftliche Veröffentlichungen und Richtlinien.

1 Blick aus meinem Homeoffice
2 Wald in East Sooke
3 Pazifikküste
4 Schwarzbär am Strand
5 Vielfalt von Moosen und Flechten – ein guter Indikator für saubere Luft

Warum und wann hast du dich als Baubiologin IBN und Baubiologische Messtechnikerin IBN qualifiziert?

Nach meiner Auswanderung Anfang der 1990er Jahre nach Kanada habe ich die Vielfalt und Weite der Natur und die saubere Luft als sehr wohltuend erlebt. Im Gegensatz dazu waren die Innenräume, in denen ich lebte, entweder verschimmelt und/oder stark mit Elektrosmog belastet. Das wollte ich ändern.

Auf meiner Suche nach einer gesunden Wohnumwelt entdeckte ich, dass in Deutschland Wolfgang Maes in Zusammenarbeit mit dem Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN im Jahr 1992 gerade die ersten Baubiologischen Richtwerte für Schlafbereiche herausgegeben hat. Der holistische Ansatz des dafür zugrundeliegenden Standards der Baubiologischen Messtechnik SBM hat mich sofort überzeugt, insbesondere weil darin nicht nur Schimmel und Schadstoffe, sondern neben weiteren Risikofaktoren auch verschiedene elektromagnetische Felder und Wellen berücksichtigt werden.

Weil es damals hier an der kanadischen Westküste keine Baubiologischen Messtechniker*innen gab, war ich motiviert, selbst Baubiologin zu werden. Ich wollte damit v.a. die Gesundheit meiner eigenen Familie unterstützen sowie auch anderen Menschen helfen. Ich hatte dann 1999 damit begonnen, mich als Baubiologin IBN und anschließend auch als Baubiologische Messtechnikerin IBN für Felder, Wellen und Strahlung zu qualifizieren.

Warum und wann hast du den Fernlehrgang Baubiologie IBN übersetzt?

Vom baubiologischen Institut in den USA wurde immer nur eine extreme Kurzfassung des Fernlehrgang Baubiologie IBN angeboten. So war ich hoch erfreut, als das Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN mich damit beauftragte, den Fernlehrgang Baubiologie IBN (nahezu vollständig) ins Englische zu übersetzen. Seit 2015 wird der Online-Lehrgang „Building Biology Course IBN“ nun direkt vom IBN weltweit auch auf Englisch angeboten.

Ich bin immer begeistert, baubiologische Texte zu übersetzen. Die Zusammenarbeit mit dem IBN ist fachlich und menschlich einfach super. Es ist eine schöne Herausforderung, die Inhalte von neuen baubiologischen Konzepten fachgerecht zu übertragen und im Fall des Fernlehrgangs auch durch internationale Quellen zu ergänzen. Darüber hinaus kann ich im Zuge dieser Übersetzungstätigkeit viel Neues lernen und bin sozusagen immer automatisch auf dem neuesten Stand. Mir macht es auch Freude, mit den Fernlehrgangsteilnehmer*innen zu interagieren und den holistischen Ansatz der Baubiologie weiterzugeben. Erst kürzlich habe ich die vollständige Überarbeitung des Fernlehrgangs wieder ins Englische übertragen.

6 Zellulosedämmung ist überall im Baumarkt erhältlich, ansonsten nur Polystyrol sowie Glas- und Mineralwolle
7 Zeder
8 Zedernverkleidung Nordseite: links nach 20 Jahren einmal mit Wasser abgebürstet, rechts für 20 Jahre unbehandelt

Was schätzt du besonders an deiner Arbeit als Baubiologische Messtechnikerin?

Der menschliche Körper ist ja ein Messinstrument mit enormer Bandbreite und hoher Empfindlichkeit. Die körpereigenen Umweltdaten erscheinen jedoch nicht allgemein verständlich auf einer LCD-Anzeige wie bei einem Messgerät und das Standard-Blutbild ist oft unauffällig. Verschiedene körperliche Symptome weisen aber eindeutig darauf hin, dass die Kapazität des Organismus überlastet ist. In dieser Situation werden Betroffene oft als psychisch krank abgestempelt. Kein Wunder, dass Betroffene oft einen langen Leidensweg hinter sich haben, bevor sie mich kontaktieren.

Ich finde es immer sehr befriedigend, wenn ich Ursachen aufspüren kann, deren Reduzierung oder Entfernung sich dann unmittelbar in mehr Gesundheit und Wohlbefinden widerspiegelt. Betroffene machen zuweilen etwas als Ursache für ihre Symptome verantwortlich, was sich messtechnisch als vernachlässigbar herausstellt. In meiner Erfahrung weist der Ort, an dem sie sich besonders unwohl fühlen, jedoch immer einen oder mehrere Umweltfaktoren auf, deren Immissionen weit über dem Durchschnitt der ubiquitären, also der generell vorkommenden Hintergrundbelastung liegen.

Wie sieht es bei der Umsetzung von baubiologischen Lösungen für eine feldarme Elektroinstallation aus?

Im Bereich der Felder, Wellen und Strahlen ist in Kanada noch viel Kreativität gefordert. Geschirmte Installationskabel für den Wohnungsbau gibt es hier nicht. Da muss man auf gepanzertes Kabel oder Leerrohre aus Metall zurückgreifen. Bei sehr energieeffizienten Gebäuden bereiten gepanzerte Kabel mit ihren Aluminium- oder Stahlspiralen zuweilen Probleme, weil sie oft zu Luftundichtigkeiten führen. Auch bzgl. geschirmter Installationsdosen Fehlanzeige. Für Krankenhäuser und IT-Anlagen gibt es jedoch Steckdosen aus Metall mit einem isolierten Schutzleiter. Geschirmte Leuchten oder geschirmte Steckdosenleisten nicht lieferbar. Aufgrund der unterschiedlichen Stromnetze kann man nicht einfach Produkte aus Deutschland importieren. Da ist „Marke Eigenbau“ angesagt. Netzabkoppler gibt es zum Glück. Funkende Stromzähler lassen sich häufig recht einfach mit einer Abdeckung aus feinem rostfreiem Stahlgewebe abschirmen.

9 Meistens kommt der Strom per Freileitung ins Haus. Mittlerweile werden die Strommasten oft mit Kleinzellen für den flächendeckenden Mobilfunk bestückt
10 Für eine feldarme Elektroinstallation können gepanzerte Kabel verwendet werden
11 Abschirmung eines funkenden Stromzählers mit Fliegengitter aus Aluminium, Marke Eigenbau
12 Abschirmung eines funkenden Stromzählers mit einer kommerziell erhältlichen Abschirmhaube aus feinem rostfreiem Stahlgewebe

Werden in Kanada Häuser aus Massivholz gebaut?

Auf der Weltrangliste der Bäume pro Einwohner liegt Kanada auf Platz 2. Es gibt hier also genügend Bäume, aber leider werden auch immer noch Urwaldriesen abgeholzt. Im Kampf um die letzten tausendjährigen Zedern wurden in meiner Region vor zwei Jahren über 1.000 Demonstranten von der Polizei festgenommen. Die „First Nations“ (Anm. der Redaktion: also solche werden in Kanada über 600 verschiedene indigene Völker bezeichnet), auf deren Territorium sich diese Bäume befinden, sind zu diesem Thema geteilter Meinung. Die einen möchten sie stehen lassen und die anderen möchten einen wirtschaftlichen Gewinn daraus erzielen.

Für den Holzrahmenbau – die am weitesten verbreitete Bauweise in Kanada – oder für den Massivholzbau benötigt man auf jeden Fall keine „old-growth“ Bäume, die per Definition über 250 Jahre alt sind. Im Gegensatz zu Beton ist Vollholz ein sehr nachhaltiger Baustoff. Das Bauen mit Massivholz wird hier staatlich stark gefördert. In einer Datenbank wird darüber genauestens Buch geführt. Alleine in British Columbia wurden bisher fast die Hälfte aller Massivholzhäuser Kanadas errichtet. Seit 2020 dürfen Massivholzhäuser laut Bauordnung mit bis zu 12 Stockwerken in die Höhe schießen. Es handelt sich dabei vorwiegend um Mehrfamilienhäuser und öffentliche Gebäude. Bei der Herstellung von Brettsperrholz werden die Verbindungen meist geleimt. Es gibt aber auch zwei Hersteller in British Columbia, die Brettsperrholz mit Holzdübeln anbieten.

Welche nordamerikanischen Gebäudezertifizierungen für nachhaltiges Bauen sind für die Baubiologie von besonderem Interesse?

In Nordamerika gibt es zwei Standards für nachhaltiges und gesundes Bauen, die viele baubiologische Leitlinien aufgreifen.

Die „Living Building Challenge“ wurde 2006 mit der Vision ins Leben gerufen, erneuerbare Gebäude zu entwickeln, die mehr Energie erzeugen, als sie selbst verbrauchen. Dieser Standard versteht sich nicht nur als eine Gebäudezertifizierung, sondern ähnlich wie in der Baubiologie als eine Wegbeschreibung in eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft. In Anlehnung an die effiziente und elegante Funktion einer Blüte werden die Leistungsbereiche dieser Gebäudezertifizierung als „petals“ oder Blütenblätter bezeichnet: Standort, Wasser, Energie, Gesundheit + Zufriedenheit, Materialien, Gerechtigkeit und Schönheit.

Nachdem man sich daran erinnert hat, dass energieeffiziente Gebäude für Menschen gebaut werden, kam im Jahr 2014 der „WELL Building Standard“ hinzu. Dieser Standard konzentriert sich voll und ganz auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Nutzer*innen eines Gebäudes. Mit über 100 Kenngrößen und 10 Konzepten ist dieser Standard sehr umfangreich: Luft, Wasser, gesunde Ernährung, Licht, körperliche Bewegung, Wärmekomfort, Schall, Materialien, psychische Gesundheit und barrierefreie Kommune.

Obgleich die Parameter für Innenraumqualität neben sauberer Luft inzwischen auch natürliches Licht und Lärmschutz beinhalten, wird die elektromagnetische Qualität des Innenraums in beiden Standards nicht berücksichtigt. Es gibt hier noch viel Aufklärungsbedarf.

Vielen Dank für dieses Interview!

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Fotos: Katharina Gustavs

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Gibt es "Passende Literaturtipps"?: ja

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