Einfach Bauen – Forschungshäuser, Teil 2

2 Kommentar(e)

Die ersten drei 2020 in Mietraching bei Bad Aibling/Rosenheim erbauten Forschungshäuser mit monolithischen Wandaufbauten aus Mauerwerk, Massivholz und Leichtbeton stellen einen Gegenentwurf zum hochkomplexen Bauen dar. Die dort u.a. auch messtechnisch gewonnenen Erkenntnisse fließen nun in eine zweite Serie von Forschungshäusern ein. Das erste Haus „Halbholz & Lehmstein“ dieser zweiten Serie wurde 2024 bezogen, die Häuser „Holzrahmen & Recyclingziegel“ und „Vollholz & Stampflehm“ folgen 2025 und 2026.

Autor

Tilmann

Jarmer

Tilmann Jarmer ist Architekt und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU München, Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren

Optimierung der Entwürfe

Die Bewohner der ersten 2020 erbauten Forschungshäuser äußerten den Wunsch nach Balkonen und größeren Wohnungen mit mehr Zimmern. Die Wohnungen in der zweiten Serie haben nun drei oder vier Zimmer und jeweils einen Balkon oder eine Loggia. Abbildung 1 vergleicht die Grundrisse der ersten Serie (links) mit der zweiten Serie (rechts). Während die innenliegenden Bäder in der ersten Serie noch mit einer Badabluft ausgestattet werden mussten, liegen die Bäder in der zweiten Serie an der Außenwand und haben nun Fenster. 

Kosten und Bauzeit

Tabelle 1 stellt die Kosten der vier bereits erstellten Forschungshäuser dar. Die Kosten je Quadratmeter Wohnfläche konnten durch die Optimierung noch weiter gesenkt werden. Die größere Wohnfläche, die durch die reduzierten Erschließungsflächen und die zusätzlichen Balkone und Terrassen entstand, trägt zu dieser guten Bilanz bei. Auch die Kosten für die Haustechnik wurden weiter gesenkt; beim Haus „Halbholz & Lehmstein“ liegt der entspr. Kostenanteil lediglich bei 10 %. Grund hierfür ist der Entfall der Badabluft und die Reduktion der Frischwasserstationen. Statt einer Station pro Wohnung gibt es jetzt nur noch eine pro Strang. Statt acht Stationen wurden so nur noch zwei notwendig.

Einfach Bauen heißt auch zügig bauen. Die Bauzeit lag bei allen Häusern bei unter 30 Wochen.

 Haus
Mauerwerk
Haus
Holz-Hybrid
Haus
Leichtbeton
Haus
Halbholz & Lehmstein
Baujahr2020202020202023
BGF(R) [m2]648648648628
NRF(R) [m2]453463445488
Wohnfläche [m2]414423407549
Baukosten netto
Bauwerk & Technik [€]
968.0001.121.0001.321.0001.225.000
Kostenanteil
Gebäudetechnik
23 %20 %17 %10 %
Baukosten /
Wohnfläche [€/m2]
2.4512.7273.2862.231

Flächen und Baukosten der bis 2023 fertiggestellten Forschungshäuser

Materialen und Ökobilanz

Ein wichtiges Projektziel der zweiten Serie ist die Reduktion der Emissionen, die mit dem Bauwerk und der Gebäudetechnik verbunden sind. Materialen und Produkte mit einer schlechten Ökobilanz sollten nach Möglichkeit entfallen. Die zweite Serie kombiniert dabei Außenwände und Decken aus Holz mit Innenwänden aus Lehm und Ton. Beim Haus „Halbholz & Lehmstein“ wurden Brettstapelwände und Decken mit Lehmsteinen kombiniert. Beim Haus „Holzrahmen & Recyclingziegel“ werden Holzrahmenwände mit Recyclingziegeln und beim Haus „Vollholz & Stampflehm“ werden Vollholzwände und Decken mit Innenwänden aus Stampflehm-Elementen kombiniert.

Um die Gebäude nachhaltig zu planen, ist es notwendig, von Anfang die Materialen und Produkte ökologisch zu bilanzieren. Der Fokus liegt dabei auf dem Klimawandel. Als Maß für die Klimaerwärmung wird das Globale Erwärmungs- bzw. Treibhauspotenzial untersucht, ausgedrückt in Kilogramm CO2-Äquivalent. Dafür werden alle Treibhausgase in CO2-Äquivalente umgerechnet und können so zu einem Wert aufaddiert werden. So beträgt zum Beispiel das CO2-Äquivalent für Methan 28 – das bedeutet, dass ein Gramm Methan in 100 Jahren 28-mal stärker zum Treibhauseffekt beiträgt als ein Gramm Kohlendioxid.

Nur auf Basis einer solchen Bilanzierung ist es möglich, diesen Aspekt bei Projektentscheidungen mit zu berücksichtigen. In Abbildung 2 sind die Bauteilschichten des Hauses „Halbholz & Lehmstein“ und die Umweltwirkung in Kilogramm CO2-Äquivalent je Quadratmeter Bauteilfläche dargestellt.

Trotz der im Vergleich zur ersten Serie vielschichtigen Konstruktionen der Decken und Außenwände konnten beim Haus „Halbholz & Lehmstein“ die Treibhausgase reduziert werden. In Abbildung 3 ist das Treibhauspotenzial der vier Forschungshäuser gegenübergestellt. Die Werte beziehen sich auf einen Quadratmeter Nettoraumfläche und ein Jahr.

9 Vergleich der Grundrisse der ersten Serie (links) mit der zweiten Serie (rechts)
10 Verwendete Materialien im Haus „Halbholz & Lehmstein“
11 Treibhauspotenzial der Forschungshäuser im Vergleich in CO2Äq./m2NRF*a
12 Recyclingpotenzial der Forschungshäuser im Vergleich in CO2Äq./m2NRF*a

Das Haus „Leichtbeton“ hat mit 11,38 CO2Äq./m2NRF*a den höchsten Wert. Dreigeschossige Mehrfamilienhäuser weisen üblicherweise Werte von 16 -18 kg CO2Äq./m2NRF*a auf. Den niedrigsten Wert hat das Haus „Halbholz & Lehmstein“ mit 6,87 CO2Äq./m2NRF*a und unterbietet damit mit seinen Dübelholzdecken das Haus „Holz-Hybrid“ vor allem bei den Decken, die dort aus Stahlbeton sind.

In Abbildung 4 ist das Recyclingpotenzial der Häuser gegenübergestellt. Das größte Potenzial liegt bei den Gebäuden mit einem hohen Anteil an nachwachsenden Materialien. In den zugrundeliegenden Datensätzen wird bei Holzwerkstoffen davon ausgegangen, dass diese nach dem Abbruch zur Energiegewinnung genutzt werden. Der dadurch vermiedene Einsatz von fossilen Quellen wird der Bilanz gutgeschrieben.

Fazit

Durch die Substitution von Zement und Beton mit Holz und Lehm ist es möglich, einfache und klimarobuste Gebäude zu erstellen und negative Umweltwirkungen zu reduzieren.

Das Forschungshaus „Halbholz & Lehmstein“ zeigt zudem, dass sich Holz und Lehm nicht nur konstruktiv sehr gut ergänzen, sondern dass die beiden Baustoffe auch ästhetisch sehr gut harmonieren.

Quellenangaben

Ihre Stimme zählt

Kommentarregeln:
Wir sind neugierig, was Sie zu sagen haben. Hier ist Raum für Ihre Meinung, Erfahrung, Stellungnahme oder ergänzende Informationen. Bitte beachten Sie bei Ihrem Kommentar folgende Regeln:

  • Bitte keine Fragen: Auf dieser kostenlosen Informationsplattform können wir keine Fragen beantworten - bitte stellen Sie Ihre Fragen direkt an unsere Autor*innenAutor*innen.
  • Bitte keine Werbung: Gerne können Sie auf Ihre Produkte/Dienstleistungen mit einem Werbebanner aufmerksam machen.

2 Kommentare

  1. Schöner Artikel!!!
    Ich freue mich, dass das Haus mit den Lehmsteinen so gut abschneidet!
    Platz 1 bei den Baukosten
    Platz 1 beim Treibhauspotenzial
    Platz 1 beim Recyclingpotenzial
    Lehm ist im Kommen, wie auch die anderen Artikel im Baubiologie Magazin dazu zeigen.
    Und auch bei der Zirkularität ist er Platz 1!
    Lehm macht die Bauwende möglich …

    Antworten
  2. Moin,
    ein sehr interessanter Ansatz und ich bin gespannt, wie die 2. Serie sich entwickelt.

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bilder: 1-8 Sebastian Schels
Bilder: 9-12 Florian Nagler Architekten

Autor

Tilmann

Jarmer

Tilmann Jarmer ist Architekt und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU München, Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren

ANZEIGE

Gibt es "Passende Magazin Beiträge"?: ja

Gibt es "Passende Literaturtipps"?: ja

Soll "Zertifizierung" beworben werden?: ja

How to become a Building Biology Consultant IBN?

Seminare und Qualifizierung: Baubiologische Messtechnik IBN
Seminare und Qualifizierung: Baubiologische Energieberatung IBN
Seminare und Qualifizierung: Baubiologische Raumgestaltung IBN
Baubiologische Beratungsstellen
IBN-Zertifizierungen für Bauweisen, Gebäude und Räume
Gesund, ökologisch, verantwortungsvoll Baustoffe, Materialien & Produkte
ANZEIGE

Nachhaltig weiterbilden

Know-how, Zusatzqualifikationen und neue berufliche Möglichkeiten für Baufachleute sowie alle, die sich für gesundes, nachhaltiges Bauen und Wohnen interessieren.

Unser Kompetenz-Netzwerk

Hier finden Sie unsere qualifizierten Baubiologischen Beratungsstellen und Kontakte im In- und Ausland nach Standort und Themen sortiert.

Über die Baubiologie

Die Baubiologie beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Menschen und ihrer gebauten Umwelt. Wie wirken sich Gebäude, Baustoffe und Architektur auf Mensch und Natur aus? Dabei werden ganzheitlich gesundheitliche, nachhaltige und gestalterische Aspekte betrachtet.

25 Leitlinien

Für einen schnellen, aufschlussreichen Überblick haben wir in 25 Leitlinien der Baubiologie die wichtigsten Parameter herausgearbeitet, sortiert und zusammengefasst. In 15 Sprachen, als PDF oder als Plakat erhältlich.