Sanierung eines Lehmhauses
Das charmantes Lehmhäuschen in Sachsen-Anhalt hatte mindestens zehn Jahre leer gestanden. Das Dach war an zwei Stellen löchrig und die 60 cm starken Wellerlehmwände – ein Gemisch aus Stroh und Lehm – an einer Ecke eingestürzt. Seine Besitzer wollten es ursprünglich abreißen. Aus Neugierde ließen sie es aber dann doch durch den Lehmbau-Fachmann Steffen Dachsel von der Kooperative lehm-bau-kunst aus Erfurt begutachten. Der erfahrene Lehmbauer war sofort begeistert: „Ich finde diese Wellerbauten total toll“, betonte er und riet ihnen zu einer Sanierung, allerdings nicht, um zu sparen. „Ich habe ihnen gesagt, dass die Sanierung sicher nicht günstiger wird, als ein Neubau“, aber solch ein Massivlehmhaus kann man sich heute gar nicht mehr leisten.“ In der DDR-Zeit war ein Bad eingebaut worden, sonst war vieles am Haus noch nahezu erhalten wie in der Zeit seiner Erbauung vor vielleicht hundert Jahren. Letztendlich entschieden sich die Besitzer, das Lehmhäuschen zu sanieren.
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Zustand des Lehmwellerbaus in Klobikau mit einer komplett weggebrochenen Wandecke. Im Inneren war die Luftqualität allerdings gut. Der typische Altbaugeruch fehlte2
Innen nach dem Abschlagen von Wand- und Deckenputzen und dem Wegräumen des Schuttes3
Durch intaktes Fundament Dach war die massive Lehmwand überwiegend erhalten4
Grundriss Erdgeschoss: Durch den Altbau vorgegeben gehen die meisten Fenster nach Norden5
Grundriss Dachgeschoss: Das bis unter den Giebel offene Dach hat heute zwei Zimmer, ein Bad und eine Sauna6
Querschnitt: Alle Details sind baubiologisch7
Ansicht Süd und Ost: Zugang und neue Dachfenster auf der Südseite 8
Ansicht Nord und West: Auf der Nordseite waren viele Fenster in der Massivlehmwand – sie wurden erneuert und erhielten Dreischeibenverglasungen
Minimale Veränderungen
Ziel der baubiologischen Sanierung war, möglichst wenig zu verändern und möglichst viel zu übernehmen. Für die Planung wurde Steffen Dachsel engagiert. Im Erdgeschoss plante er Küche, Wohnzimmer, Arbeitszimmer, Bad und Hausanschlussraum ein. Weil es mehr Fenster nach Norden gab, liegen dort die häufig genutzten Räume. Das Arbeitszimmer und der Anschlussraum erhielten die kleinen Fenster nach Süden – eine Lösung mit dem geringsten Eingriff in die Bausubstanz. Nur wenig Innenwände und der kleine Anbau wurden abgerissen. Das Dachgeschoss mit niedrigen und dunklen Räumen wurde bis unter den First geöffnet und erhielt fünf neue Dachflächenfenster. Heute gibt er dort zwei Zimmer, ein Duschbad und eine Sauna.
Lehm recycelt und neu
Ganz im Sinne der Baubiologie wird bei lehm-bau-kunst auch das Recycling großgeschrieben. Lehmbaustoffe vom Abbruch maukten sie ein und verwendeten sie wieder (Anm. der IBN-Redaktion: mauken = feuchte Lagerung des Lehms – durch das „Ziehenlassen“ vergrößert sich die Bindekraft des Tones und die Homogenität wird verbessert). In den Decken erhielten sie die Lehmwickel und den Lehm-Unterputz. Neue Lehmsteine, Strohlehm und Lehmbauplatten kamen von der Firma Conluto. Verantwortlich für die Lehmarbeiten war Andrei Mazas von lehm-bau-kunst. Er schlug den losen nicht mehr reparaturfähigen Kalkgipsputz von den Decken und den nicht mehr haftenden Lehm-Unterputz von den Deckenbalken. Dann tackerte er Schilfmatten als Putzträger auf die Balken und verputzte sie mit neuem Lehm-Unterputz. Schließlich erhielt die komplette Decke einen Lehmputz.
Auch von den massiven Strohlehmwänden schlug Mazas den Putz ab. Dann glich er größere Unebenheiten grob mit Strohlehm aus – mitunter in mehreren Lagen bis zu 10 cm stark. Die im Erdgeschoss 60 cm starken Außenwände erhielten innen einen dreilagigen Strohlehmputz, stellenweise in Kombination mit integrierten Heizleitungen. Die 48 cm starken, also etwas schlankeren Giebelwände im ausgebauten Dach sind innen zusätzlich mit 6 cm Holzweichfaserplatten gedämmt.
Auch die neuen Innenwände sind mit Holzweichfasern gedämmt und wie die erhaltenen Innenwände aus Ziegel- bzw. Lehmsteinen mit Lehm verputzt. Ein in die Wand integriertes altes Fenster in der Wand gibt den Blick auf die Lehmsteine des Wellerbaus frei. Die weichen Rundungen, die Fenster und Türen malerisch rahmen, zog Mazas mit einer langen Kartätsche frei Hand (Anm. der IBN-Redaktion: Kartätsche = kurzes Brett mit Handgriff zum Verreiben von Putz). Die aus Eichenholz maßgefertigten Fensterbänke wurden vor Auftragen des Oberputzes gesetzt. Selbst die Fußleisten aus Eichenholz folgen exakt dem Viertelkreis der Rundungen. Stellenweise hellt eine weiße Lehmfarbe – von den Eigentümern gestrichen – die Oberflächen auf. Alternativ wurde der Strohlehm mit einem feuchten Schwamm abgerieben. „Will man es richtig gut machen, geht man mit der Bürste drüber. Dann gibt es keinen Abrieb mehr“, empfiehlt der Architekt. Die Baustelle dauerte ein gutes Jahr. Zum Trocknen wurde gut gelüftet.
Lehmsteinen schließen die offene Hausecke wieder
Das neue Unterdach auf den aufgedoppelten Sparren
Ein Glattstrich außen wie innen schützt die Lehmwand. Die neuen Fenster sind eingebaut. Nur im Norden haben sie Dreischeibenverglasung, sonst für Sonnenenergie durchlässiges Zweischeibenglas
Dämmung des Sockels mit hydrophobierten Calciumsilikatplatten
Die baubiologisch mit Holzfaserplatten gedämmte Fassade
Dünne Dämmplatten aus Schilf bilden den tragfähigen Untergrund für den dickschichtigen Kalkputz
Im Inneren sind die Kanten der massiven Lehmwände freihand abgerundet. Die Fensterbank wird noch vor dem Deckputz eingepasst
Ein Nadelholzparkett liegt auf dem diffusionsfähigen Küchenboden, der mit Schaumglas und ohne Plastikfolie gegenüber dem Erdreich gedämmt ist
Die neue Holztreppe ist luftiger als die alte
Handwerklich schöne Details sind zu entdecken. Der raue Lehm wurde mit dem Schwamm abgewaschen
Vollholztüren und Korkparkett ergänzen den baubiologischen Ausbau
Die Rundungen werden exakt geputzt, die Sockelleisten aus Eiche wurden vom Schreiner gefertigt
Ein restauriertes altes Fenster gewährt einen Einblick in die reparierte Wandecke
Wechsel von erdigem Lehm und heller Lehmfarbe beleben die Raumqualität und lassen die Wände weiter wirken
Harmonie baubiologischer Materialien im Altbau
Der robuste Kalkputz ohne Biozide wird noch mit einer biozidfreien Silikatfarbe gestrichen
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Lehmsteinen schließen die bereits herausgebrochene Hausecke wieder10
Das neue Unterdach auf den aufgedoppelten Sparren11
Ein Glattstrich außen wie innen schützt die Lehmwand. Die neuen Fenster sind eingebaut. Nur im Norden haben sie Dreischeibenverglasung, sonst für Sonnenenergie durchlässigeres Zweischeibenglas12
Dämmung des Sockels mit hydrophobierten Calciumsilikatplatten13
Die baubiologisch mit Holzfaserplatten gedämmte Fassade14
Dünne Dämmplatten aus Schilf bilden den tragfähigen Untergrund für den dickschichtigen Kalkputz15
Im Inneren sind die Kanten der massiven Lehmwände freihand abgerundet. Die Fensterbank wird noch vor dem Deckputz eingepasst16
Ein Nadelholzparkett liegt auf dem diffusionsfähigen Küchenboden, der mit Schaumglas und ohne Plastikfolie gegenüber dem Erdreich gedämmt ist17
Die neue Holztreppe ist luftiger als die alte18
Handwerklich schöne Details sind zu entdecken. Der raue Lehm wurde mit einem Schwamm abgewaschen19
Vollholztüren und Korkparkett ergänzen den baubiologischen Ausbau20
Die Rundungen werden exakt geputzt, die Sockelleisten aus Eiche wurden vom Schreiner gefertigt21
Ein restauriertes altes Fenster gewährt einen Einblick in die reparierte Wandecke22
Wechsel von erdigem Lehm und heller Lehmfarbe beleben die Raumqualität und lassen die Wände weiter wirken23
Harmonie baubiologischer Materialien im Altbau24
Der robuste Kalkputz ohne Biozide wird noch mit einer biozidfreien Silikatfarbe gestrichen
Holzfaser- und Schilfdämmung außen
Die Lehmwände erhielten außen eine Ausgleichsschicht aus Lehm, Holzfaserplatten, starke Schilfmatten (zugleich Dämmplatte und Putzträger) in Lehmkleber und einen dickschichtigen Kalk-Leichtputz der Firma Gräfix. „Die haben relativ unkompliziert ihre Putze für Schilfrohr freigegeben“, begründet Dachsel seine Wahl. Den biozidfreien Putz schützt abschließend eine ebenso biozidfreie Silikatfarbe. Holzfaserplatten und Schilfmatten sind mit Tellerdübeln befestigt, die Mazas mit Grobgewindeschrauben in den Massivlehm schraubte. Nur auf den frei liegenden, also nicht erdberührten Steinsockel klebte er eine Mineraldämmplatte mit diffusionsfähigem und kapillaraktivem Kalk.
Maximale solare Gewinne
Geheizt wird mit einer Wärmepumpe. Für passive Solarerträge gibt es unterschiedliche Gläser in den Fenstern. Nur im Norden gibt es bestens dämmende Dreischeibenverglasung, ansonsten Zweischeiben, welche besser die Sonne durchlassen. „Ich habe für Zweischeibengläser gekämpft“, erinnert sich der ökologische Planer, „denn ich lege Wert auf einen guten g-Wert. Wenn ich große Speichermasse habe – und das habe ich ja in den Lehmhäusern – dann will ich auch die passive Solarenergie nutzen.“
An zwei Stellen im Dachtragwerk sowie an allen Balkenköpfen wurden Holzschäden entdeckt. Diese Hölzer wurden ausgebessert, die 12er Dachsparren um 10 cm aufgedoppelt und mit Holzfaserdämmung ausgeblasen.
Baubiologische Details
Weitere baubiologische Details wurden realisiert. So sind die Innentüren aus Vollholz, die Böden aus Vollholzdielen oder Korkparkett. Fenster und Haustür wurden mit Stopfhanf als Abdichtung eingebaut. Der Bodenaufbau ist diffusionsfähig und plastikfrei. So sind die Lehmwände besser vor Feuchtigkeit geschützt. „Ich mache keine Feuchtigkeitssperre im Boden“, betont Dachsel. Außerdem werden aktuell Raumklima und Strahlung von der „Initiative für Lehmbau und nachhaltige Kreislaufwirtschaft Golehm” dokumentiert. Das junge Netzwerk aus Vereinen, Unternehmen, Bauhandwerk, Bürger*innen und kommunalen Vertreter*innen forscht zu massivem Lehmbau in Mitteldeutschland. Um den Wohnkomfort in bewohnten Lehmhäusern wissenschaftlich zu belegen, misst sie Raumfeuchte und -temperatur und kleinste Spuren von Radon und Thoron. Außerdem werden die Bewohner befragt und gebeten, ein Wohntagebuch in Bezug auf ihr Wohlbefinden zu führen. Dieses wird wohl ausgesprochen positiv sein in diesem schön und baubiologisch sanierten Massivlehmhaus.
Baudaten
Sanierung Lehmweller, Sachsen-Anhalt
Planung | Steffen Dachsel von lehm-bau-kunst, Erfurt |
Ausführung Lehmbau | Andrei Mazas von lehm-bau-kunst, Erfurt |
Dach | ggf. Lehmfarbe weiß, Strohlehmputz 2-lagig, Holzwolle-Leichtbauplatten Heraklith, Lattung, Dampfbremsbahn pro clima DB+, Diagonalschalung, 12 cm Sparren (Bestand), 10 cm Aufdopplung – dazwischen mit Holzfasern ausgeblasen, Holzfaser-Unterdach Gutex Multiplex-top, Lattung, Tonziegel |
Außenwände EG | ggf. Lehmfarbe weiß, Strohlehmputz 3-lagig, 60 cm Stampflehmwand, 1 cm Lehmkleber und -ausgleichsschicht, 8 cm Holzfaserplatten Steico protect dry in Lehmkleber, 2 cm Schilfmatten, 2 cm Kalkputz 2-lagig, Silikatfarbe |
Außenwände OG | ggf. Lehmfarbe weiß, Strohlehmputz 3-lagig mit Wandheizung, 6 cm Holzfaserdämmplatte, 1 cm Lehmkleber und -ausgleichsschicht, 4-8 cm Welllehm, 1 cm Lehmkleber und -ausgleichsschicht, 8 cm Holzfaserplatten Steico protect dry in Lehmkleber, 2 cm Schilfmatten, 2 cm Kalkputz 2-lagig gräfix® 71 lite Kalk-Grund-Leichtputz, gräfix® 71 lite grob, Silikatfarbe |
Innenwände neu | Strohlehmputz, Schilfrohr-Putzträger, OSB-Platte, Holzständer / Dämmung, Lehmbauplatte, Strohlehmputz |
Innenwände Bestand | Strohlehmputz, Lehmsteine (Bestand), Strohlehmputz |
Decke | Nadelholzdielen auf Filzdämmstreifen, Deckenbalken mit Lehmwickel, Lehmunterputz, Kalk-Gips-Putz (beides vorhanden und ausgebessert) |
Boden | Nadelholzdielen geölt, Dampfbremsbahn pro Clima Intensa (luftdicht an aufgehende Bauteile verklebt), Lagerhölzer KVH / Schaumglasschotter, Geovlies, Erdplanum |
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