Trockene Raumluft

2 Kommentar(e)

Ein Problem fรผr das Raumklima? Der Mensch gibt tรคglich ca. 1 kg Wasserdampf an seine Umgebung ab. Trockene Luft fรถrdert dabei die passive Wasserdampf-Abgabe unseres Kรถrpers. Ist das ein gesundheitliches Problem?

Autor
Jens Bellmer

Jens

Bellmer

Haustechnik-Ingenieur, Baubiologe IBN, Fachbuch-Autor, Mitglied im VDI (Verein Deutscher Ingenieure) und fรผhrt ein Sachverstรคndigenbรผro fรผr Schimmelpilze, Lufthygiene und Trinkwasser.

Wasserdampfabgabe des Menschen:

  • รœber die Atmung wird der in der Lungenluft entstandene Wasserdampf mit jedem Atemzug an die Umgebung abgegeben.
  • Diffusion durch die Haut: Aus tieferen Gewebeschichten kommt es zu einer stรคndigen Diffusion durch die Haut hindurch.
  • Transpiration รผber SchweiรŸdrรผsen: Falls die Wรคrmeabgabe des Menschen deutlich behindert wird, setzt die Transpiration (Perspiratio sensibilis) ein. Dies ist ein Prozess, bei der SchweiรŸdrรผsen Wasser auf die Hautoberflรคche befรถrdern.

Die genannten Wasserdampf-Abgabeformen unterteilen sich noch einmal in โ€žaktiv” und โ€žpassivโ€œ:

  • Aktive Wasserdampf-Abgabe: Der Kรถrper reagiert mittels Regelprozeduren aktiv, wenn beispielsweise das Raumklima aus dem Behaglichkeitsbereich herausgelangt.
  • Passive Wasserdampf-Abgabe: Der Kรถrper reagiert vollkommen passiv auf ร„nderungen des Raumklimas.

Auch wenn die vorgenannte Unterscheidung in aktiv und passiv hilfreich ist, so kommt es dennoch zu รœberlagerungen und รœberschneidungen.

Die tatsรคchlichen physiologischen Vorgรคnge im menschlichen Kรถrper sind in ihrer Gesamtheit unmรถglich exakt einteilbar oder gar vorhersagbar.

Es bestehen beispielsweise zahlreiche Einflรผsse, die die Entfeuchtung รผber Haut und Lunge verรคndern kรถnnen, wie individuelle Veranlagung, Konstitution, Verรคnderungen der Muskelarbeit, Luftbewegung, Kleidung, Art und Menge der Nahrungsaufnahme, psychische Anspannung etc. Nun aber zu dem, was aus raumklimatischer und biophysikalischer Sicht beschreibbar und wichtig ist.

Wasserdampfabgabe
Abb 1 Wasserdampfabgabe des Menschen

Absolute und relative Luftfeuchte

Die massebezogene absolute Luftfeuchte, auf die nachfolgend Bezug genommen wird, gibt die Masse des Wasserdampfes an, die sich in einer bestimmten Masse trockener Luft befindet (in g/kg tr. L. = Gramm je Kilogramm trockener Luft). Die relative Luftfeuchte gibt das Verhรคltnis des momentanen Wasserdampfgehalts zum maximal mรถglichen Wasserdampfgehalt bei derselben Temperatur in Prozent an. Der Wassergehalt der oberen Hautschicht verรคndert sich รผber den Prozess der Sorption. Dieser vermindert sich bei der gesunden Haut in engen Grenzen in Abhรคngigkeit von der relativen Feuchte. Jedoch: Eine niedrige relative Luftfeuchte, die im Raum entsteht, nur weil es wรคrmer wird, erhรถht nicht das Diffusionspotenzial der passiv-wirkenden Kรถrpertrocknung, wenn denn der reale Wasserdampfgehalt der Raumluft, also die absolute Luftfeuchte, gleich bleibt. Ursache fรผr trockene Raumluft im Winter ist die trockene Winterluft an sich. Passive Trocknung durch die Umgebungsluft basiert also auf dem niedrigen realen Wasserdampf-Angebot der Umgebung.

Wie bei allen anderen Diffusions- oder Massentransport-Vorgรคngen ist auch hier der absolute (und nicht der relative) Unterschied das entscheidende โ€žAntriebskriteriumโ€œ. Daraus lรคsst sich folgendes schlussfolgern: Die kalte Jahreszeit mit real niedrigen absoluten Luftfeuchten fรผhrt zu einer Trocknungsintensivierung auch bei wechselnden relativen Luftfeuchten. Das Problem niedriger Luftfeuchten in Bรผros, die vorrangig aufgrund eines zu hohen AuรŸenluftwechsels durch Lรผftungs- oder Klimaanlagen, aber in den ersten Wochen der Heizperiode auch aufgrund geringer Feuchtepuffer-Eigenschaften vieler Materialien (Kunststoffe, Glas, Metall etc.) entstehen, bewirken selbstverstรคndlich starke Kรถrpertrocknung.

Aber man sollte genauer hinschauen, bevor MaรŸnahmen zur Behebung erfolgen. Es kรถnnte neben weiteren Problemen auch das Problem einer รœberheizung bestehen.

Pro und contra

Die Konsequenz trockener Luft v.a. im Winter ist, dass u.a. unsere Haut rau und rissig wird und auch auf unseren Atemtrakt grรถรŸere Belastungen einwirken. Im Winter sinkt nicht nur die absolute Raumluftfeuchte, es steigt i.d.R. auch der Schadstoff- und Staubgehalt. Staub kann einen Trocknungseffekt auf unsere Schleimhรคute ausรผben (siehe Folgetext). Unabhรคngig davon bleibt aber festzuhalten: Trockene Winterluft trocknet vorrangig direkt. Und das passiert besonders intensiv wรคhrend der langen Zeit von November bis April. Jeder kann die Wirkung dieser Trocknungswirkung an sich selbst beobachten. HeiรŸt das aber auch, dass uns trockene Luft krank macht? GemรครŸ [2.2] zeigte eine amerikanische Studie, dass Grippeviren in trockener Luft lรคnger aktiv bleiben.

Dennoch kann der Einzelparameter โ€žLuftfeuchteโ€œ m.E. nicht als Sรผndenbock fรผr fast alles Krankmachende im Winter herhalten. Mit den vorgenannten Problemen kommt der gesunde Mensch seit Urzeiten und auch in den trockensten Siedlungszonen der Welt gut klar. GemรครŸ [1] konnte zudem keine medizinische Studie eruiert werden, die eine untere (gesundheitliche) Grenze von beispielsweise 30 % r. F. medizinisch begrรผndet bzw. einen anderen Grenzwert herleiten lieรŸe. AuรŸerdem ist es so, dass niedrige absolute Luftfeuchten bei der fรผr das Wohlbefinden und die Gesundheit wichtigen Wรคrmeabgabe des Menschen nachweislich helfen. Wir erkennen das daran, wenn man von einem รผberfeuchten Hallenbad in die herrlich frische Winterluft hinausgeht und sofort besser durchatmen kann. Dies ist nicht nebensรคchlich, sondern hilft bei einem lebenswichtigen Vorgang, mit dem der Kรถrper fortwรคhrend und stรคndig beschรคftigt ist. Der Mensch braucht stรคndig โ€žKรผhlungโ€œ, selbst im beheizten Raum. Und da hilft trockene Luft [10]. Im Gegensatz zum gut funktionierenden Temperatursinn kann man niedrige Luftfeuchten nicht direkt wahrnehmen. Dennoch wird beispielsweise die gesunde Haut durch kรถrpereigene, natรผrliche Mechanismen (NMF) vor zu starker Austrocknung (beispielsweise durch trockene Winterluft) geschรผtzt. Dies ist รคhnlich auch fรผr den Atemtrakt der Fall, siehe [1] und [2.1]. Die Problematik hoher Luftfeuchten ist bauphysikalisch und gesundheitlich nachgewiesen. Zu hohe Luftfeuchten werden vom Menschen auch subjektiv als โ€žschlechte Luftโ€œ oder โ€žschwรผlโ€œ wahrgenommen, wenn sie mit รœberheizung einhergehen.

โ€žTrockeneโ€œ Luft: Normale Raumluft mit 50 % relativer Luftfeuchte (und 20 ยฐC) lรคsst eine nasse Innenwand-Tapete recht langsam trocknen. An einem Wintertag kann es jedoch vorkommen, dass die Luftfeuchte im Raum auf 20 % r. F. sinkt. Die Reduzierung der absoluten Luftfeuchte im Raum (von 7,4 auf 2,9 g/kg) fรผhrt dabei zu einer intensiveren Trocknung der Tapete.

Wie sieht es mit dem menschlichen Atemtrakt aus? Der menschliche Atemtrakt ist aufgrund des hohen Feuchte- und Temperaturlevels von 32 ยฐC und 100 % r.F. von Natur aus auf starken Entfeuchtungsmodus โ€žgeeichtโ€œ. Dies ist visuell eindrucksvoll im hx-Diagramm [Luftfeuchte-Buch, 9] erkennbar anhand der riesigen Trocknungsstrecke fรผr eingeatmete normalfeuchte Luft. Dadurch sorgt dies fรผr den Normalfall schon fรผr eine starke Wasserdampfabgabe von ca. 11,1 g/h (vgl. Tab. 1). Viele vermuten nun bei niedrigen rel. Luftfeuchten eine deutliche Trocknungsintensivierung des Atemtraktes. Fรผr das hohe Feuchte- und Temperaturlevel des Atemtraktes bedeutet die Raumluftfeuchte-ร„nderung von 50 % r.F. auf 20 % r.F. aber nur einen geringen Anstieg der Wasserdampfabgabe von 11,1 g/h auf 13,2 g/h.

Tabelle
Tab. 1 Wasserdampfabgabe des Menschen (รผber die Atmung) in Abhรคngigkeit von der relativen Luftfeuchte โ€“ bei Umgebungstemperatur von 20 ยฐC. Ermittlung รผber mittl. stรผndlichem Atemluft-Massenstrom und absoluten Feuchten im Atmungstrakt und Umgebung. Berechnungsbeispiele in [7 und 9]

รœberheizung: Zu hohe Lufttemperaturen behindern die Wรคrmeabgabe und lรถsen aktive Kรถrper-Reaktionen aus! So kommt es zu einer Erhรถhung der Wasserdampf-Abgabe. Erwรคrmt man Luft, sinkt zwar die relative Luftfeuchte, es steigt aber nicht das passive Trocknungspotenzial, solange die absolute Luftfeuchte im Raum bleibt.

Die Intensivierung der Kรถrpertrocknung, die hier gemeint ist, geschieht autark durch รœberheizung. In Arbeitsrรคumen, die beispielsweise erst mit 20 ยฐC und nun mit 24 ยฐC beheizt werden, bewirkt das eine Erhรถhung der Wasserdampf-Abgabe des Kรถrpers von 50 g/h auf 71,6 g/h (vgl. Tab. 2, also um 21,6 g/h). Das ist deutlich! Diese oder รคhnliche รœberheizungs-Situationen sind Alltag in vielen Arbeits- und Wohnrรคumen. Das etablierte Behaglichkeitsdiagramm nach Bedford und Liese und in Konsequenz der Einsatz von Strahlungsheizungen helfen dabei, die Luft- und Wandtemperaturen in einem behaglichen Bereich zu halten.

Tab. 2 Wasserdampfabgabe des Menschen (gesamt) in Abhรคngigkeit von der Raumlufttemperatur

Wichtig ist, dass man diesen Sachverhalt als ein Behaglichkeitsproblem (und auch Trockenheitsproblem) des Winters anerkennt. Luftbefeuchter haben fรผr zahlreiche Einsatzfรคlle ihre Berechtigung. Was aber hilft es, die Luft zu befeuchten, wenn die Ursachen der Probleme rund um Behaglichkeit und Gesundheit gar nicht geklรคrt sind? Wie bereits beschrieben, kรถnnte beispielsweise auch eine zu hohe Raumtemperatur Ursache fรผr Behaglichkeitsprobleme sein.

Trockene Luft und gewerbliche Anwendungen sind manchmal nicht vereinbar, wenn es beispielsweise um zu vermeidende Elektrostatik im Winter geht. Bei den Lรถsungen werden aber hรคufig die Bedรผrfnisse der Mitarbeiter missachtet. Dies passiert, wenn die Befeuchtungsleistung zu stark ausfรคllt oder auch ganz besonders, wenn konstante Regelsollwerte bestehen, was oft in Produktions- und Arbeitsbereichen anzutreffen ist. Ein deutlicher Unterschied zwischen trockener Winter-AuรŸenluft und feuchter Raumluft am Arbeitsplatz wird dabei hรคufig als erheblich belastend empfunden und der Zustand der Raumluft als โ€žschlechte Luftโ€œ beschrieben, selbst dann, wenn keine Geruchsbelรคstigung gegeben ist.

Falls technisch luftbefeuchtet wird, egal ob fรผr die Verbesserung eines Produktionsprozesses oder um beispielsweise Belastungen an der Haut oder Schleimhaut betroffener Menschen zu verbessern, sollte dies behutsam nach folgender Regel erfolgen: Feuchtebeladung der AuรŸenluft = max. 3 g/kg (siehe Tab. 3).

Die Beachtung der Tabelle ist wichtig, weil sie auf den monatlich unterschiedlichen Wasserdampfgehalten der AuรŸenluftfeuchte aufbaut.

Wenn Regelanlagen anstatt mit konstanten Luftfeuchten mit โ€žgleitendenโ€œ Sollwerten arbeiten, wรคre schon viel erreicht. Raumtemperaturen und Raumluftfeuchten werden individuell unterschiedlich empfunden. Daher sind dezentrale Lรถsungen fรผr die Beheizung, Luftbefeuchtung und Regelung ratsam.

WICHTIG: Bei gesundheitlichen Studien oder Herstellerangaben รผber die gute Praktikabilitรคt von Luftbefeuchtern wird die vorgenannte maximale Luftfeuchteerhรถhung zumeist unterschritten. Es wird also nicht das Problem der รœberfeuchtung betrachtet. Dadurch kommt es hรคufig zu Aussagen, welche die realen Risiken der Luftbefeuchtung nicht widerspiegeln.

Die vorgenannte 3 g/kg-Regel ist durch zahlreiche meiner Raumluftuntersuchungen belegt und wird in etwa eingehalten, wenn die angegebenen relativen Luftfeuchten (vgl. Luftfeuchtetabelle 3) nicht hรคufig รผber lรคngere Zeitrรคume รผberschritten werden. Die Tabelle ist auch allgemein und grob einsetzbar zur Beantwortung der Frage, wie weit die Luftfeuchte im Raum ansteigen kann, ohne dass bauphysikalische Probleme entstehen. Sie gilt grob fรผr eine Raumtemperatur von 20 ยฐC. Der Vorteil liegt zudem darin, dass die Absolutwerte โ€žรผbersetztโ€œ wurden in Werte der relativen Luftfeuchte.

Tabelle
Tab. 3 Luftfeuchtetabelle 3 fรผr den Wohn- und Arbeitsraum basierend auf 20 ยฐC (von J. Bellmer).
Max.-Richtwerte bzw. noch reales Feuchteaufkommen, bei guter bis mittlerer Lรผftung (max. 3 g/kg tr. L. Wasserbeladung der AuรŸenluft.
Durchschnittliche Ermittlung auf Basis mitteleuropรคischer Klimaverhรคltnisse)

Holz

Holz schwindet bei Trocknung. Daher wird dies immer mal wieder als Argument fรผr die Schรคdlichkeit trockener Luft schlechthin verwendet. Eine im Raum verbaute Holzoberflรคche (bei 20 ยฐC) hat aber nichts zu tun mit deutlich hรถher temperierten und feuchten Kรถrperoberflรคchen. Ein Baustoff mit seinen ausschlieรŸlich passiven Trocknungseigenschaften kann deshalb nicht verglichen werden mit einem lebenden Organismus, der auf Raumklimaรคnderungen mit passiven und aktiven Wasserdampfabgabe-Arten reagiert. Aus diesen Grรผnden kann das Holz-Thema nicht als Argument herangezogen werden, wenn es um gesundheitlich belastende Aspekte geht.

Holz kann zudem schadensfrei gehalten werden, wenn es genรผgend trocken verbaut wird. In alten Kirchen oder denkmalgeschรผtzten Gebรคuden mit Holzeinbauten hilft die Einhaltung der Regel: Luftaufheizung oder und Luftabkรผhlung: max. 1 ยฐC pro Stunde.

Staub, Schadstoffe und Viren

Feinstรคube im wenig gelรผfteten Raum kรถnnen unsere Schleimhรคute belasten und auch trocknen, zumal an Stรคuben toxisch wirksame und/oder die Schleimhรคute reizende Stoffe haften kรถnnen. Bevor nun aber Partikel mittels technischer Luftbefeuchtung zum Absinken gebracht werden (was selbstverstรคndlich machbar ist), sollte erst einmal eine genaue Raumluftuntersuchung erfolgen. Heute kรถnnen beispielsweise schon mit preiswerten Gerรคten schnelle Aussagen zur Feinstaubkonzentration getroffen werden (Beispiel: Abb. 2).

Messgerรคt
Abb. 2 Tendenzielle, indirekte Ermittlung der Partikelanzahl (PM2,5 und PM10). Es sollte innen und auรŸen gemessen werden (Messgerรคt Fa. Trotec)

Wenn sich dieses Problem dann tatsรคchlich als gravierend darstellt, kรถnnte zunรคchst versucht werden, u. a. durch den Einsatz guter Staubsauger (mit HEPA-Filter) und ergiebiges Lรผften mit frischer, staubarmer AuรŸenluft fรผr Besserung zu sorgen. Die Luft, die wir zum Atmen benรถtigen, โ€žentstehtโ€œ nun einmal auรŸen. Auch hilft es wohl kaum, verbrauchte Raumluft (bei geringem Austausch) noch weiter zu befeuchten, um damit eine eventuell erhรถhte Viren-Konzentration zu senken. Es wรคre doch besser, die verbrauchte Raumluft durch neue zu ersetzen.

Selbstverstรคndlich gibt es auch Einsatzfรคlle, wo eine Befeuchtung โ€“ nach Abwรคgung aller Mรถglichkeiten und genauer Analyse sinnvoll sein kann. Falls die regional vorhandene AuรŸenluft derart mit Schadstoffen oder Feinstรคuben belastet ist, dass diese eine Gefahr fรผr die Gesundheit darstellt, kรถnnte auch รผber den Einsatz einer geeigneten Frischluftanlage mit geeigneten Filtern nachgedacht werden (unter Beachtung baubiologischer und VDI-Vorgaben).

Luftfeuchte-Langzeitmessungen

Mit Luftfeuchte-Langzeitmessungen der absoluten Luftfeuchte (vgl. Abb. 3) ist gut kontrollierbar, ob der vorgenannte 3 g/kg-Richtwert signifikant und dauerhaft รผberschritten oder weitgehend eingehalten wird. Vor allem in Wohnungen mit Schimmelproblemen werden hรคufig stark erhรถhte absolute Luftfeuchten im Vergleich zur AuรŸenluft festgestellt. Hohe Luftfeuchten im Innenraum erzeugen zumeist bauphysikalische und auch gesundheitliche Probleme. Falls es an Arbeitsplรคtzen Beschwerden gibt, sollten zudem die Lufttemperaturen aufgezeichnet werden, um รœberheizungen festzustellen oder auszuschlieรŸen. Selbstverstรคndlich helfen auch manuelle Messungen.

Tabelle
Abb. 3 Datenlogger-Aufzeichnung in einem Badezimmer (zeitlicher Ausschnitt eines Tages). Hier sorgte das Zuviel an Luftfeuchte fรผr eine Kondensation an einer geometrischen Wรคrmebrรผcke.

Der krankmachende Winter und der รœbergang zum Frรผhling

Im nord- und mitteleuropรคischen Winter leiden wir hรคufig unter einem Mix erheblicher Belastungen, wie beispielsweise niedrigen Wasserdampf-Gehalten, Sonnenlichtmangel, Vitaminmangel, kalte AuรŸenluft in Verbindung mit Windeinflรผssen, erhรถhten Virenkonzentrationen etc. Dieser Mix und auch die individuelle Konstitution kann erhรถhte Infektionsanfรคlligkeit, rissige Haut, Schleimhauttrocknung etc. verursachen.

Die ganzheitliche Klรคrung all dieser Einflรผsse kann und soll hier nicht geleistet werden. Zusรคtzlich gibt es oft auch andere nachweisbar krankmachende Einflรผsse in Arbeitsrรคumen. (Umwelt-)Mediziner stehen an dieser โ€žFrontโ€œ und berichten von zahlreichen Problemen. Es gehรถren aber eben alle Einflรผsse des Winters auf den Prรผfstand und nicht nur diejenigen der trockenen Luft.

Selbstverstรคndlich trocknen Haut und Schleimhรคute im Winter stรคrker als im Sommer. Selbstverstรคndlich hilft es keinem Menschen mit verstรคrkter Neurodermitis, wenn ihm berichtet wird, dass der gesunde Mensch mit dem niedrigen Wasserdampfgehalt (oder der geringen absoluten Luftfeuchte) des Winters recht gut klarkommt. Es gibt aber eben auch nicht DIE โ€žTrockene Luft-Krankheitโ€œ und vielleicht wird es dem Neurodermitis-Kranken helfen, wenn man die Tipps (siehe Infokasten) wie eine eventuelle รœberheizung angeht, bevor technisch luftbefeuchtet wird. Gesundheitliche Belastungen im Winter, mรผssen mit offenen Augen fรผr alle mรถglichen Ursachen angegangen werden. Wie wichtig das ist, erlebe ich oft bei meinen Raumluftanalysen, wie z. B. bei dem Disput zwischen einer Lagerarbeiterin und einem Hausmeister.

Die Lagerarbeiterin klagte allgemein รผber schlechte Luft. Der Hausmeister musste eingestehen, dass der Hallenkomplex mithilfe eines zentralen Luftbefeuchters โ€žStrichโ€œ gefahren wurde, also alles war auf konstante Werte eingestellt. Und zusammen mit der viel zu warmen Raumluft kam man den physiologischen Bedรผrfnissen der Arbeitnehmerin nicht nach. Das alles wurde dort als hausgemachter Stress der Wintermonate wahrgenommen.

Falls trockene Luft alleinig kritisiert wird, sollte man wissen, dass an manchen Maiabenden genau die Luftbedingungen vorherrschen (normal-warm und trocken), welche die meisten Menschen sehr angenehm empfinden.

Zurรผck zu den Wurzeln

Aus guten Grรผnden setzte sich ab Mitte des 20. Jh. immer mehr eine bewusste Abkehr von der relativen Feuchte hin zur โ€žphysiologischen Feuchteโ€œ durch. Seitdem kann eine absolute Luftfeuchte mit einer physiologischen Feuchte beschrieben werden. Damit war die veranschaulichende Bewertung des physiologisch-passiven Einflusses von unterschiedlichen Luftfeuchten besser mรถglich. Zudem ist wichtig, dass der Kรถrper aktiv auf Verรคnderungen des Raumklimas reagiert. Der Einzelparameter โ€žLuftfeuchteโ€œ kann nicht als Sรผndenbock fรผr fast alles Krankmachende im Winter herhalten. Die Natur ist es, die die trockene Winterluft erzeugt. Das ist erst einmal nichts Krankmachendes.

Wir haben uns darauf seit Urzeiten eingestellt. Zudem gibt es unterschรคtzte autark wirkende Behaglichkeitsprobleme, wie z. B. die รœberheizung, die frรผher meist nicht in diesem Umfang gegeben war. Wenn denn trockene Luft im Raum entsteht, durch ergiebig eingebrachte Winterluft, bei gleichzeitigem Einsatz mรถglichst behaglicher Strahlungswรคrme und baubiologisch einwandfreier Bauweisen, dann wird dies in den allermeisten Fรคllen der Gesundheit zutrรคglich sein. Dies ist ein Beitrag aus raumklimatischer und biophysikalischer Sicht. Es wรคre wichtig, den interdisziplinรคren Erfahrungs- und Wissensaustausch zu vertiefen.

Tipps fรผr ein behagliches und gesundes Raumklima im Winter

  • Ausreichendes Lรผften, sodass die Monats-Luftfeuchtewerte der Luftfeuchtetabelle 3 i. d. R. eingehalten werden.
  • Raumtemperatur reduzieren auf z. B. 21 ยฐC, im Schlafzimmer noch weniger.
  • Beheizung mittels Strahlungswรคrme (Beachtung des Behaglichkeitsdiagramms nach Bedford- und Liese).
  • Mรถglichst dezentrale Raumregelung unabhรคngig vom Heizsystem. Weitere individuelle Anpassungen wie z. B. warme Kleidung im Winter, Abstimmung mit anderen Gebรคudenutzern etc.
  • Einsatz baubiologischer Baumaterialien und Bauweisen, die sich u. a. nicht statisch aufladen.
  • Staubarme Luft z. B. durch Verwendung guter Staubsauger mit HEPA-Filter und feuchtes Wischen.
  • Viel trinken, Bewegung an der frischen Luft, gesunde Lebensweise.

Falls befeuchtet werden muss, sollte dies ergรคnzend zu diesen Ratschlรคgen behutsam und dezentral erfolgen โ€“ unter Beachtung der vorgenannten Luftfeuchtetabelle.

Kommentar des IBN

In diesem wertvollen Beitrag von Jens Bellmer geht es um das Thema Raumluftfeuchte. Fรผr ein gesundes Raumklima sind selbstverstรคndlich weitere Kriterien zu beachten, wie z. B. Parameter rund um die Temperatur (Luft- und Oberflรคchentemperatur, Temperaturgefรคlle, Wรคrmeรผbertragung durch Strahlung oder Konvektion…), Luftqualitรคt (Zusammensetzung, Schadstoffe, Feinstaub, Pilze, Geruch…) und Elektroklima (statische Aufladung, nieder- und hochfrequente elektromagnetische Wechselfelder…). Darรผber hinaus gehรถren zu einem gesunden Leben selbstverstรคndlich auch Bewegung, gesunde Ernรคhrung, eine gute Work-Life-Balance, Vermeidung von Stress etc.
Eine der wichtigsten Kriterien ist und bleibt ausreichendes Lรผften mit frischer, schadstoffarmer AuรŸenluft, die im Winter aufgrund niedrigerer Temperaturen naturgemรครŸ einen niedrigen Wasserdampf-Gehalt aufweist. Dadurch lassen sich einige der genannten Parameter erheblich verbessern. Entsprechend sollte also keinesfalls der Fehler gemacht werden, wenig zu lรผften, um eine hรถhere relative Luftfeuchte zu erzielen. Zur Kontrolle der Luftqualitรคt empfehlen wir die Nutzung von CO2-Messgerรคten und einen maximalen CO2-Luftgehalt von 800 ppm.
Dringend erforderlich sind Praxis-Forschungen v. a. in Schulen, Bรผros, Wohn- und Kinderzimmern zu den Auswirkungen der Raumluftfeuchte auf den menschlichen Organismus (Haut, Atemwegsbereich u. a.).

Quellenangaben

Ihre Stimme zรคhlt

Kommentarregeln:
Wir sind neugierig, was Sie zu sagen haben. Hier ist Raum fรผr Ihre Meinung, Erfahrung, Stellungnahme oder ergรคnzende Informationen. Bitte beachten Sie bei Ihrem Kommentar folgende Regeln:

  • Bitte keine Fragen: Auf dieser kostenlosen Informationsplattform kรถnnen wir keine Fragen beantworten - bitte stellen Sie Ihre Fragen direkt an unsere Autor*innenAutor*innen.
  • Bitte keine Werbung: Gerne kรถnnen Sie auf Ihre Produkte/Dienstleistungen mit einem Werbebanner aufmerksam machen.

2 Kommentare

  1. Gratuliere Herr Bellmer, endlich wird es einmal richtig erklรคrt

    Robert Steller, Sachverstรคndiger fรผr Bau und Umweltschรคden, Bรผro fรผr Baubiologie und Umweltanalytik
    Ontario, Canada

    Antworten
  2. Sehr guter Artikel. Von Herrn Bellmer konnte ich sehr viel รผber das Raumklima und die Erfassung der absoluten Feuchte lernen. Seit รผber 15 Jahren arbeite ich mit seiner Software. Absolut praxistauglich und empfehlenswert.

    N.N.

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht verรถffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Titelbild: agephotography

Quelle:
[1] โ€“ N. von Hahn: โ€žTrockene Luftโ€œ und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit โ€“ Ergebnisse einer Literaturstudieโ€œ, Berufsgenossenschaftliches Institut fรผr Arbeitsschutz โ€“ BGIA, Sankt Augustin, Mรคrz 2007
[2.1] โ€“ Ib Anderson und weitere Wissenschaftler: โ€žHuman Responce to 78-Hour Exposure to Dry Airโ€œโ€“ Archives of Environmental Health, Volume 29, Dec. 1974
[2.2] โ€“ R. Mรผhlbauer: โ€žTrockene Luft: Wann befeuchten und wie?โ€œ, Apotheken-Umschau unter www.apotheken-umschau.de, aktualisiert: 2016
[3] โ€“ S. รœckert: โ€œTemperatur und sportliche Leistungโ€œ, Meyer & Meyer Verlag Aachen, 2012
[4] โ€“ DIN 4710 (2003) – Statistiken meteorologischer Daten zur Berechnung des Energiebedarfs von heiz- und raumlufttechnischen Anlagen in Deutschland, Beuth-Verlag, DIN
[5] โ€“ VDI 2078:2015-06 – Berechnung der thermischen Lasten und Raumtemperaturen (Auslegung Kรผhllast und Jahressimulation), Beuth-Verlag, VDI
[6] โ€“ W. Liese: โ€žGesundheitstechnisches Taschenbuchโ€œ, 2. Auflage, Oldenbourg Verlag Mรผnchen โ€“ Wien 1969
[7] โ€“ W. Oczenski: โ€žAtmen โ€“ Atemhilfen Atemphysiologie und Beatmungstechnikโ€œ 10. Auflage โ€“ Georg Thieme Verlag KG Stuttgart
[8] โ€“ J. Bellmer: โ€žDas Luftfeuchte-Buch โ€“ Vom Luftfeuchte-Vergleich bis zur Kondensations-Bewertung in Gebรคudenโ€œ, Gebund. Buch, 4. Aufl., 2012
[9] โ€“ J. Bellmer: โ€žPraxisratgeber Luftfeuchte und Raumklima โ€“ Luftfeuchtetipps, Lรผftungshilfen fรผr ein gutes Raumklima โ€“ Fรผr Wohnungsnutzer und Fachleuteโ€œ, Broschรผre, Erscheinungsdatum voraussichtlich Ende 2019
[10] โ€“ J. Bellmer: โ€žEinfluss_trockener_Atemluftโ€œ Fachartikel in โ€žWOHNUNG+GESUNDHEITโ€œ, IBN 2003

Autor
Jens Bellmer

Jens

Bellmer

Haustechnik-Ingenieur, Baubiologe IBN, Fachbuch-Autor, Mitglied im VDI (Verein Deutscher Ingenieure) und fรผhrt ein Sachverstรคndigenbรผro fรผr Schimmelpilze, Lufthygiene und Trinkwasser.

ANZEIGE

Soll "Messtechnik Weiterbildung" beworben werden?: ja

How to become a Building Biology Consultant IBN?

Seminare und Qualifizierung: Baubiologische Messtechnik IBN
Seminare und Qualifizierung: Baubiologische Energieberatung IBN
Seminare und Qualifizierung: Baubiologische Raumgestaltung IBN
Baubiologische Beratungsstellen
IBN-Zertifizierungen fรผr Bauweisen, Gebรคude und Rรคume
Gesund, รถkologisch, verantwortungsvoll Baustoffe, Materialien & Produkte
ANZEIGE

Nachhaltig weiterbilden

Know-how, Zusatzqualifikationen und neue berufliche Mรถglichkeiten fรผr Baufachleute sowie alle, die sich fรผr gesundes, nachhaltiges Bauen und Wohnen interessieren.

Unser Kompetenz-Netzwerk

Hier finden Sie unsere qualifizierten Baubiologischen Beratungsstellen und Kontakte im In- und Ausland nach Standort und Themen sortiert.

รœber die Baubiologie

Die Baubiologie beschรคftigt sich mit der Beziehung zwischen Menschen und ihrer gebauten Umwelt. Wie wirken sich Gebรคude, Baustoffe und Architektur auf Mensch und Natur aus? Dabei werden ganzheitlich gesundheitliche, nachhaltige und gestalterische Aspekte betrachtet.

25 Leitlinien

Fรผr einen schnellen, aufschlussreichen รœberblick haben wir in 25 Leitlinien der Baubiologie die wichtigsten Parameter herausgearbeitet, sortiert und zusammengefasst. In 15 Sprachen, als PDF oder als Plakat erhรคltlich.