Trockene Raumluft
Wasserdampfabgabe des Menschen:
- รber die Atmung wird der in der Lungenluft entstandene Wasserdampf mit jedem Atemzug an die Umgebung abgegeben.
- Diffusion durch die Haut: Aus tieferen Gewebeschichten kommt es zu einer stรคndigen Diffusion durch die Haut hindurch.
- Transpiration รผber Schweiรdrรผsen: Falls die Wรคrmeabgabe des Menschen deutlich behindert wird, setzt die Transpiration (Perspiratio sensibilis) ein. Dies ist ein Prozess, bei der Schweiรdrรผsen Wasser auf die Hautoberflรคche befรถrdern.
Die genannten Wasserdampf-Abgabeformen unterteilen sich noch einmal in โaktiv” und โpassivโ:
- Aktive Wasserdampf-Abgabe: Der Kรถrper reagiert mittels Regelprozeduren aktiv, wenn beispielsweise das Raumklima aus dem Behaglichkeitsbereich herausgelangt.
- Passive Wasserdampf-Abgabe: Der Kรถrper reagiert vollkommen passiv auf รnderungen des Raumklimas.
Auch wenn die vorgenannte Unterscheidung in aktiv und passiv hilfreich ist, so kommt es dennoch zu รberlagerungen und รberschneidungen.
Die tatsรคchlichen physiologischen Vorgรคnge im menschlichen Kรถrper sind in ihrer Gesamtheit unmรถglich exakt einteilbar oder gar vorhersagbar.
Es bestehen beispielsweise zahlreiche Einflรผsse, die die Entfeuchtung รผber Haut und Lunge verรคndern kรถnnen, wie individuelle Veranlagung, Konstitution, Verรคnderungen der Muskelarbeit, Luftbewegung, Kleidung, Art und Menge der Nahrungsaufnahme, psychische Anspannung etc. Nun aber zu dem, was aus raumklimatischer und biophysikalischer Sicht beschreibbar und wichtig ist.
Abb 1
Wasserdampfabgabe des MenschenAbsolute und relative Luftfeuchte
Die massebezogene absolute Luftfeuchte, auf die nachfolgend Bezug genommen wird, gibt die Masse des Wasserdampfes an, die sich in einer bestimmten Masse trockener Luft befindet (in g/kg tr. L. = Gramm je Kilogramm trockener Luft). Die relative Luftfeuchte gibt das Verhรคltnis des momentanen Wasserdampfgehalts zum maximal mรถglichen Wasserdampfgehalt bei derselben Temperatur in Prozent an. Der Wassergehalt der oberen Hautschicht verรคndert sich รผber den Prozess der Sorption. Dieser vermindert sich bei der gesunden Haut in engen Grenzen in Abhรคngigkeit von der relativen Feuchte. Jedoch: Eine niedrige relative Luftfeuchte, die im Raum entsteht, nur weil es wรคrmer wird, erhรถht nicht das Diffusionspotenzial der passiv-wirkenden Kรถrpertrocknung, wenn denn der reale Wasserdampfgehalt der Raumluft, also die absolute Luftfeuchte, gleich bleibt. Ursache fรผr trockene Raumluft im Winter ist die trockene Winterluft an sich. Passive Trocknung durch die Umgebungsluft basiert also auf dem niedrigen realen Wasserdampf-Angebot der Umgebung.
Wie bei allen anderen Diffusions- oder Massentransport-Vorgรคngen ist auch hier der absolute (und nicht der relative) Unterschied das entscheidende โAntriebskriteriumโ. Daraus lรคsst sich folgendes schlussfolgern: Die kalte Jahreszeit mit real niedrigen absoluten Luftfeuchten fรผhrt zu einer Trocknungsintensivierung auch bei wechselnden relativen Luftfeuchten. Das Problem niedriger Luftfeuchten in Bรผros, die vorrangig aufgrund eines zu hohen Auรenluftwechsels durch Lรผftungs- oder Klimaanlagen, aber in den ersten Wochen der Heizperiode auch aufgrund geringer Feuchtepuffer-Eigenschaften vieler Materialien (Kunststoffe, Glas, Metall etc.) entstehen, bewirken selbstverstรคndlich starke Kรถrpertrocknung.
Aber man sollte genauer hinschauen, bevor Maรnahmen zur Behebung erfolgen. Es kรถnnte neben weiteren Problemen auch das Problem einer รberheizung bestehen.
Pro und contra
Die Konsequenz trockener Luft v.a. im Winter ist, dass u.a. unsere Haut rau und rissig wird und auch auf unseren Atemtrakt grรถรere Belastungen einwirken. Im Winter sinkt nicht nur die absolute Raumluftfeuchte, es steigt i.d.R. auch der Schadstoff- und Staubgehalt. Staub kann einen Trocknungseffekt auf unsere Schleimhรคute ausรผben (siehe Folgetext). Unabhรคngig davon bleibt aber festzuhalten: Trockene Winterluft trocknet vorrangig direkt. Und das passiert besonders intensiv wรคhrend der langen Zeit von November bis April. Jeder kann die Wirkung dieser Trocknungswirkung an sich selbst beobachten. Heiรt das aber auch, dass uns trockene Luft krank macht? Gemรคร [2.2] zeigte eine amerikanische Studie, dass Grippeviren in trockener Luft lรคnger aktiv bleiben.
Dennoch kann der Einzelparameter โLuftfeuchteโ m.E. nicht als Sรผndenbock fรผr fast alles Krankmachende im Winter herhalten. Mit den vorgenannten Problemen kommt der gesunde Mensch seit Urzeiten und auch in den trockensten Siedlungszonen der Welt gut klar. Gemรคร [1] konnte zudem keine medizinische Studie eruiert werden, die eine untere (gesundheitliche) Grenze von beispielsweise 30 % r. F. medizinisch begrรผndet bzw. einen anderen Grenzwert herleiten lieรe. Auรerdem ist es so, dass niedrige absolute Luftfeuchten bei der fรผr das Wohlbefinden und die Gesundheit wichtigen Wรคrmeabgabe des Menschen nachweislich helfen. Wir erkennen das daran, wenn man von einem รผberfeuchten Hallenbad in die herrlich frische Winterluft hinausgeht und sofort besser durchatmen kann. Dies ist nicht nebensรคchlich, sondern hilft bei einem lebenswichtigen Vorgang, mit dem der Kรถrper fortwรคhrend und stรคndig beschรคftigt ist. Der Mensch braucht stรคndig โKรผhlungโ, selbst im beheizten Raum. Und da hilft trockene Luft [10]. Im Gegensatz zum gut funktionierenden Temperatursinn kann man niedrige Luftfeuchten nicht direkt wahrnehmen. Dennoch wird beispielsweise die gesunde Haut durch kรถrpereigene, natรผrliche Mechanismen (NMF) vor zu starker Austrocknung (beispielsweise durch trockene Winterluft) geschรผtzt. Dies ist รคhnlich auch fรผr den Atemtrakt der Fall, siehe [1] und [2.1]. Die Problematik hoher Luftfeuchten ist bauphysikalisch und gesundheitlich nachgewiesen. Zu hohe Luftfeuchten werden vom Menschen auch subjektiv als โschlechte Luftโ oder โschwรผlโ wahrgenommen, wenn sie mit รberheizung einhergehen.
โTrockeneโ Luft: Normale Raumluft mit 50 % relativer Luftfeuchte (und 20 ยฐC) lรคsst eine nasse Innenwand-Tapete recht langsam trocknen. An einem Wintertag kann es jedoch vorkommen, dass die Luftfeuchte im Raum auf 20 % r. F. sinkt. Die Reduzierung der absoluten Luftfeuchte im Raum (von 7,4 auf 2,9 g/kg) fรผhrt dabei zu einer intensiveren Trocknung der Tapete.
Wie sieht es mit dem menschlichen Atemtrakt aus? Der menschliche Atemtrakt ist aufgrund des hohen Feuchte- und Temperaturlevels von 32 ยฐC und 100 % r.F. von Natur aus auf starken Entfeuchtungsmodus โgeeichtโ. Dies ist visuell eindrucksvoll im hx-Diagramm [Luftfeuchte-Buch, 9] erkennbar anhand der riesigen Trocknungsstrecke fรผr eingeatmete normalfeuchte Luft. Dadurch sorgt dies fรผr den Normalfall schon fรผr eine starke Wasserdampfabgabe von ca. 11,1 g/h (vgl. Tab. 1). Viele vermuten nun bei niedrigen rel. Luftfeuchten eine deutliche Trocknungsintensivierung des Atemtraktes. Fรผr das hohe Feuchte- und Temperaturlevel des Atemtraktes bedeutet die Raumluftfeuchte-รnderung von 50 % r.F. auf 20 % r.F. aber nur einen geringen Anstieg der Wasserdampfabgabe von 11,1 g/h auf 13,2 g/h.
Tab. 1
Wasserdampfabgabe des Menschen (รผber die Atmung) in Abhรคngigkeit von der relativen Luftfeuchte โ bei Umgebungstemperatur von 20 ยฐC. Ermittlung รผber mittl. stรผndlichem Atemluft-Massenstrom und absoluten Feuchten im Atmungstrakt und Umgebung. Berechnungsbeispiele in [7 und 9]รberheizung: Zu hohe Lufttemperaturen behindern die Wรคrmeabgabe und lรถsen aktive Kรถrper-Reaktionen aus! So kommt es zu einer Erhรถhung der Wasserdampf-Abgabe. Erwรคrmt man Luft, sinkt zwar die relative Luftfeuchte, es steigt aber nicht das passive Trocknungspotenzial, solange die absolute Luftfeuchte im Raum bleibt.
Die Intensivierung der Kรถrpertrocknung, die hier gemeint ist, geschieht autark durch รberheizung. In Arbeitsrรคumen, die beispielsweise erst mit 20 ยฐC und nun mit 24 ยฐC beheizt werden, bewirkt das eine Erhรถhung der Wasserdampf-Abgabe des Kรถrpers von 50 g/h auf 71,6 g/h (vgl. Tab. 2, also um 21,6 g/h). Das ist deutlich! Diese oder รคhnliche รberheizungs-Situationen sind Alltag in vielen Arbeits- und Wohnrรคumen. Das etablierte Behaglichkeitsdiagramm nach Bedford und Liese und in Konsequenz der Einsatz von Strahlungsheizungen helfen dabei, die Luft- und Wandtemperaturen in einem behaglichen Bereich zu halten.
Tab. 2
Wasserdampfabgabe des Menschen (gesamt) in Abhรคngigkeit von der RaumlufttemperaturWichtig ist, dass man diesen Sachverhalt als ein Behaglichkeitsproblem (und auch Trockenheitsproblem) des Winters anerkennt. Luftbefeuchter haben fรผr zahlreiche Einsatzfรคlle ihre Berechtigung. Was aber hilft es, die Luft zu befeuchten, wenn die Ursachen der Probleme rund um Behaglichkeit und Gesundheit gar nicht geklรคrt sind? Wie bereits beschrieben, kรถnnte beispielsweise auch eine zu hohe Raumtemperatur Ursache fรผr Behaglichkeitsprobleme sein.
Trockene Luft und gewerbliche Anwendungen sind manchmal nicht vereinbar, wenn es beispielsweise um zu vermeidende Elektrostatik im Winter geht. Bei den Lรถsungen werden aber hรคufig die Bedรผrfnisse der Mitarbeiter missachtet. Dies passiert, wenn die Befeuchtungsleistung zu stark ausfรคllt oder auch ganz besonders, wenn konstante Regelsollwerte bestehen, was oft in Produktions- und Arbeitsbereichen anzutreffen ist. Ein deutlicher Unterschied zwischen trockener Winter-Auรenluft und feuchter Raumluft am Arbeitsplatz wird dabei hรคufig als erheblich belastend empfunden und der Zustand der Raumluft als โschlechte Luftโ beschrieben, selbst dann, wenn keine Geruchsbelรคstigung gegeben ist.
Falls technisch luftbefeuchtet wird, egal ob fรผr die Verbesserung eines Produktionsprozesses oder um beispielsweise Belastungen an der Haut oder Schleimhaut betroffener Menschen zu verbessern, sollte dies behutsam nach folgender Regel erfolgen: Feuchtebeladung der Auรenluft = max. 3 g/kg (siehe Tab. 3).
Die Beachtung der Tabelle ist wichtig, weil sie auf den monatlich unterschiedlichen Wasserdampfgehalten der Auรenluftfeuchte aufbaut.
Wenn Regelanlagen anstatt mit konstanten Luftfeuchten mit โgleitendenโ Sollwerten arbeiten, wรคre schon viel erreicht. Raumtemperaturen und Raumluftfeuchten werden individuell unterschiedlich empfunden. Daher sind dezentrale Lรถsungen fรผr die Beheizung, Luftbefeuchtung und Regelung ratsam.
WICHTIG: Bei gesundheitlichen Studien oder Herstellerangaben รผber die gute Praktikabilitรคt von Luftbefeuchtern wird die vorgenannte maximale Luftfeuchteerhรถhung zumeist unterschritten. Es wird also nicht das Problem der รberfeuchtung betrachtet. Dadurch kommt es hรคufig zu Aussagen, welche die realen Risiken der Luftbefeuchtung nicht widerspiegeln.
Die vorgenannte 3 g/kg-Regel ist durch zahlreiche meiner Raumluftuntersuchungen belegt und wird in etwa eingehalten, wenn die angegebenen relativen Luftfeuchten (vgl. Luftfeuchtetabelle 3) nicht hรคufig รผber lรคngere Zeitrรคume รผberschritten werden. Die Tabelle ist auch allgemein und grob einsetzbar zur Beantwortung der Frage, wie weit die Luftfeuchte im Raum ansteigen kann, ohne dass bauphysikalische Probleme entstehen. Sie gilt grob fรผr eine Raumtemperatur von 20 ยฐC. Der Vorteil liegt zudem darin, dass die Absolutwerte โรผbersetztโ wurden in Werte der relativen Luftfeuchte.
Tab. 3
Luftfeuchtetabelle 3 fรผr den Wohn- und Arbeitsraum basierend auf 20 ยฐC (von J. Bellmer).Max.-Richtwerte bzw. noch reales Feuchteaufkommen, bei guter bis mittlerer Lรผftung (max. 3 g/kg tr. L. Wasserbeladung der Auรenluft.
Durchschnittliche Ermittlung auf Basis mitteleuropรคischer Klimaverhรคltnisse)
Holz
Holz schwindet bei Trocknung. Daher wird dies immer mal wieder als Argument fรผr die Schรคdlichkeit trockener Luft schlechthin verwendet. Eine im Raum verbaute Holzoberflรคche (bei 20 ยฐC) hat aber nichts zu tun mit deutlich hรถher temperierten und feuchten Kรถrperoberflรคchen. Ein Baustoff mit seinen ausschlieรlich passiven Trocknungseigenschaften kann deshalb nicht verglichen werden mit einem lebenden Organismus, der auf Raumklimaรคnderungen mit passiven und aktiven Wasserdampfabgabe-Arten reagiert. Aus diesen Grรผnden kann das Holz-Thema nicht als Argument herangezogen werden, wenn es um gesundheitlich belastende Aspekte geht.
Holz kann zudem schadensfrei gehalten werden, wenn es genรผgend trocken verbaut wird. In alten Kirchen oder denkmalgeschรผtzten Gebรคuden mit Holzeinbauten hilft die Einhaltung der Regel: Luftaufheizung oder und Luftabkรผhlung: max. 1 ยฐC pro Stunde.
Staub, Schadstoffe und Viren
Feinstรคube im wenig gelรผfteten Raum kรถnnen unsere Schleimhรคute belasten und auch trocknen, zumal an Stรคuben toxisch wirksame und/oder die Schleimhรคute reizende Stoffe haften kรถnnen. Bevor nun aber Partikel mittels technischer Luftbefeuchtung zum Absinken gebracht werden (was selbstverstรคndlich machbar ist), sollte erst einmal eine genaue Raumluftuntersuchung erfolgen. Heute kรถnnen beispielsweise schon mit preiswerten Gerรคten schnelle Aussagen zur Feinstaubkonzentration getroffen werden (Beispiel: Abb. 2).
Abb. 2
Tendenzielle, indirekte Ermittlung der Partikelanzahl (PM2,5 und PM10). Es sollte innen und auรen gemessen werden (Messgerรคt Fa. Trotec)Wenn sich dieses Problem dann tatsรคchlich als gravierend darstellt, kรถnnte zunรคchst versucht werden, u. a. durch den Einsatz guter Staubsauger (mit HEPA-Filter) und ergiebiges Lรผften mit frischer, staubarmer Auรenluft fรผr Besserung zu sorgen. Die Luft, die wir zum Atmen benรถtigen, โentstehtโ nun einmal auรen. Auch hilft es wohl kaum, verbrauchte Raumluft (bei geringem Austausch) noch weiter zu befeuchten, um damit eine eventuell erhรถhte Viren-Konzentration zu senken. Es wรคre doch besser, die verbrauchte Raumluft durch neue zu ersetzen.
Selbstverstรคndlich gibt es auch Einsatzfรคlle, wo eine Befeuchtung โ nach Abwรคgung aller Mรถglichkeiten und genauer Analyse sinnvoll sein kann. Falls die regional vorhandene Auรenluft derart mit Schadstoffen oder Feinstรคuben belastet ist, dass diese eine Gefahr fรผr die Gesundheit darstellt, kรถnnte auch รผber den Einsatz einer geeigneten Frischluftanlage mit geeigneten Filtern nachgedacht werden (unter Beachtung baubiologischer und VDI-Vorgaben).
Luftfeuchte-Langzeitmessungen
Mit Luftfeuchte-Langzeitmessungen der absoluten Luftfeuchte (vgl. Abb. 3) ist gut kontrollierbar, ob der vorgenannte 3 g/kg-Richtwert signifikant und dauerhaft รผberschritten oder weitgehend eingehalten wird. Vor allem in Wohnungen mit Schimmelproblemen werden hรคufig stark erhรถhte absolute Luftfeuchten im Vergleich zur Auรenluft festgestellt. Hohe Luftfeuchten im Innenraum erzeugen zumeist bauphysikalische und auch gesundheitliche Probleme. Falls es an Arbeitsplรคtzen Beschwerden gibt, sollten zudem die Lufttemperaturen aufgezeichnet werden, um รberheizungen festzustellen oder auszuschlieรen. Selbstverstรคndlich helfen auch manuelle Messungen.
Abb. 3
Datenlogger-Aufzeichnung in einem Badezimmer (zeitlicher Ausschnitt eines Tages). Hier sorgte das Zuviel an Luftfeuchte fรผr eine Kondensation an einer geometrischen Wรคrmebrรผcke.Der krankmachende Winter und der รbergang zum Frรผhling
Im nord- und mitteleuropรคischen Winter leiden wir hรคufig unter einem Mix erheblicher Belastungen, wie beispielsweise niedrigen Wasserdampf-Gehalten, Sonnenlichtmangel, Vitaminmangel, kalte Auรenluft in Verbindung mit Windeinflรผssen, erhรถhten Virenkonzentrationen etc. Dieser Mix und auch die individuelle Konstitution kann erhรถhte Infektionsanfรคlligkeit, rissige Haut, Schleimhauttrocknung etc. verursachen.
Die ganzheitliche Klรคrung all dieser Einflรผsse kann und soll hier nicht geleistet werden. Zusรคtzlich gibt es oft auch andere nachweisbar krankmachende Einflรผsse in Arbeitsrรคumen. (Umwelt-)Mediziner stehen an dieser โFrontโ und berichten von zahlreichen Problemen. Es gehรถren aber eben alle Einflรผsse des Winters auf den Prรผfstand und nicht nur diejenigen der trockenen Luft.
Selbstverstรคndlich trocknen Haut und Schleimhรคute im Winter stรคrker als im Sommer. Selbstverstรคndlich hilft es keinem Menschen mit verstรคrkter Neurodermitis, wenn ihm berichtet wird, dass der gesunde Mensch mit dem niedrigen Wasserdampfgehalt (oder der geringen absoluten Luftfeuchte) des Winters recht gut klarkommt. Es gibt aber eben auch nicht DIE โTrockene Luft-Krankheitโ und vielleicht wird es dem Neurodermitis-Kranken helfen, wenn man die Tipps (siehe Infokasten) wie eine eventuelle รberheizung angeht, bevor technisch luftbefeuchtet wird. Gesundheitliche Belastungen im Winter, mรผssen mit offenen Augen fรผr alle mรถglichen Ursachen angegangen werden. Wie wichtig das ist, erlebe ich oft bei meinen Raumluftanalysen, wie z. B. bei dem Disput zwischen einer Lagerarbeiterin und einem Hausmeister.
Die Lagerarbeiterin klagte allgemein รผber schlechte Luft. Der Hausmeister musste eingestehen, dass der Hallenkomplex mithilfe eines zentralen Luftbefeuchters โStrichโ gefahren wurde, also alles war auf konstante Werte eingestellt. Und zusammen mit der viel zu warmen Raumluft kam man den physiologischen Bedรผrfnissen der Arbeitnehmerin nicht nach. Das alles wurde dort als hausgemachter Stress der Wintermonate wahrgenommen.
Falls trockene Luft alleinig kritisiert wird, sollte man wissen, dass an manchen Maiabenden genau die Luftbedingungen vorherrschen (normal-warm und trocken), welche die meisten Menschen sehr angenehm empfinden.
Zurรผck zu den Wurzeln
Aus guten Grรผnden setzte sich ab Mitte des 20. Jh. immer mehr eine bewusste Abkehr von der relativen Feuchte hin zur โphysiologischen Feuchteโ durch. Seitdem kann eine absolute Luftfeuchte mit einer physiologischen Feuchte beschrieben werden. Damit war die veranschaulichende Bewertung des physiologisch-passiven Einflusses von unterschiedlichen Luftfeuchten besser mรถglich. Zudem ist wichtig, dass der Kรถrper aktiv auf Verรคnderungen des Raumklimas reagiert. Der Einzelparameter โLuftfeuchteโ kann nicht als Sรผndenbock fรผr fast alles Krankmachende im Winter herhalten. Die Natur ist es, die die trockene Winterluft erzeugt. Das ist erst einmal nichts Krankmachendes.
Wir haben uns darauf seit Urzeiten eingestellt. Zudem gibt es unterschรคtzte autark wirkende Behaglichkeitsprobleme, wie z. B. die รberheizung, die frรผher meist nicht in diesem Umfang gegeben war. Wenn denn trockene Luft im Raum entsteht, durch ergiebig eingebrachte Winterluft, bei gleichzeitigem Einsatz mรถglichst behaglicher Strahlungswรคrme und baubiologisch einwandfreier Bauweisen, dann wird dies in den allermeisten Fรคllen der Gesundheit zutrรคglich sein. Dies ist ein Beitrag aus raumklimatischer und biophysikalischer Sicht. Es wรคre wichtig, den interdisziplinรคren Erfahrungs- und Wissensaustausch zu vertiefen.
Tipps fรผr ein behagliches und gesundes Raumklima im Winter
- Ausreichendes Lรผften, sodass die Monats-Luftfeuchtewerte der Luftfeuchtetabelle 3 i. d. R. eingehalten werden.
- Raumtemperatur reduzieren auf z. B. 21 ยฐC, im Schlafzimmer noch weniger.
- Beheizung mittels Strahlungswรคrme (Beachtung des Behaglichkeitsdiagramms nach Bedford- und Liese).
- Mรถglichst dezentrale Raumregelung unabhรคngig vom Heizsystem. Weitere individuelle Anpassungen wie z. B. warme Kleidung im Winter, Abstimmung mit anderen Gebรคudenutzern etc.
- Einsatz baubiologischer Baumaterialien und Bauweisen, die sich u. a. nicht statisch aufladen.
- Staubarme Luft z. B. durch Verwendung guter Staubsauger mit HEPA-Filter und feuchtes Wischen.
- Viel trinken, Bewegung an der frischen Luft, gesunde Lebensweise.
Falls befeuchtet werden muss, sollte dies ergรคnzend zu diesen Ratschlรคgen behutsam und dezentral erfolgen โ unter Beachtung der vorgenannten Luftfeuchtetabelle.
Kommentar des IBN
In diesem wertvollen Beitrag von Jens Bellmer geht es um das Thema Raumluftfeuchte. Fรผr ein gesundes Raumklima sind selbstverstรคndlich weitere Kriterien zu beachten, wie z. B. Parameter rund um die Temperatur (Luft- und Oberflรคchentemperatur, Temperaturgefรคlle, Wรคrmeรผbertragung durch Strahlung oder Konvektion…), Luftqualitรคt (Zusammensetzung, Schadstoffe, Feinstaub, Pilze, Geruch…) und Elektroklima (statische Aufladung, nieder- und hochfrequente elektromagnetische Wechselfelder…). Darรผber hinaus gehรถren zu einem gesunden Leben selbstverstรคndlich auch Bewegung, gesunde Ernรคhrung, eine gute Work-Life-Balance, Vermeidung von Stress etc.
Eine der wichtigsten Kriterien ist und bleibt ausreichendes Lรผften mit frischer, schadstoffarmer Auรenluft, die im Winter aufgrund niedrigerer Temperaturen naturgemรคร einen niedrigen Wasserdampf-Gehalt aufweist. Dadurch lassen sich einige der genannten Parameter erheblich verbessern. Entsprechend sollte also keinesfalls der Fehler gemacht werden, wenig zu lรผften, um eine hรถhere relative Luftfeuchte zu erzielen. Zur Kontrolle der Luftqualitรคt empfehlen wir die Nutzung von CO2-Messgerรคten und einen maximalen CO2-Luftgehalt von 800 ppm.
Dringend erforderlich sind Praxis-Forschungen v. a. in Schulen, Bรผros, Wohn- und Kinderzimmern zu den Auswirkungen der Raumluftfeuchte auf den menschlichen Organismus (Haut, Atemwegsbereich u. a.).
Ihre Stimme zรคhlt
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Gratuliere Herr Bellmer, endlich wird es einmal richtig erklรคrt
Robert Steller, Sachverstรคndiger fรผr Bau und Umweltschรคden, Bรผro fรผr Baubiologie und Umweltanalytik
Ontario, Canada
Sehr guter Artikel. Von Herrn Bellmer konnte ich sehr viel รผber das Raumklima und die Erfassung der absoluten Feuchte lernen. Seit รผber 15 Jahren arbeite ich mit seiner Software. Absolut praxistauglich und empfehlenswert.
N.N.