Miteinander geht was – Dorf Hitzacker, Teil 1
Gemeinsam initiierten der Lehmbauer Thomas Hagelstein und der Projektentwickler Hauke Stichling-Pehlke mit dem Architekten Frank Gutzeit einen ergebnisoffenen Prozess, der stetig weiterentwickelt wird. Auf einem 5,5 Hektar groรen Grundstรผck entsteht in mehreren Bauabschnitten ein Dorf mit rund 100 Wohnungen, getragen von einer 2016 gegrรผndeten Genossenschaft, in der jeder Siedler verpflichtend Mitglied ist. Der erste Bauabschnitt ist nun weitestgehend fertiggestellt (Stand 10/2022) und bietet in 13 Mehrparteienhรคusern 52 Erwachsenen und 25 Kindern eine neue Heimat.
Wiederbelebung des lรคndlichen Raums
Der siedlungsgeografische Ansatz basiert auf der Revitalisierung des lรคndlichen, strukturschwachen Raums. Denn dieser darbt โ auch im Landkreis Lรผchow-Dannenberg, der zu den am dรผnnsten besiedelten Regionen in ganz Deutschland gehรถrt und sukzessive zu รผberaltern droht. Hier versteht sich das Hitzacker Dorf als Blaupause zur Erneuerung ruraler, dรถrflich-kleinstรคdtischer Regionen, insbesondere durch den Zuzug junger Menschen und Familien, welche die vollen und teuren Agglomerationen verlassen, auch um ihren Kindern ein entspanntes Aufwachsen im Grรผnen zu ermรถglichen. Zugleich steht das Hitzacker Dorf als Genossenschaft mit derzeit rund 200 Mitgliedern fรผr ein gemeinschaftliches Leben aller Generationen, Nationen und Altersstufen.

Hitzacker Dorf 3-D Masterplan 
Gemeinschaftliches Bauen der Siedler
Groรes multifunktionales Gemeinschaftshaus und รko-Selbstversorger-Kleingรคrten
Typisches Wohnhaus mit beidseitiger Laubengangerschlieรung1 Hitzacker Dorf 3-D Masterplan 2 Gemeinschaftliches Bauen der Siedler3 Groรes multifunktionales Gemeinschaftshaus und รko-Selbstversorger-Kleingรคrten4 Typisches Wohnhaus mit beidseitiger Laubengangerschlieรung
Daseinsgrundfunktionen reintegriert
Der stรคdtebauliche und raumordnungspolitische Kardinalfehler des 20. Jahrhunderts lag und liegt in der Trennung der Daseinsgrundfunktionen von Wohnen und Arbeiten, Freizeit, Bildung, Verkehr und Nahrungserzeugung. Das Hitzacker Dorf reintegriert diese bewusst wieder an Ort und Stelle โ kurze, staufreie Wege inklusive. Auf dem als Mischgebiet ausgewiesenen Areal werden rund 20 % der Flรคche gewerblich genutzt, z.B. als Arztpraxis oder Coworking Space. Des Weiteren befindet sich, neben der direkten Eigenversorgung in Kleingรคrten, eine eigene Solawi โ solidarische Landwirtschaft โ im Aufbau. Derweil ist das groรe Gemeinschaftshaus als Kommunikationszentrum mit Bรผro multifunktional ausgerichtet, es dient z.B. als Seminar- und Kรผchenbetrieb, als Versammlungs- und Auffรผhrungsort, als Bibliothek und im OG gar als Mitwohnzentrale.
Baueigenleistung von 13 %
Ziel ist es, eine von den Siedlern getragene, kleinteilige und dezentrale รkonomie aufzubauen, die neue Arbeitsplรคtze in und um die Siedlung herum schafft. Die Dorfgrรผndung erfolgte im nahe gelegenen Hitzacker-Bahnhof, der vor 8 Jahren von dem Verein Kulturbahnhof Kuba e.V. (www.kuba-ev.de) รผbernommen worden war. Die Genossenschaft Hitzacker Dorf ist Vereinsmitglied und betreibt dort ein Bรผro. Im ersten Bauabschnitt wurden 47 Wohneinheiten in vollรถkologischer Holzstรคnderbauweise mit Wohnflรคchen zwischen 30 m2 und 150 m2 auf einem 2,3 Hektar groรen Areal fertiggestellt. Dabei betrรคgt die von den Siedlern eingebrachte Baueigenleistung rund 13 % an der Gesamtleistung, was einem kalkulierten Wert von ca. 500.000 Euro entspricht.
Teamwork von Profis und Laien
Die Umsetzung erfolgte รผber so benannte โTeamerโ, bezahlten Handwerkern, die Teilgewerke, wie z.B. das Abrรผtteln des Glasschaumschotters, das Aufbringen des Lehmputzes oder das Verlegen der Dielenfuรbรถden, in entsprechenden Baugruppen angeleitet haben. Das Teamwork von Profis und Laien hat funktioniert – was von den Siedlern einmal erlernt wurde, konnte fortan fast selbststรคndig ausgefรผhrt werden. Das senkte zum einen die Baukosten, und trug zum anderen entscheidend dazu bei, dass die Menschen eine echte Identitรคt beim Bau ihrer neuen Heimat entwickeln konnten. Der Architekt Frank Gutzeit erlรคutert: โWir verstehen das Bauen des Hitzacker Dorfes als solidarische Gemeinschaftsaktion. Dem folgt das Konstruktionsprinzip, das รถkologisch, giftfrei und sich fรผr die Einbringung von Eigenleistung eignen muss. Auch verzichten wir bewusst auf jedwede Kontrolle oder Bewertung, jeder bringt sich bestmรถglich ein, ohne Neid oder gar Wettkampfgedanken.โ

Fassadenintegrierte Vogel-Brutplรคtze
BaseG-Aktion Versammlungsort
Hitzacker Dorf Siedler
Siedler-Selbstbau
Siedler-Selbstbau5 Fassadenintegrierte Vogel-Brutplรคtze6 BaseG-Aktion Versammlungsort7 Hitzacker Dorf Siedler8 u. 9 Siedler-Selbstbau
Miethรถhe mit der Kommune abgestimmt
Fรผr die im KfW 40 Standard errichtete Siedlung hat die Genossenschaft insges. 4,1 Mio. Euro an zinsvergรผnstigten Darlehen von der KfW-Bank erhalten. Zudem konnten aus Genossenschaftsanteilen ca. 25 % der aufzubringenden Eigenmittel generiert werden, wobei jeder Siedler je nach Wohnraumgrรถรe zwischen 18.000 und 30.000 Euro eingezahlt hat. Die Genossenschaft vermietet wiederum die Wohnungen fรผr 6 Euro/mยฒ Kaltmiete an die Bewohner. Die Miethรถhe wurde mit der Kommune abgestimmt, damit die Menschen bei etwaiger Inanspruchnahme einer Grundsicherung ihr Zuhause nicht verlassen mรผssen und Miete und Nebenkosten รผbernommen werden. In Summe wartet das Hitzacker Dorf mit einem Preis-Leistungsverhรคltnis von rund 1.500 Euro/m2 Wohnraum an Baukosten inkl. Grundstรผck auf, und das in Holzbauqualitรคten, fรผr die auf dem freien Markt das dreifache und mehr zu bezahlen wรคren. Die Restfinanzierung lรคuft รผber eine Genossenschaftsbank. An dieser Stelle sei erwรคhnt, dass gut eine halbe Million Euro an unentgeltlicher Planungsleistung in den Bau eingeflossen sind. Dazu passt die Entscheidung der Gruppe, Menschen ohne eigenes oder mit zu wenig Kapital via Solidareinlagen die Teilhabe und damit Wohnraum zu ermรถglichen. Das gegen jedwede Bodenspekulation gefeite Hitzacker Dorf strebt mit den nรคchsten Bauabschnitten eine Einwohnerzahl von etwa 300 – 400 Menschen an, um eine funktionsfรคhige, sozial-รถkologische รkonomie betreiben zu kรถnnen.
Solidarische Gala-Bau Aktion
In diesem Sommer gastierte die BaseG (www.baseg.org), die Bundesยญarbeitsยญgemeinยญschaft selbstยญverยญwalยญteter Gartenยญbauยญbetriebe, zu einem einwรถchigen, unentgeltlichen Workcamp im Hitzacker Dorf. Die ca. 120 Teilnehmenden schufen gegen Kost und Logis ein Grรผndach, zwei Plรคtze nebst Rundling und ein Amphitheater, einen Ort fรผrs Recycling sowie ein Mandaladach fรผr den spรคter geplanten Pizzaofen. Der noch wilde Auรenbereich hat auf diese solidarische Weise erste Strukturen erhalten. Der Baubiologe IBN Thomas Hagelstein bringt es auf den Punkt: โAllen Unkenrufen und Widerstรคnden zum Trotz ist es gelungen zu zeigen, dass baubiologische Standards im Wohnungsbau kein Hexenwerk sind. Bezahlbarer, gesunder Wohnungsbau ist zu schaffen, wenn Gemeinwohlorientiertheit vor Gier und Profit gestellt werden. Auch hier wurde wieder deutlich, dass ein anderes Wirtschaften mรถglich ist, wenn wir uns als aus der Fรผlle Schรถpfende verstehen. Miteinander geht was.โ
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รber die Baubiologie
Die Baubiologie beschรคftigt sich mit der Beziehung zwischen Menschen und ihrer gebauten Umwelt. Wie wirken sich Gebรคude, Baustoffe und Architektur auf Mensch und Natur aus? Dabei werden ganzheitlich gesundheitliche, nachhaltige und gestalterische Aspekte betrachtet.
25 Leitlinien
Fรผr einen schnellen, aufschlussreichen รberblick haben wir in 25 Leitlinien der Baubiologie die wichtigsten Parameter herausgearbeitet, sortiert und zusammengefasst. In 15 Sprachen, als PDF oder als Plakat erhรคltlich.

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