Brandschutz und Baubiologie

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Der Brandschutz hat mit Recht einen hohen Stellenwert. Jedoch findet aus nicht nachvollziehbaren Grรผnden folgender von der Baubiologie seit Jahrzehnten angemahnter Sachverhalt wenig Beachtung: Im Brandfall wird das Leben der Menschen hรคufig nicht unmittelbar von Feuer und Hitze bedroht, sondern durch giftige Ausgasungen und erhebliche Rauchentwicklungen z.B. beim Verschwelen von Kunststoffen.

Autor
Josef Frey

Josef

Frey

Dipl.-Ing. fรผr Innenarchitektur, Baubiologe und Mitarbeiter im IBN

Die Entstehung eines Brandes ist fast immer auf menschliche Fehler oder technische Defekte, sehr selten aber auf die verwendeten Materialien zurรผckzufรผhren: Vergessene Herdplatten, Kerzen, die Zigarette im Bett oder ein Kabelbrand. Ist der Brand erst einmal ausgebrochen, sieht die Situation ganz anders aus: Brennbare Oberflรคchen tragen wesentlich zu Brandausbreitung bei. Dichter Rauch und brennendes Abtropfen stellen eine der grรถรŸten Gefahren dar. Um die Beurteilung der Baustoffe bzgl. ihres Verhaltens im Brandfall zu ermรถglichen, werden diese deshalb hinsichtlich ihrer Brenn- und Entflammbarkeit auf nationaler Ebene nach “DIN 4102 Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen” und auf europรคischer Ebene nach “DIN EN 13501 Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten” eingeordnet. Beide Normen sind gleichwertig gรผltig.

Diese Baustoffklassen oder hรคufig auch Brandschutzklassen genannt sind in der Tabelle dargestellt. Die DIN 4102 unterscheidet dabei in 5 Klassen (A1, A2, B1, B2, B3) und die Kategorien nicht brennbar (A) und brennbar (B). Die EU-Klassifizierung unterscheidet in 7 Klassen (A1, A2, B, C, D, E, F), die jeweils mit zusรคtzlichen Informationen zur Rauchentwicklung (smoke s1,s2, s3) und/oder das brennende Abtropfen/Abfallen (droplets d0, d1, d2) ergรคnzt werden.

1 Klassifizierte Eigenschaften zum Brandverhalten von Baustoffen und Bodenbelรคgen nach DIN EN 13501-1 und DIN 4102-4 entsprechend bauaufsichtlichen Anforderungen.ย 

รœber die von der Baubiologie geforderten Angaben zur Toxizitรคt der bei (Schwel-)Brรคnden entstehenden Rauchgase werden jedoch keine Aussagen gemacht. Vor allem viele Kunststoffe geben unter Brandeinwirkung giftige bis hochgiftige Gase ab. So emittiert PVC beispielsweise Salzsรคure sowie Furane und Dioxine und aus PUR-Schรคumen entweicht im Brandfall Blausรคure. Diese Brandnebenprodukte stellen eine nicht zu unterschรคtzende Gesundheits- und Lebensgefahr z.B. durch schnelle Bewusstlosigkeit dar und der Schaden fรผr Mensch und Gebรคude ist hรคufig grรถรŸer, als der durch Hitzeeinwirkung und Flammen.ย 

2 Rauch kann schnell die Sicht versperren und durch giftige Brandgase zu Bewusstlosigkeit fรผhren
3 AuรŸendรคmmung aus Polystyrol, PVC-Fenster und Inneneinrichtung nach einem Hausbrand

In diesem Sinne problematisch sind besonders Bรถden aus PVC bzw. Vinyl, PVC-Fenster, Schaumstoffe in Polstermรถbel und Matratzen, kunststoffbeschichtete Mรถbel und Tรผren, Kunststoffteppiche oder -tapeten, Textilien wie z.B. Vorhรคnge aus Kunstfasern und Kunststoffdรคmmungen, PVC-Kabel, aber auch Kleidung und Bettbezรผge, Spielzeug aus Kunststoffen, diverse Kleber, Beschichtungen oder Oberflรคchenbehandlungsmittelโ€ฆ

Baubiologisch empfehlenswerte Baustoffe sind bzgl. Abbrandverhalten, Rauchentwicklung oder Toxizitรคt der Rauchgase meist unproblematischer. Dennoch muss man selbstverstรคndlich auch im baubiologischen Bau Brandschutzvorschriften einhalten bzw. ist man auch hier gut beraten, VorsorgemaรŸnahmen zu beachten, wie:

Brandausbreitung begrenzen

Entsprechend Musterbauordnung dรผrfen Baustoffe, dieย leicht entflammbar sind, nicht fรผr Baukonstruktionen verwendet werden. Baustoffe aus Holz wie z.B. Vollholz, Brettschichtholz oder Holzplattenwerkstoffe (Dreischichtplatte, Furniersperrholz etc.) werden meist in der EU-Klassifizierung D-s2-d0 eingestuft. Das heiรŸt, sie sindย normal entflammbar, besitzen die Rauchentwicklungsklasse 2 und brennen nicht abtropfend. Sie dรผrfen also fรผr Baukonstruktionen eingesetzt werden. Dennoch,ย Holz kann am Brandgeschehen und dessen Ausbreitung beteiligt sein. In Flucht- und Rettungswegen von รถffentlichen Gebรคuden, dieย brandlastfrei zu halten sind, dรผrfen Holzbauteile somit nicht verbaut werden.

Um Holz von Baukonstruktionen vor Brand zu schรผtzen und um die Brandausยญbreitung zu begrenzen, kann es mit nicht brennbaren Baustoffen bekleidet (eingekapselt) werden. Geeignet sind dafรผr z.B. Gips- oder Gipsfaserplatten, Kalziumsilikatplatten, Kalk- oder Lehmputze. Auf chemischen Brandschutz sollte aus baubiologischer Sicht weitgehend verzichtet werden. Flammschutzanstriche setzen im Brandfall nicht selten hochgiftige Rauchgase frei, die zu gesundheitlichen und teilweise auch baulichen Folgeschรคden fรผhren kรถnnen. Am ehesten noch vertretbar sind Aluminium- oder Magnesiumhydroxide, die im Brandfall durch Abspaltung von Wasser kรผhlend und gasverdรผnnend wirken.

Holzbauteile selbst werden im Brandfall durch die einsetzende Holzkohlebildung der Oberflรคche, die wie eine Dรคmmung gegen Hitze und Feuer wirkt, geschรผtzt. Aufgrund der geringen Wรคrmeleitung und des geringen Temperaturausdehnungskoeffizienten bleiben sie sehr formstabil und sind gut kalkulierbar. Ganz im Gegensatz zu Stahlbauteilen z.B. in Stahlbeton, die zwar nicht brennbar sind, im Brandfall unter Hitzeeinwirkung aber zum kompletten Versagen (Stahl wird bei Hitze plรถtzlich “weich”) der Baukonstruktion, also zum Einsturz fรผhren kรถnnen. Holzbalken kรถnnen deshalb einem Brand oft lรคnger standhalten, als Stahltrรคger oder Stahlbeton.

Abbrandgeschwindigkeit von Holz

  • Nadelholz ca. 0,5 โ€“ 1,0 mm/min.
    z.B. Fichte 0,8 mm/min.
  • Laubholz ca. 0,3 โ€“ 0,8 mm/min.
    z.B. Buche ca. 0,5 mm/min.

Hohlraumkonstruktionen

Einen besonderen Gefahrenpunkt stellen Hohlraumkonstruktionen wie Installationsschรคchte und Hinterlรผftungsebenen von Fassaden und Dachkonstruktionen dar. Brรคnde in diesen sind durch den sog. “Kamineffekt” in der Regel nur schwer oder gar nicht zu bekรคmpfen und kรถnnen sehr schnell zu groรŸer Schadensausweitung fรผhren, auch wenn der Ursprungsbrand nur klein und lokal begrenzt ist. Tragisches Beispiel hierfรผr ist der Hochhausbrand in London 2017 bei dem sich das Feuer รผber eine hinterlรผftete Aluminiumfassade schnell und ungehindert รผber den ganzen Gebรคudekomplex ausbreiten konnte.

Sogenannte “Brandschutzschotts” aus nichtbrennbaren Materialien in Installationsschรคchten zwischen Geschossen oder Brandabschnitten verhindern die Brandausbreitung erheblich. Bei Gefachkonstruktionen sollten die Dรคmmstoffe dicht anliegend eingebaut werden, auch Innenwรคnde sollten mit Volldรคmmung ausgefรผhrt werden, um eine Brandausbreitung รผber die ungedรคmmten Hohlrรคume zu verhindern. 

Bzgl. Brandschutz klar im Vorteil sind massive Holzbauteile, wie z.B. Brettstapeldecken oder Massivholzwรคnde, die keine Hohlrรคume aufweisen. Im Brandfall verkohlen “nur” die Oberflรคchen (siehe Infokasten), die Bauteile bleiben lange formstabil, eine Brandausbreitung z.B. รผber Hinterlรผftungsebenen bzw. ungedรคmmte Hohlrรคume ist ausgeschlossen, ein Ablรถschen bzw. eine Brandbekรคmpfung ist vergleichsweise einfach.

Fazit

Holz ist und bleibt brennbar. Durch das Verkohlen der Oberflรคche im Brandfall sind Holzkonstruktionen im Brandfall jedoch sehr gut kalkulierbar. Durch einkapseln mit nichtbrennbaren Baustoffen kรถnnen zudem auf einfache Art und Weise brandsichere Oberflรคchen geschaffen werden. Fรผr frei stehende Einfamilienhรคuser mit nur einer Wohneinheit gibt es gemรครŸ Landesbauordnungen kaum Vorschriften zu beachten. Werden die Abstandsflรคchen zu Nachbargebรคuden eingehalten, sind fรผr die Baukonstruktion keine besonderen BrandschutzmaรŸnahmen notwendig. Auch eine AuรŸenwandverkleidung aus normal entflammbaren Baustoffen ist zulรคssig. Viel wichtiger ist hier die Ausstattung mit Rauchmeldern, Feuerlรถschern, die regelmรครŸige Wartung aller technischen Gerรคte und das Freihalten von Flucht- und Rettungswegen von Brandlasten. Zudem macht es Sinn, nicht nur in der Bausubstanz, sondern auch bei der Innenausstattung, Mรถblierung bis hin zu Kleidung und Spielsachen auf Materialien zu verzichten, die im Brandfall giftige Rauchgase emittieren bzw. dichten Rauch erzeugen.

Quellenangaben

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2 Kommentare

  1. Interessant, dass Baustoffe, die leicht entflammbar sind, gar nicht erst fรผr Bauvorhaben genutzt werden dรผrfen. Ich denke gerade รผber Brandschutzkonzepte fรผr mein Eigenheim nach. Ich bin mir aber nicht sicher, ob man als Privatperson so einen groรŸen Fokus darauf legen sollte. Was denken Sie?

    Antworten
  2. Danke fรผr den Artikel.
    รœberall, wo Leime, Kleber, Kunststoffe vorhanden sind, bilden diese im Brandfall potenztiell gefรคhrliche Rauchgase. Egal, ob MDF, HPL, OSB, ESB, Kunststoffdichtungen oder Bauschรคume.
    รœbersehen werden, auch im รถffentlichen Bau, wie in Krankenhรคusern und Altenheimen, gerne die Einrichtungen. Auch Schaumstoffmatratzen, die u.a. wegen des geringen Preises gerne in Krankenhรคusern eingesetzt werden, sind im Brandfall, auch fรผr die Retter, ein nicht zu unterschรคtzendes Risiko.

    Antworten

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Titelbild: Parilov
Bild 1: Fernlehrgang Baubiologie IBN, Kurs 24 “Baurecht โ€“ Normung โ€“ Gรผteprรผfung”
Bild 2: Stephanie Eichler
Bild 3: IBN

Autor
Josef Frey

Josef

Frey

Dipl.-Ing. fรผr Innenarchitektur, Baubiologe und Mitarbeiter im IBN

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