Hotel in Fachwerkhaus
Das Stadthaus in Arnstadt von 1582 ist ein Stockwerkbau, wie er sich seit dem frühen 16. Jahrhundert entwickelt hatte. Beim Stockwerkbau haben die Ständer nur die Höhe einer Etage und werden durch einen Querbalken, den Rähm, abgeschlossen. Das Stadthaus wurde als Wohnsitz eines Großbauern auf einen bestehenden Keller aus dem 15ten Jahrhundert erbaut. Später nutzten es ein Kalkschneider (Bildhauer), eine Gräfin und religiöse Würdenträger. Es war Mädchenschule, Sparkasse und zuletzt Handschuhmanufaktur.
Für diese Nutzung wurde 1903 nördlich ein Industriegebäude zugebaut, später auch direkt an das Fachwerkhaus angebaut. Nach der Wiedervereinigung stand es 15 Jahre leer, bis Judith Rüber und Dr. Jan Kobel das Gebäude-Ensemble erwarben. Nachdem die An- und Zwischenbauten an das Fachwerkhaus aus dem 20. Jahrhundert abgerissen waren, sanierten sie es aufwändig und nach allen Regeln der Kunst. Die starke industrielle Überformung und der Leerstand hatten statische Probleme zur Folge. Doch es gelang, die Häuser in ihrer Struktur und der noch vorhandenen Bausubstanz weitgehend zu erhalten, zu sanieren und zu rekonstruieren. Dabei setzten die Bauherren konsequent auf traditionelle Handwerkskunst und traditionelle Baumaterialien.
In Teilbereichen wurde fast 450 Jahre alter Lehm wieder aufbereitet und eingebaut, ergänzt um neue Hölzer, Lehmbaustoffe, Kalkmörtel, Leinölfarben.
Sichtbares Fachwerk
Ursprünglich als Sichtfachwerk erbaut, war das gesamte Haus bis 1938 verputzt, eine Mode, die im Klassizismus entstand. Seit etwa 1800 passte man städtische Fachwerkhäuser der Erscheinung von mittlerweile üblichen Steinhäusern an, sie wurden verputzt und mit einem einheitlichen Anstrich versehen. Die dem Platz zugewandte Ostfassade zeigt heute wieder ihr Fachwerk, ebenso die Nordfassade.
Heimelige Stube mit Blockbohlen, Bohlendecke und verputzter Stampflehmwand. Die Einscheibenverglasungen sind zu Kastenfenstern energetisch ertüchtigt
Im so genannten großen Barockzimmer, in der Beletage der Gräfin, kann heute wieder historisch gewohnt werden
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Heimelige Stube mit Blockbohlen, Bohlendecke und verputzter Stampflehmwand. Die Einscheibenverglasungen sind zu Kastenfenstern energetisch ertüchtigt2
Im so genannten großen Barockzimmer, in der Beletage der Gräfin, kann heute wieder historisch gewohnt werden
Die Böden im Erdgeschoss sind alle erneuert. Viele Gefache fielen beim Entfernen des Putzes aus der Wand. So war der Weg frei für Experimente. Die Außenwand der so genannten Blockbohlenstube (Bild 1) wurde komplett neu aufgebaut. Sie besteht jetzt aus neuen Hölzern, zwischen die Lehm eingestampft wurde. Auf jede Lage wurde eine Holzleiste gelegt, um sie mit dem Fachwerk zu verbinden. Die äußeren Fenster aus den 1930er Jahren wurden aufgearbeitet und durch innen liegende zweiflüglige Fenster ohne Sprossen zu einem Kastenfenster ergänzt. Für Atmosphäre sorgen hier die handgeschmiedeten Beschläge aus schwarzem Eisen. Die Blockbohlen der Innenwand und die Bohlendecke stammen aus einem Abbruchhaus, entsprechen jedoch bis in die Profilierung der nachweisbaren ursprünglichen Ausstattung. Die Böden im Erdgeschoss waren durch die industrielle Nutzung über 150 Jahre nicht mehr original. Heute liegen hier Muschelkalk und Ziegel im Kalkmörtel. An wenigen Innenwänden konnten Flächen mit historischen Kalkputzen erhalten werden. Hier wurde mit Kalk angeputzt, ansonsten sind alle Wandflächen aus Lehm. Für Arbeiten ohne Putzmaschine kam eigener Lehm aus einer nahen Grube zum Einsatz, etwa für die Reparatur vieler Gefache und die Stampflehmwand. Um ihn leichter und besser dämmend zu machen, wurde mit Sand und Blähglasgranulat gemagert. Lehme von Claytec kamen dort zum Einsatz, wo der Putz maschinengängig sein musste und für die Oberflächengestaltungen.
Historisch wohnen
1697 erwarb Johanna Elisabeth zu Schwarzburg das Gebäude und erweiterte es nach Süden. In der Beletage der Gräfin, im heute so genannten großen Barockzimmer (Bild 2), war der italienische Deckenstuck unter dicken Farbschichten unkenntlich geworden. Die bauzeitlichen drei Kränze waren mit den Wulste bildenden Lehmwickeln der Decke verbunden gewesen. Die Hälfte war heruntergefallen. Ein Restaurator formte sie freihändig nach, so dass heute hier wieder historisch gewohnt werden kann. Auch die Malereien im so genannten Renaissancezimmer sind historisch, da dort die Decken abgehängt gewesen waren.
Fabrikgebäude von 1903
Das zweite Obergeschoss des nördlich vom Fachwerkhaus stehenden Fabrikgebäudes von 1903 sanierten die Bauherren zur Nutzung als ihre eigene Wohnung. Während die ersten beiden Geschosse aus Klinker gemauert sind, besteht das oberste Geschoss aus Fachwerk. Auf der Nordseite ist es außen gedämmt. Des Weiteren erhielt es eine Innendämmung aus Schilfmatten und eine Temperierung der Außenwände (33 – 40 Grad Celsius), die in Lehm eingeputzt wurde. Der Lehm wurde mit der Maschine aufgespritzt. Das erste Obergeschoss (Bild 5) wird nur temporär für Veranstaltungen und als Fotostudio genutzt und erhielt keine Innendämmung. Die Temperierung kam hier direkt auf das vom losen Putz befreite, 60 cm starke Mauerwerk. Auch die Fenster sind momentan noch einfach verglast. Lösungen zur Verbesserung der Dämmung sind in Ausarbeitung. Das Erdgeschoss ist noch unausgebaut. Außen wurde das Gebäude mit Kalkhydrat und Sand verputzt. Dieser handwerklich verarbeitete Putz hat eine wolkig aussehende Oberfläche.
Hotel mit ökologischem Komfort
Heute beherbergt das Fachwerkhaus ein Hotel für Individualisten und Liebhaber ökologischen Komforts und gesunder Lebensweise. Die Mühe, das historische Gebäude einer neuen Nutzung als Hotel zuzuführen, hat sich gelohnt: In der ehemaligen Schwarzküche wird heute gefrühstückt, im enormen Gewölbekeller sind zukünftig Weinverkostungen geplant, die Zimmer sind sorgsam und ökologisch saniert. Das Haus ist zu neuer Blüte erwacht. Sehr zu Recht wurden 2007 einzelne Handwerker und die Bauherren für Ihre Leistungen mit dem Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks ausgezeichnet. Im Jahre 2014 wurde den Eigentümern der renommierte Thüringer Denkmalschutzpreis verliehen, „für die Sicherung, Restaurierung und Belebung des Gebäudekomplexes Stadthaus Arnstadt, ehemalige Möller’sche Handschuhfabrik“.
Blick vom Zubau auf den geschützten Wohnhof des Hotels
Mit zum Ensemble gehört der Zubau der Möller’schen Handschuhfabrik 1903. Das für Veranstaltungen nutzbare Obergeschoss erhielt eine Wandtemperierung
Stimmungsvolle Einheit: Konstruktionshölzer von 1582, ein Treppenhaus von 1700, Böden aus Muschelkalk und wiederverwertete Ziegel sowie neue Lehmoberflächen
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Blick vom Zubau auf den geschützten Wohnhof des Hotels5
Mit zum Ensemble gehört der Zubau der Möller’schen Handschuhfabrik 1903. Das für Veranstaltungen nutzbare Obergeschoss erhielt eine Wandtemperierung6
Stimmungsvolle Einheit: Konstruktionshölzer von 1582, ein Treppenhaus von 1700, Böden aus Muschelkalk und wiederverwertete Ziegel sowie neue Lehmoberflächen
Baudaten
Ensemblestadthaus Arnstadt, 1582
Bauherren | Judith Rüber und Dr. Jan Kobel |
Materialien | Lehm aus eigener Grube mit Sand und Blähglasgranulat; Lehmbaustoffe zur Sanierung von Fachwerkgebäuden, Claytec; Kalkprodukte, Solubel und Maxit; Leinölfarben, Ottosson Temperierung der Außenwand (2. OG Fabrikgebäude, 1903): Schilfmatten, 5cm als Innendämmung, Kupferrohre und Alu-Verbund-Rohre, Vorspritz mit Lehm, Grundputz auf den Rohren abgezogen, Armierungsgewebe aus Fiberglas, Feinputz |
Kontakt | www.stadthaus-arnstadt.de |
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