Masterarbeit – Baubiologische Untersuchung von Stroh als Baustoff
Nachwachsende Rohstoffe speichern Kohlendioxid รผber einen langen Zeitraum, welche sie beim Wachsen aufgenommen haben und leisten hierbei ihren Beitrag zum Klimaschutz. Einer dieser nachwachsenden Baustoffe ist Stroh. Er benรถtigt wenig Energie in der Herstellung und verfรผgt รผber eine gute รkobilanz. Der Einsatz des Baustoffes fรผhrt zu einer CO2-Reduktion im Bauwesen. Vor diesem Hintergrund hat er mein Interesse geweckt und ich wollte mich nรคher mit dem Baustoff beschรคftigen. Im Rahmen meiner Masterarbeit an der Hochschule Augsburg hatte ich die Gelegenheit dazu. Nach intensiver Recherche kann ich bestรคtigen, dass er eine gute Alternative zu konventionellen Baustoffen ist und ich nach wie vor begeistert bin.
Stroh als Baustoff
Unter der Bezeichnung โStrohโ versteht man gedroschene und trockene Halme und Stรคngel von faserigen Feldfrรผchten und Faserpflanzen. Durch die wachsartige, wasserabweisende Auรenschicht der Halme ist Stroh unempfindlich gegenรผber schรคdlichen Einflรผssen von auรen. Es besitzt eine rohrfรถrmige Struktur, welche eine hohe Elastizitรคt und Reiรfestigkeit der Halme bewirkt. Ein hohes Dรคmmvermรถgen der Strohhalme kommt durch die eingeschlossene Luft in den Hohlrรคumen zustande. Aufgrund dieser und weiterer guter bauphysikalischer Eigenschaften gewinnt der Baustoff Stroh in der heutigen Zeit immer mehr an Bedeutung. Er ist ein jรคhrlich nachwachsender Rohstoff und ein Nebenprodukt aus der Landwirtschaft. Beim Einsatz im Gebรคude bietet er den Vorteil, dass er am Ende seiner Nutzung wieder dem natรผrlichen Kreislauf zugefรผhrt oder energetisch genutzt werden kann. Durch sein natรผrliches Vorkommen speichert er, wie alle anderen nachwachsenden Rohstoffe, Kohlendioxid. Ebenfalls wird bei der Herstellung und fรผr den Transport auf die Baustelle im Vergleich zu anderen Materialien nur wenig Energie benรถtigt.
Umfrage zu รถkologischen Baustoffenย
Um mehr รผber den Wissensstand der Bevรถlkerung zu รถkologischen Baustoffen zu erfahren, fรผhrte ich zu Beginn der Arbeit eine Umfrage durch. Dazu nahmen deutschlandweit 258 Teilnehmer aus allen Alters- und Berufsgruppen teil. Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Bevรถlkerung gut รผber รถkologische Baustoffe informiert ist und viele Teilnehmer mehrere Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen nennen kรถnnen. Auffallend war auch, dass junge Menschen (20-30 Jahre) gut informiert sind. Die Rรผckmeldungen zu Stroh waren sehr positiv. Etwa 67 % der Befragten ist er als Wรคrmedรคmmung im Gebรคude bekannt. Sogar mehr als die Hรคlfte wรผrden ihn als Wรคrmedรคmmung einsetzen. Die anderen Teilnehmer haben u.a. Bedenken bezรผglich Brandschutz, Schimmelproblemen in Folge von Feuchtigkeit und tierischen Schรคdlingen.
Teilnehmer | 258 |
weiblich | 39 % |
mรคnnlich | 61 % |
Alter | < 20 (4,5%) 20-30 (49%) 30-40 (16%) 40-50 (13,5%) 50-60 (14,5%) > 60 (2,5%) |
Berufsgruppen | Baugewerbe, Wirtschaft, Finanzwesen, Rechtswesen, Elektrotechnik, Gesundheit/Medizin, Landwirtschaft, Sozial, der Wissenschaft und Forschung, Verwaltung, Handwerk, Handel, Grafikdesign, Kunst, Verkehrsluftfahrt, Industrie |
Bauphysikalische Eigenschaften
Die genannten Vorurteile der Umfrageteilnehmer sind weitgehend unbegrรผndet, wie viele in den letzten Jahren durchgefรผhrte bauphysikalische Untersuchungen bestรคtigen.Bezรผglich Brandschutz konnten eindeutige Ergebnisse erzielt werden: Bei einem Strohballen wird die Sauerstoffversorgung infolge des dicht gepressten Strohs gehemmt. Aus diesem Grund wurde der Baustoff in die Baustoffklasse B2 (normal entflammbar) eingeordnet. Bei einer Strohballenwand mit beidseitig 8 mm Lehmputz ist das Brandverhalten nochmals besser. Diese Konstruktion wird in die Baustoffklasse B1 (schwer entflammbar) eingeordnet. Abhรคngig von den baukonstruktiven Details erreicht eine strohgedรคmmte Wand Feuerwiderstandsklassen von F30 bis F120.
Hinsichtlich des Feuchteschutzes ist nach kanadischen Prรผfergebnissen der Feuchtegehalt in der Praxis gering genug, um die volle Dรคmmwirkung des Strohs zu gewรคhrleisten. Bei der Herstellung ist lediglich darauf zu achten, dass der ideale Feuchtegehalt von Stroh unter 13% liegen sollte. Hierbei sollte das Stroh richtig gelagert werden und keiner Feuchtigkeit ausgesetzt sein. Diese kann vor dem Einbau mit entsprechenden in der Landwirtschaft รผblichen Strohballen-Feuchtigkeitsmessern รผberprรผft werden.
Um die Bestรคndigkeit auf Nagetiere und Insekten zu รผberprรผfen, wurden bereits diverse Tests bei bestehenden Strohballenhรคusern durchgefรผhrt. Dabei konnte man keine Schรคden nachweisen. Da die Strohballen eng gepresst sind und die Zwischenrรคume kleiner als bei konventionellen Dรคmmstoffen sind, bietet es fรผr die Nagetiere und Insekten keine Mรถglichkeit, sich dort aufzuhalten. Sicherheitshalber sollte dennoch durch konstruktive Maรnahmen darauf geachtet werden, Stroh vor Nagetieren und Insekten zu schรผtzen. Einen guten Schutz bieten beispielsweise Putzschichten.
Untersuchung auf Risikostoffeย
Im Rahmen meiner Masterarbeit wurden Strohproben von verschiedenen Herstellern aus รsterreich und Deutschland in dafรผr spezialisierten Laboren auf Pestizide und Schimmelsporen untersucht. Ziel war es, einen mรถglichen Unterschied aus รถkologischer und biologischer Herkunft herauszuarbeiten. Als Maรstab fรผr die Bewertung von Pestiziden (hier Herbizide, Insektizide und Fungizide) wurden die Richtwerte der Baubiologischen Messtechnik (SBM) herangezogen. Diese sind Vorsorgewerte und basieren auf dem aktuellen baubiologischen Erfahrungs- und Wissensstand. Die Ergebnisse waren sowohl bei Stroh aus biologischer Landwirtschaft, als auch aus konventioneller Landwirtschaft meist โunauffรคlligโ (< 1 mg/kg). Dieses Ergebnis ist vermutlich auf Mittel zurรผckzufรผhren, die lokal an der Pflanze wirken und nicht in die Pflanze eindringen (selektive und lokale Mittel).
Die Untersuchung auf Schimmelsporen ergab, dass diese je nach Anbaugebiet und -bedingungen variieren. In Deutschland wurden teilweise Schimmelsporen nachgewiesen, die in รsterreich nicht vorgefunden wurden und umgekehrt. Ebenfalls wurden in der biologischen Landwirtschaft Schimmelsporen nachgewiesen, die in der konventionellen Landwirtschaft nicht vorgefunden wurden.
Forschungsprojekt
Aus toxikologischer Sicht ist ein Baustoff bedenklich einzuordnen, wenn er den Innenraum in Form von Ausgasungen oder Staub belastet. Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurde ein Kubus in Holzstรคnderbauweise mit Strohdรคmmung erstellt. Strohproben der dort eingesetzten Dรคmmung wurden ins Labor geschickt und auf Pestizide untersucht. Zudem wurden Hausstaubproben entnommen und auf die im Stroh nachgewiesenen Pestizide untersucht. Das Ergebnis war erwartungsgemรคร gut. Von 8 Wirkstoffen im Stroh wurde nur einer nachgewiesen und dies im โunauffรคlligenโ Bereich (< 1 mg/kg).
Fazitย
Bei meiner Masterarbeit hatte ich die Mรถglichkeit, mich intensiv mit dem รถkologischen Baustoff Stroh zu beschรคftigen. Es hat mir sehr viel Freude bereitet und meine Ergebnisse haben bestรคtigt, dass Stroh ein guter รถkologischer Baustoff ist, welcher zukรผnftig noch mehr an Bedeutung gewinnen sollte.
Hiermit mรถchte ich mich nochmals an alle Unterstรผtzer bedanken, ohne die diese Arbeit nicht mรถglich gewesen wรคre. Mein besonderer Dank fรผr die gute Zusammenarbeit und Unterstรผtzung geht an meine BetreuerInnen Frau Prof. Susanne Runkel und Herrn Prof. Joachim Mรผller von der Hochschule Augsburg, Studiengang E2D sowie an Winfried Schneider vom Institut fรผr Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN. Falls ich Ihre Begeisterung ebenfalls geweckt habe und Sie das Interesse an dem Baustoff gefunden haben und mehr darรผber erfahren wollen, kรถnnen Sie meine Masterarbeit gerne bei mir unter folgender E-Mail-Adresse anfordern: Eyleen.Goebel@gmail.com
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5 Kommentare
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รber die Baubiologie
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Wir mรถchten uns bei Eyleen Gรถbel herzlich bedanken, dass Sie dieses Thema wissenschaftlich bearbeitet hat und somit weitere fundierte Argumente fรผr diesen zukunftstrรคchtigen Bau- und Dรคmmstoff sprechen. Wir sehen uns mit zertifizierten Bio-Baustrohballen und Bio-Einblasstroh auf unserem Weg bestรคtigt und es war uns eine Freude, etwas Input beizusteuern. Weiterhin viel Erfolg und alles Gute aus รsterreich!
Reinhard Appeltauer, SonnenKlee
Gratulation!
Wir gratulieren Eyleen Gรถbel zu dieser Masterbeit und freuen uns, dass wir diese fachlich mit betreuen durften. Diese Masterarbeit ist ein wichtiger Baustein, um baubiologischen Baustoffen aus nachwachsenden und meist regional verfรผgbaren Rohstoffen โ hier Stroh โ zu mehr Akzeptanz und Marktanteil zu verhelfen. Institut fรผr Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN
Ein groรes Dankeschรถn nochmals an das IBN. Die gute Zusammenarbeit hat mir sehr viel Freude bereitet. Alle Mรผhen haben sich gelohnt und es freut mich sehr zu hรถren, meinen Teil fรผr Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen geleistet zu haben.
Vielen Dank fรผr diese interessante Arbeit! Interessant ist, das die Kunden gegenรผber natรผrlichlichen Materialien soviel mehr Bedenken haben als zum Beispiel gegen petrochemische. Hier findet, auch angegetrieben durch die Klimadiskussion, aber zum Glรผck aktuell ein starker Wandel statt . Weiter so!
LG
Marcel Burgstaller
ISTRAW
Vielen Dank fรผr Ihre Rรผckmeldung. Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Zukรผnftig wรคre das die richtige Richtung und ich fรคnde es super, wenn nachhaltige Baustoffe noch mehr an Bedeutung gewinnen.