Wärmedämmverbundsystem ohne Biozide
Neue oder modernisierte Fassaden sollen für lange Zeit sauber und algenfrei bleiben. Mineralische Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) stellen durch natürliche Rohstoffe die Hemmwirkung gegen Algen- und Pilzbewuchs sicher, ohne dass umweltschädigende Biozide eingesetzt werden müssen. Die Wirkung wird unterstützt, wenn WDVS mit einem gut saugfähigen mineralischen Oberputz als Pufferspeicher und Silikatfarben als hydroaktiver Schlussbeschichtung ausgerüstet werden.
Sichtbare Schmutzablagerungen schon nach kurzer Zeit und bald darauf die Ansiedlung von Mikroorganismen auf wärmegedämmten Fassaden sind weit mehr als nur ein Ärgernis. Sie können als optischer Mangel für Planer oder Handwerker schnell Gegenstand handfester Auseinandersetzungen um Gewährleistungspflichten werden. Die Gründe für die zunehmende Belastung von Fassaden durch Algenbewuchs sind vorwiegend in der Veränderung der Oberflächenfeuchteverhältnisse durch zunehmende Wärmedämmung zu suchen.
Die Ursachen
WDVS reduzieren den Heizenergieverbrauch, weil weniger Wärme durch die Außenwände verloren geht. Die Systeme haben sich im Sinne der Energieeffizienz von Gebäuden bewährt. Durch die bestimmungsgemäße Funktion der WDVS kommt außen weniger Wärme von innen an, die äußeren Fassadenoberflächen kühlen stärker aus und bleiben damit länger feucht. Das feuchte Mikroklima bietet günstige Voraussetzungen für das Anhaften von Schmutzpartikeln und die Ansiedlung von Mikroorganismen, unter denen neben Pilzen vor allem Algen eine bedeutende Gruppe bilden, weshalb oft auch kurz von der ‚Veralgung der Fassade’ gesprochen wird.
Biozide: auswaschbar und umweltproblematisch
Der häufig unternommene Versuch, dem Bewuchs mit bioziden Ausrüstungen der Oberflächen zu begegnen, hilft zwar, den Vorgang etwas hinauszuzögern, kann aber insgesamt nur einen vorübergehenden Schutz bieten, denn die Biozide sind auswaschbar und damit verliert der Oberputz innerhalb weniger Jahre seinen Schutz. Diese Anti- Algen- oder Anti-Pilzmittel sind Gifte, die für ihre Wirksamkeit notwendigerweise wasserlöslich sein müssen. Dadurch werden sie aus der Fassadenbeschichtung ausgewaschen und reichern sich in der Umwelt an. Biozidfreie Bauweisen sollten daher unbedingt angestrebt werden, denn Biozide werden weder in der natürlichen Umwelt, noch in Kläranlagen abgebaut. Allein für Deutschland bedeutet dies einen jährlichen Schadstoffeintrag von rund 5.000 t. Am Gebäude hingegen sind die Giftdepots meist innerhalb von etwa zwei bis drei, manchmal auch erst nach sechs Jahren ausgewaschen, sind dann aber schon deutlich unter der Wirksamkeitsgrenze. Danach kommt es entweder doch zu einem Bewuchs oder es wird einneuer biozider Anstrich mit seinen abermaligen Umweltfolgen vorgenommen.
Hoch hydrophobe Ausrüstung des Oberputzes: Ein Irrweg
Ein anderer Teil der bisherigen Strategie gegen die Veralgung von Fassaden ist die Beschichtung der WDVS mit stark wasserabweisenden (hydrophoben) Kunstharzputzen und Dispersionsfarben. Dies soll zu Abperleffekten und einer Selbstreinigung nach dem Lotus-Prinzip führen. Das soll zu einer schnelleren Trocknung der Oberflächen führen, was sich aber in der Praxis nicht nachweisen lässt. Im Gegenteil: Die Grundlagenforschung am Fraunhofer Institut für Bauphysik in Holzkirchen zeigt, dass hydrophobe Oberflächen länger feucht sind als solche mit angepasster Saugfähigkeit. Denn die jährliche Feuchtebelastung der Fassaden durch Tauwasser ist viel größer als diejenige durch Schlagregen.
Speziell an den morgendlichen und abendlichen Übergängen zwischen Tag und Nacht sowie in den Übergangsjahreszeiten Frühling und Herbst steht das Tauwasser für viele Stunden in feinen Tropfen auf wasserabweisenden Fassadenoberflächen. Mikroorganismen finden dann ausgezeichnete Lebensbedingungen vor und können entsprechend gut wachsen.
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Beim Einsatz von Mineraldämmsystemen wie Multipor kann auf die umweltbelastenden und ohnehin nur befristet wirkenden Biozide komplett verzichtet werden2
WDVS-Systemaufbau mit Wärmedämmplatten als Calziumsilikat – hier Multipor-Mineraldämmplatte von Xella
Hydroaktive Oberflächen trocknen schneller
Mehr Erfolg zeigt hingegen die Rückbesinnung auf die bewährten rein mineralischen Oberflächen. Wie Forschungen zeigen, reduzieren solche Systemaufbauten von Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) das Risiko der Verschmutzung und Algenbildung auf der Fassade erheblich. Und dies ganz ohne den Einsatz umweltschädigender Biozide! Denn die hydroaktiven mineralischen Oberflächen trocknen schneller und entziehen den Mikroorganismen mit dem Wasser ihre Lebensgrundlage.
Ein solcher hydroaktiver Aufbau lässt sich mit diffusionsfähigen und hygroskopischen Wärmedämm-Materialien wie z. B. Calziumsilikathydrat- oder Holzweichfaserplatten, einem mineralischen Oberputz sowie einem Anstrich mit Silikatfarbe herstellen. Im Markt sind derzeit entspr. Dämmplatten mit einer Wärmeleitfähigkeit von ca. 0,045 W/(mK) verfügbar, die durch ihre vergleichsweise hohe Masse eine gute Wärmespeicherung bieten und damit den Prozess der Austrocknung zusätzlich unterstützen.
Das Fazit von Experten lautet darum: „Eine niedrige Wasseraufnahme ist zwar wünschenswert, wichtiger ist aber die schnelle Abtrocknung der Oberfläche. Diese wird begünstigt durch saugfähige Oberflächen mit hydroaktiven Eigenschaften und niedrigem Diffusionswiderstand, wobei Beschichtung und Putzaufbau als Einheit zu betrachten sind. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass stark saugfähige mineralische Oberflächen, die mit reiner Silikatfarbe gestrichen werden, in der Regel von Mikroorganismen frei bleiben.“ Auch die gute Benetzbarkeit solcher Oberflächen spielt eine große Rolle, weil Partikel und Keime besser abgespült werden als von hydrophoben Oberflächen.
Abgestimmte Saugfähigkeit schützt gegen Algen
Die Feuchtigkeit aus Schlagregen oder Tauwasser wird in den kapillaraktiven Oberputz aufgesaugt und dort wie in einem Pufferspeicher zwischengelagert. Anders als bei hydrophoben Oberflächen spreitet jeder Tropfen stärker, fließt also von der klassischen Kugel- in eine breitere Linsenform, was die Oberfläche vergrößert und damit auch die Verdunstung der Feuchtigkeit beschleunigt. Durch die sich überlagernden Prozesse der Absorption und der Verdunstung steht auf der Oberfläche kein Wasser zur Verfügung, das die Schmutzanhaftung und die Ansiedlung von Mikroorganismen fördern könnte.
Die reduzierte Wasseraufnahme des Armierungsmörtels im WDVS stellt sicher, dass die im Oberputz gepufferte Feuchtigkeit nicht in die Dämmschicht dringen kann. Stattdessen trocknet der Oberputz in regen- und taufreien Perioden des Tages nach außen wieder aus. Es ist also gerade die Kombination aus genau abgestimmter Saugfähigkeit und kapillarer Aktivität aller Komponenten, die zum hydroaktiven, schnell trocknenden und damit bewuchshemmenden Effekt führt. Auf die umweltbelastenden und ohnehin nur befristet wirkenden Biozide kann auf diese Weise komplett verzichtet werden.
Wärmespeichernd, druckfest und „spechtsicher“
Vergleichsweise relativ schwere Dämmplatten unterstützen die Trocknung der Oberflächen aktiv. Denn sie weisen mit ihrer hohen Masse gleichzeitig ein hohes Wärmespeichervermögen auf. Die gespeicherte Wärme, z. B. aus der Sonneneinstrahlung, erhöht die Temperatur der äußeren Oberfläche des WDVS und fördern damit zusätzlich die Verdunstung von Feuchtigkeit.
Die hohe Rohdichte – je nach System ca. 100–200 kg/m3 – sorgt zudem für einen druckfesten, monolithischen Systemaufbau, der beim „Klopftest“ wie eine massive Wand klingt. Spechtschäden werden nahezu ausgeschlossen und auch Nager beißen sich an dem massiven Dammmaterial die Zähne aus.
Vor allem Mineraldämmplatten sorgen nicht nur für einen zeitgemäßen Wärmeschutz für Außenwände, sondern sorgen auch für hohen Brandschutz. Vollmineralische Dämm-Systeme gehören zur Baustoffklasse A und sind nicht brennbar. Der stabile Aufbau von vollmineralischen Wärmedämmverbundsystemen sorgt so im Zusammenspiel mit dem Brandschutz und dem giftfreien Schutz gegen Verschmutzung und Mikroorganismen für funktional und optisch lang anhaltende Fassaden. Damit sind wärmegedämmte Fassaden gemäß den heutigen Anforderungen möglich, die gleichzeitig Anforderungen an die Unbedenklichkeit für die Umwelt und die menschliche Gesundheit erfüllen, wie z. B. die natureplus-Zertifizierung oder die Umwelt-Produktdeklaration (EPD) des Instituts Bauen und Umwelt beweisen. Auf Basis der EPD-Angaben können die Mineraldämmplatten für das zeitgemäße Bauen mit zertifizierter Nachhaltigkeit, etwa nach DGNB oder BNB, verwendet werden.
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Eine sehr schöne Alternative, vielen Dank für den Beitrag.
Könnte ich dieses System auch im bewohnten Keller nutzen? Ich könnte mir vorstellen, dass es günstiger ist als Schaumglasdämmplatten. Die hohe Festigkeit wäre auch von Vorteil gegen Beschädigung durch Erdreich/Verfüllmaterial und es könnte ohne irgendwelche Schutzfolien eingebaut werden. Dann wäre es aber wohl besser, die Kellerwand selbst wasserdicht zu beschichten und das System ohne Mörtel einfach vorzusetzen, oder? (statt als WDVS mit außenliegender Dichtigkeitsschicht?)
Sehr geehrter Herr Michels,
schön wär’s, als Perimeterdämmung, also als Wärmedämmung gegen Erdreich kann Calziumsilikat aber leider nicht verwendet werden, weil hier aufgenommene Feuchtigkeit nicht austrocknen kann. Allerdings eignet sich Wärmedämmung aus Calziumsilikatplatten (dafür gibt es mehrere Hersteller) oft sehr gut als Innendämmung auch in bewohnten Kellern, soweit diese wie Wohnräume regelmäßig gelüftet und temperiert werden. Mehr hierzu finden Sie in diesen Beiträgen (die allerdings eher für Fachleute geeignet sind):
Innendämmung und Bauphysik
Innendämmung und Schutz vor tauwasserbedingten Feuchteschäden