Magnetische Wechselfelder und ihre Ursachen
Immer wieder trifft man bei Messungen in Gebäuden auf magnetische Wechselfelder, deren Ursachen nicht in Hochspannungs- oder Dachständerleitungen, Trafostationen oder Erdkabeln liegen, sondern die hausintern durch eine nicht zeitgemäße Elektroinstallation verursacht werden.
Durchfließt ein Wechselstrom einen Leiter, so entsteht ein Magnetfeld, dessen Feldlinien sich im Bezug auf die Flussrichtung des Stromes dem Uhrzeigersinn entgegengesetzt rund um den Leiter ausbilden. Die Feldlinien verlaufen in konzentrischen Kreisen und sind in sich geschlossen.
Wird nun direkt neben diesem Leiter ein zweiter Leiter mit dem Rückstrom in gleicher Stärke geführt, so heben die sich entgegengesetzt orientierten Feldlinien großenteils auf. Dies ist zum Beispiel bei jedem Verlängerungskabel der Fall. In der Elektrotechnik wird der Hinleiter als Außenleiter und der Rückleiter als Neutralleiter (früher Nullleiter) bezeichnet.
Betrachtet man die gebäudeinterne Elektroinstallation, so sind zwei grundlegende Formen zu unterscheiden: Das TN-C-Netz und das TN-S-Netz, wobei die Kombination dieser beiden Formen als TN-C-S-Netz eine Mischvariante darstellt. Der Rückstrom vom Verbraucher fließt im TN-C-Netz über den PEN-Leiter, im TN-S-Netz über den Neutralleiter (N-Leiter). Der PEN-Leiter (Schutz- und Neutralleiter) hat wie der PE-Leiter eine Schutzfunktion, die zwangsläufig dazu führt, dass es an mehreren Stellen im Gebäude mit allen metallenen Rohr- und Gebäudesystemen zur Verbindung kommt.
Kommt es nun im TN-C-System zu einer Verbindung des PEN-Leiters mit den vorgenannten metallenen Systemen oder im TN-C-S-System zu einer Verbindung des PE-Leiters mit seiner Verbindung zum N-Leiter, so besteht die Gefahr, dass sich ein Parallelweg bildet und ein Teil des Neutralleiter-Stromes über diese metallenen Systeme fließen kann. Wenn beispielsweise auf dem stromführenden Hinleiter 5 Ampere (A) Strom fließen und auf dem Rückleiter nur 4 A, dann resultiert ein Fehlstrom von 1 A. Dieser verursacht in 1 m Abstand rund 200 Nanotesla (nT) magnetische Flussdichte.
Durch diese Fehlströme können metallene Rohr- und Gebäudesysteme sowie Abschirmungen, Schirmungen von Kabeln oder auch komplette informationstechnische Anlagen zu Parallelstrompfaden für den Betriebsstrom des PEN-Leiters werden.
Beispiel 1: Kinderbett und Fehlströme auf einer Fernwärmeleitung
Bei der Überprüfung des Schlafplatzes eines Kleinkindes wurden bis zu 1.500 nT (Nanotesla) magnetische Flussdichte im Bettbereich festgestellt. Eine Langzeitmessung mit ESTEC-Datenloggern und Stromessschlaufen bzw. -zangen ermöglichte sowohl die Erfassung der magnetischen Wechselfelder im Kinderbett als auch der Fehlströme auf der Hauptstromleitung und den Fernwärmeleitungen: Es zeigten sich eindeutige zeitliche Zusammenhänge. Die Höhe des Fehlstroms auf der Hauptstromleitung war in nahezu gleicher Stärke auf beiden Fernwärmerohren messbar.
Als Ursache wurde die Schutzpotenzial-Ausgleichsleitung zwischen der Potenzialausgleichsschiene im Sicherungskasten und dem Wärmetauscher ausgemacht, auf der ein Teil des Rückstromes (in Abbildung 1 z. B. 1 A) vom N-Leiter zum Fließen kam und sich größtenteils über den Wärmetauscher, den Vor- und Rücklauf der Fernwärme, irgendwo außerhalb des Gebäudes seinen Weg zur Stromquelle gesucht hat. Dieses Kabel wurde an der Kellerdecke unterhalb des Kinderzimmers geführt.
Abhilfemaßnahmen
Zur Unterbindung des Stromflusses über die Fernwärmerohre wurden elektrisch isolierende Rohrverbindungen der Firma Kyburz / INRAG direkt nach den Kugelhähnen beim Eintritt der Fernwärmeleitungen in den Keller eingebaut (Abbildung 2).
Vor und während der Umbaumaßnahmen wurden im Kinderzimmer die magnetischen Wechselfelder erfasst. Somit konnte der Erfolg der durchgeführten Maßnahme sehr gut dokumentiert werden (Abbildung 3).
Die noch verbleibenden Restfelder waren auf den Anschluss des Schirms des Kabelfernsehens an das Schutzpotential zurückzuführen. Über diesen konnte ein Teil des Rückstromes aus dem Haus fließen. Nach Einbau eines Mantelstromfilters wurde auch dieser ungewollte Strompfad unterbunden.
Beispiel 2: Hausanbau und Fehlströme auf einer Gasleitung
An ein bestehendes Haus (Haus 1) wurde ein zweites Haus (Haus 2) angebaut.
Die Stromversorgung erfolgte von Haus 1 zu Haus 2 über ein Kabel unter dem Dachfirst, die Wasserversorgung wurde über ein Kunststoffrohr und die Gasversorgung über ein Kupferrohr realisiert.
Weil das Haus 2 über keinen eigenen Fundamenterder verfügte, hatte die zuständige Elektrofachkraft zwischen den beiden Schutzpotentialausgleichen vom Haus 2 und Haus 1 einen Potenzialausgleichsleiter verlegt und das Haus 2 somit an den Fundamenterder des Hauses 1 angeschlossen. Dieser Potenzialausgleich wurde nur zum Teil parallel mit dem 4-adrigen Stromkabel bis zum Haus 1 verlegt.
Im Rahmen von routinemäßigen Langzeitmessungen wurden die magnetischen Wechselfelder an 5 Messpunkten gleichzeitig erfasst. In einem Kinderzimmer wurden bis zu 550 nT in der Spitze, im Wohnzimmer in der Nähe des Kachelofens bis zu 3.300 nT ermittelt.
Abhilfemaßnahme
Zur Unterbindung des Stromflusses über den separat gezogenen Potenzialausgleichsleiter wurde dieser entfernt und das Haus erhielt eine eigene Erdung. Im Haus 2 wurde in die Gasleitung ein Isolierstück eingesetzt. Ab diesem Zeitpunkt waren keine Fehlströme mehr auf der Hauptstromleitung messbar und die magnetischen Wechselfelder waren in der Nähe des Kamins von 3.300 Nanotesla auf 200 Nanotesla in der Spitze abgefallen (Abbildung 4). Diese wurden durch Fehlströme auf den Erdkabeln vor dem Haus 1 verursacht.
Empfehlungen
Es wird generell empfohlen, alle elektrisch leitfähigen Verbindungen bei Versorgungsleitungen wie Wasser, Gas oder Fernwärme durch Isolierstücke zu unterbrechen. Bei Kabelschirmen von Telefon- und Kabel-TV-Leitungen empfehlen sich Mantelstromfilter. Dadurch können keine Ströme der hauseigenen Elektroinstallation mehr über diesen Weg das Haus verlassen oder über diesen in das Haus eindringen.
Wichtig: Wenn TN-S Netze auch nach Umbaumaßnahmen weiterhin Fehlströme aufweisen, dann ist die Elektroinstallation NICHT VDE-gerecht und muss durch eine Elektrofachkraft überprüft werden!
Beispiel 3: Arbeitsplatz und Differenzströme durch TN-C-Netze
Bei Arbeitsplatzmessungen in einer Steuerkanzlei oberhalb einer Bank wurden stark schwankende magnetische Wechselfelder mit Spitzenwerten bis zu 1.600 nT und Mittelwerten um 900 nT ermittelt. Die Stromleitungen waren auf einer Kabelbühne an der Decke der Bank, unterhalb der Arbeitsplätze der Mitarbeiter des Büros im 1. Obergeschoss, geführt.
Interessant waren Zeitbereiche mit erhöhten bzw. niedrigeren Werten. Als Ursache hierfür konnte während der heißen Julitage das Ein- und Ausschalten der Klimaanlage ermittelt werden: je heißer es wurde, umso länger musste gekühlt werden. Vom Stromzähler im Keller bis zur Unterverteilung 1 (UV 1) in der Bank im Erdgeschoss war ein 4-adriges Kabel als TN-C Leitung verlegt. Laut Aussage des zuständigen Elektrounternehmers, der gleichzeitig auch Mitglied im Aufsichtsrat der Bank war und weder an einer Kooperation noch an einer Lösung des Problems Interesse hatte, war von der UV 1 bis zur UV 2 ein 5-adriges Kabel verlegt worden. Eine Kontrolle ergab, dass das Kabel auf der UV 1 Seite 5-adrig, auf der UV 2 Seite aber nur 4-adrig angeschlossen war. Durch den korrekten Anschluss des 5-adrigen Kabels sank die mittlere Belastung von 900 nT auf 120 nT, die Spitzenwerte sanken von 1.400 auf 800 nT.
Warmwasserboiler und eine Brücke
In den Messungen nach dem Umbau traten jedoch immer noch zeitweise Spitzenwerte auf, die um ca. 700 nT höher als die durchschnittliche Belastung von 100 nT waren. Sie traten bei Benutzung der Warmwasserboiler im Toilettenbereich auf.
Im Rahmen einer weiteren Überprüfung der Elektroanlage wurde festgestellt, dass in der UV 2 eine Brücke zwischen der Schutzleiter- und Neutralleiterschiene vorhanden war, obwohl die Elektrofachkraft dies verneint hatte.
Nach rund einem Jahr zwischen der ersten und letzten Messung, vielen Telefonaten und Gesprächen, Widerstand seitens des Elektrounternehmers, Umbauarbeiten und einigen unbezahlten Stunden konnte das Projekt im eigenen Interesse abgeschlossen werden. An dieser Stelle sei für die tatkräftige Unterstützung durch Herrn Mennekes von der Firma ESTEC gedankt.
Das Ergebnis lässt sich sehen: die magnetischen Wechselfelder lagen nunmehr zwischen 20 und 100 nT.
Empfehlungen
Elektroinstallationen müssen gemäß VDE als TN-S-Netze ausgeführt werden. Trotz Fehlerstromschutzschaltern bestehen noch Möglichkeiten für Fehlströme. Die Suche nach Brücken zwischen PE- und N-Leitern kann bisweilen sehr zeit- und kostenintensiv sein. Hier ist die für die Elektroanlage zuständige Fachkraft unbedingt hinzuzuziehen. Werden letztendlich alle Brücken beseitigt, so wird man mit entsprechend niedrigen magnetischen Flussdichten belohnt!
Weiterführende Informationen
Im Rahmen des Workshops „Magnetische Wechselfelder: Netzformen der Energieversorgung und ihre Auswirkungen auf Fehl- und Ausgleichsströme“ werden diese Situationen an praxisnahen Modellen durch die Teilnehmer geübt. Der Workshop wird von der „Iphöfer Messtechnik Seminare IMS“ in Kooperation mit dem „Berufsverband Deutscher Baubiologen VDB e.V.“ durchgeführt.
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