Tasterfunk

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Schalter- und "Taster-funk-tion" genau unter die Lupe genommen: Unter baubiologischen Aspekten steht man Funkanwendungen grundsätzlich skeptisch gegenüber, zumal heutzutage fast kein elektrisches Gerät mehr ohne Funkanbindung auszukommen scheint wie z. B. Kaffeemaschinen oder Durchlauferhitzer mit WLAN, elektrische Zahnbürsten mit Bluetooth usw. Kann aber eine Funkanwendung manchmal doch weniger feldintensiv sein als eine – auf den ersten Blick – funkfreie Technik?

Autor

Dr.-Ing. Martin H.

Virnich

Dipl.-Wirtsch.-Ing., Mönchengladbach, ist Elektroingenieur, Baubiologe und Baubiologischer Messtechniker IBN, Sachverständiger für EMF/EMVU und Gründungsmitglied des VDB e.V.

Zum Schalten fest installierter elektrischer Geräte/Verbraucher, wie z. B. Wand- und Deckenleuchten, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten. Bei der konventionellen Methode liegt der Schalter direkt im Strompfad des Verbrauchers; Schaltleitung und Energieleitung sind identisch (Abb. 1a). Bei der zweiten Methode sind Schaltleitung und Energieleitung getrennt; das einfachste Beispiel hierfür sind Taster, die ein Stromstoßrelais ansteuern, welches dann direkt am Verbraucher den Stromfluss schaltet (Abb. 1b). Dies ist eine schon lange bekannte und übliche Technik, wenn es möglich sein soll, einen Verbraucher an einer Vielzahl von Stellen zu schalten, wie z. B. die Beleuchtung in einem längeren Flur oder Treppenhaus. Diese Trennung von Schalt- und Energieleitung ist auch das Grundprinzip in den neuerdings vermehrt eingesetzten Bus-Systemen (z. B. KNX); hier befindet sich das Relais häufig an zentraler Stelle im Verteilerschrank, der auch die Sicherungsautomaten beinhaltet. Der Auslösestrom über den Taster ist wesentlich niedriger als der Betriebsstrom des geschalteten Verbrauchers.

Beiden Techniken ist aber gemeinsam, dass für die Verlegung der Leitungen „Schlitze geklopft“ werden müssen und eine nachträgliche Veränderung oder Ergänzung (z. B. um zusätzliche Schaltstellen) aufwändig und mit Schmutzarbeiten verbunden ist. Dieser Nachteil lässt sich durch den Einsatz von Funktastern vermeiden, denn die marktüblichen Wand-Funktaster lassen sich überall bequem und schnell auf nahezu allen Untergründen aufkleben oder anschrauben (Abb. 1c und Abb. 2). Die zur Erzeugung des Funksignals benötigte geringe Energie wird von einem Piezokristall beim Betätigen des Tasters bereitgestellt, es ist somit kein Netzanschlussund keine Batterie erforderlich und das Ganze ist wartungsfrei. Für die Energieversorgung solcherart autarker Sensoren wurde der Begriff „Energy Harvesting“ geprägt. Die Reichweite von Funktastern in Gebäuden wird typischerweise mit ca. 30 m angegeben, im Freien mit 200 – 300 m.

1 a) Konventioneller Schalter | b) Stromstoßrelais mit Auslösung durch Taster | c) Batterieloser Funktaster
2 4-fach Funktaster (links), Betätigungswippen und Abdeckrahmen (rechts)
3 Spektrum eines a) Funktasters sowie eines b) konventionellen Schalters

Für die Funktaster werden Sendemodule eingesetzt, die klassischerweise auf dem SRD (Short Range Device)-Frequenzband bei 868,3 MHz senden oder im LPD (Low Power Device)-Bereich bei 433 MHz. Neuerdings gibt es sie im Rahmen des „Smart Home“ aber auch im Frequenzbereich ISM 2,4 GHz mit den weltweit einheitlichen Funkstandards ZigBee (IEEE802.15.4) und BLE (Bluetooth Low Energy). Wird die Taste eines Funktasters betätigt, so wird kurzzeitig ein Signal mit einer Sendeleistung von max. 10 Milliwatt (mW) – bei ZigBee 1,6 mW und bei BLE 1,0 mW – an die bei den Verbrauchern oder im Verteilerschrank installierten Funk-Empfänger gesendet. Die Übertragungsdauer des gesamten Funksignals beträgt typischerweise ca. 20 Millisekunden; es wird sowohl beim Drücken als auch beim Loslassen des Tasters gesendet.

Das ECOLOG-Institut in Hannover hat exemplarisch die Abstrahlungen eines Funktasters mit einer Sendefrequenz von 868,3 MHz und einer Sendeleistung von 10 Milliwatt untersucht. Die gemessene Strahlungsdichte sinkt von maximal 150 μW/m2 (Mikrowatt pro Quadratmeter) direkt vor dem Schalter in 10 cm Abstand auf unter 1 μW/m2 bei mehr als vier Meter Abstand. Im Abstand von 50 cm zum Taster, in dem sich normalerweise die Person befindet, die ihn betätigt, liegt sie bei etwa 20 μW/m2 und in ca. 1 m Abstand bei 13 μW/m2. [1 bis 3]

Lässt sich diese Belastung durch die Verwendung eines konventionellen Schalters nicht vermeiden? Leider nein, denn hier wird der gesamte, durch den elektrischen Verbraucher fließende Betriebsstrom geschaltet, wodurch während des Schaltvorgangs ein deutlicher Schalt„funke“ entsteht, der mit der Abstrahlung von Hochfrequenz in einem breiten Frequenzbereich von einigen Kilohertz bis in den Bereich des sichtbaren Lichts hinein einhergeht – schließlich stammt die Bezeichnung „funken“ für die Erzeugung von hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung genau von diesem Effekt. Die Intensität kann zwischen verschiedenen Schaltertypen, der Stärke des zu schaltenden Stroms und von Schaltvorgang zu Schaltvorgang (abhängig vom Zeitpunkt des Einschaltens im Phasenverlauf) stark variieren.

Bei den HF-Emissionen durch konventionelle Schalter ist zu beachten, dass diese – im Gegensatz zum Funktaster – sehr breitbandig erfolgen (Abb. 3). Wenn die Beiträge aller Frequenzen berücksichtigt werden (Integration über den Frequenzbereich), ergibt sich für einen konventionellen Schalter in einem Meter Abstand eine gesamte Strahlungsdichte von typischerweise rund 1.500 μW/m2. Dies ist etwa 100mal höher als der Wert für den Funktaster mit 10 mW Sendeleistung. Wegen der extrem kurzen Expositionszeit ist aber auch bei konventionellen Schaltern nicht mit Gesundheitsproblemen durch den Schaltimpuls zu rechnen.

SchaltertypIntegrierte Strahlungsdichte in 1 m Entfernung
Funk-Wandsender (EnOcean, Piezomodul)13 μW/m2
Konventioneller Lichtschalter1.500 μW/m2

Über die Frequenz integrierte Strahlungsdichten im Bereich 100 MHz – 3.000 MHz in 1 m Entfernung [3], S. 52

Ein weiterer Vorteil von Funktastern besteht aus baubiologischer Sicht darin, dass niederfrequente elektrische Wechselfelder im Bereich des Tasters und der sonst erforderlichen Leitung deutlich reduziert werden.

Die Zusammenfassung der Ergebnisse zeigt, dass Funkschalter die „Elektrosmog“-Belastung in Wohnung und Büro reduzieren können. Denn die Funkschalter haben eine rund 100- bis 1.000-mal niedrigere Hochfrequenzemission als konventionelle Lichtschalter.

Ein Piezokristall ist ein elektrisches Bauteil, das bei Einwirkung einer mechanischen Kraft – hier Drücken der Tasterwippe – eine elektrische Spannung erzeugt (Piezoeffekt); diese dient als Versorgungsspannung für den Betrieb des Funkmoduls.

Energy Harvesting bedeutet die „Ernte“ – d. h. Gewinnung – von elektrischer Energie aus anderen, in der Umgebung vorhandenen Energieformen: Bewegungsenergie (Piezoeffekt oder Induktionseffekt, z. B. beim Betätigen des Tasters), Licht (kleine Solarzellen, Photoeffekt), Lufttemperatur (Peltiereffekt). Sensoren mit Energy Harvesting benötigen keine zusätzliche Versorgungsspannung (Netzanschluss, Batterie), sind damit autark und i. d. R. während der gesamten Lebensdauer wartungsfrei.

Smart Home dient als Oberbegriff für „intelligente“ Systeme in Wohnräumen und -häusern, durch die eine Erhöhung von Wohn- und Lebensqualität, Sicherheit und effizienter Energienutzung auf Basis vernetzter und fernsteuerbarer Geräte sowie automatisierter Abläufe erreicht werden soll.

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1 Kommentar

  1. Immer wieder verblüffend, dass ein konventioneller Lichtschalter “funkt” bzw. den Funk stört!

    Daran denkt man üblicherweise nicht – ebensowenig daran, dass der Begriff “Funken” von eben diesen Trennfunken abstammt. Die ersten professionellen Sendeanlagen waren Knallfunkensender, wo eben dieser elektrische Funke / Knall zur Übertragung von Morsezeichen genutzt wurde.

    Oft funkt der gute alte Lichtschalter auch stärker als die (zu Recht!) misstrauisch beäugten Heizkörper-Ablesesysteme. Das gilt aber nicht für alle – nur die individuelle Messung schafft Klarheit.

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Titelbild: EnOcean Alliance

[1] – ECOLOG-Institut – Neitzke, H.-Peter; Voigt, Hartmut; Koeller, Christian: Messgutachten – Hochfrequenzemissionen von Funkschaltern der Fa. EnOcean; ECOLOG-Institut Hannover, Juni 2003
[2] – ECOLOG Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung gGmbH, Hannover: EMF-Handbuch – Elektromagnetische Felder: Quellen, Risiken, Schutz; S. 4–17 und 4–18; http://www.ecologinstitut.de/fileadmin/user_upload/EMF-Handbuch_Komplett.pdf
[3] – Petritz, Werner: Batterielose Funktechnik für die Gebäudeinstallation: Schalten, Steuern und Regeln per Funk; in: Tagungsband der 4. EMV-Tagung des VDB. e. V. 2005 in Attendorn; Im Verlag des AnBUS e.V, Fürth 2005, ISBN 3-9808428-8-6; S. 47–54; Tagungsband der VDB, www.baubiologie.net
[4] – EnOcean Alliance

Autor

Dr.-Ing. Martin H.

Virnich

Dipl.-Wirtsch.-Ing., Mönchengladbach, ist Elektroingenieur, Baubiologe und Baubiologischer Messtechniker IBN, Sachverständiger für EMF/EMVU und Gründungsmitglied des VDB e.V.

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