Interview mit Michael Kirchner

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Michael Kirchner ist begeisterter Baubiologe IBN, Architekt und visionรคrer Energieberater. Er saniert Denkmale, plant eine รถkologische Mustersiedlung und betreut Bauherren bei Eigenleistungen.

Architekturbรผro Michael Kirchner

Am Lรถsershag 33
DE-97772 Wildflecken

DIE FRAGEN STELLTE

Achim

Pilz

freier Journalist, Kurator, Juror und Berater, Baubiologe IBN und Chefredakteur des Baubiologie Magazin.

Michael, du bist Architekt und bildest dich regelmรครŸig weiter. Wann und warum wurdest du Baubiologe IBN?

Ich habe mich schon vor meinem Architekturstudium mit Lehmarchitektur beschรคftigt. In dem Film โ€žSanfter Baustoff Lehmโ€œ wurde der faszinierende Architekt Hasan Fathy vorgestellt. Seine Bauten sind fantastisch. Deshalb wollte ich Entwicklungshelfer werden. Aber dann habe ich meine Frau kennengelernt und dann warโ€™s das (lacht).

Im Architekturstudium an der Fachhochschule in Wรผrzburg war ich immer auf der Suche nach รถkologischen Lรถsungen und war dann auch an der Uni Kassel bei Prof. Gernot Minke. Dort habe ich auch Lehmbaukurse belegt, die wir im Studium anerkannt bekamen.

Wie hast du es erreicht, dass deine Hochschule diese Kurse anerkannt hat?

Unsere Fachhochschule war extrem offen. Und wir waren eine Gruppe mit sieben bis acht Studenten, die einen etwas eigenen Weg gegangen sind. Wir sind damals auch auf die Ausbildung zum Baubiologen IBN von Prof. Anton Schneider aufmerksam geworden. Zu zweit haben wir zum Ende des Studiums den Fernlehrgang Baubiologie belegt. Wir haben uns dann 1994 zusammen selbststรคndig gemacht und noch berufsbegleitend Energie- und Umwelttechnik in Kassel studiert. 1996 konnten wir ein Niedrigenergiehaus-Baugebiet mit Nahwรคrmekonzept, das wir in der Planung hatten, als Diplomarbeitsthema nehmen.

1 Das Architekturbรผro von Michael Kirchner liegt landschaftlich schรถn im โ€žBiosphรคrenreservat Bayerische Rhรถnโ€œ
2 ร–kologische Baustoffe wurden bereits beim ersten Wohnhaus sehr konsequent eingesetzt
3 Die schรถnen Jugendstil-Fliesen wurden ausgebaut, aufbereitet und wiederverwendet

Wie hat sich seitdem das energieeffiziente Bauen verรคndert?

Die Fรถrderkulisse hat sich geรคndert. Das energieeffiziente Bauen selbst hat sich zu langsam entwickelt. Die nรถtige CO2 Reduktion, die damals schon bekannt war, wird immer wieder verschleppt. Das, was jetzt mit dem Heizungsgesetz kommt, dass Kommunen eine Wรคrmekonzept erstellen mรผssen, das haben wir schon 1998 in der Gemeinde Altershausen mit einem Nahwรคrmekonzept gemacht. Beim StraรŸen- und Kanalbau wurden gleich Nahwรคrmeleitungen verlegt.

Ist das Nahwรคrmekonzept umgesetzt worden?

Ja, Altershausen bei Kรถnigsberg ist eine absolute Vorzeigegemeinde. Wir hatten damals schon eine Positivliste mit รถkologischem Punktesystem, bei dem die Bauherren eine Sicherheitsleistung eingezahlt haben und das Geld erst zurรผckbekommen haben, nachdem sie nachweisen konnten, dass sie die Anforderungen erfรผllt hatten.

Wer hat das รถkologische Punktesystem durchgesetzt?

Wir haben das zusammen mit dem Bรผro Widmann und Valier aus Bamberg gemacht. Die sind รผber das IBN auf uns gestoรŸen. Wir haben dann dort eine baubiologische Baugrunduntersuchung durchgefรผhrt, mit allen รผber ein Jahr diskutiert und daraus einen รถkologischen Bebauungsplan erstellt, u.a. mit Verschattungsplanung zur Optimierung der passiven Sonnenenergiegewinnung. Das war fรผr 1998 schon sehr konsequent und innovativ. Fรผr das Neubaugebiet und den vorhandenen Baubestand haben die Bewohner auch eine Biomasseheizanlage errichtet.

Die Baustoffbewertung lief in absolut vorbildlicher Zusammenarbeit mit der Stadt Kรถnigsberg. Der Bรผrgermeister und die Gemeinderรคte haben das perfekt umgesetzt.

4 Die Brandmรผhle โ€“ um 1900 erbaut โ€“ stand leer und war stellenweise sehr marode
5 Im ehemaligen Heulager wird heute bis unter den Giebel gewohnt
6 Die Wand des Altbaus hat keinen Kontakt mehr zum Wasser und ist wieder trocken. Im historischen Turbinenhaus wird wieder Strom produziert
7 Eine neue Pflanzenklรคranlage fรผr 40 Einheiten

Wie arbeitest du mit dem IBN zusammen?

Ich halte seit 1996 Vortrรคge fรผr Baustoffe, Baukonstruktion und Schallschutz im Rahmen der Ausbildung von Baubiolog*innen.

Gibt es fรผr dich weitere Kooperationspartner?

Wir haben Anfang der 2000er den Bund Naturschutz in der Handhabung von Thermografiekameras geschult.

Was war dein interessantestes Projekt?

Da gibt es viele. Wichtig fรผr uns war das “Zentrum fรผr gesundes Bauen und Leben” in Bad Brรผckenau. In einer alten Schule gab es ein Mรถbelhaus mit Massivholzmรถbeln, einen รถkologischen Baustoffhรคndler, zwei ร„rzte, einen Physiotherapeuten und unser Bรผro.

Toll ist auch die Brandmรผhle, ein groรŸes Areal mit ร–kolandbau, Seminarhaus, Hofladen, Sommercafรฉ, Eventscheune, Wasserkraft und Pflanzenklรคranlage. Das Wohnhaus ist der Umbau einer Stallung mit Scheune.

Projekte sind immer dann toll, wenn Bauherren Feuer fรผr die Baubiologie gefangen haben. So wie bei meinem erstes Doppelhaus mit zwei Damen als Bauherrinnen. Die sagten gleich zu Anfang: โ€žHerr Kirchner, vergessen Sie mal die DIN. Wir wollen baubiologisch bauen.โ€œ Deshalb setzten wir keinen Holzschutz ein, wie es damals noch Pflicht war. Und wir konnten ganz viel Lehm und historische Bauteile wie Innentรผren und Fliesen verwenden. Es war einfach die wahre Freude.

Wurde der Verzicht auf die DIN vertraglich vereinbart oder war es ein Vertrauensverhรคltnis?

Es ist immer ein Vertrauensverhรคltnis, aber wir hatten das schon auch mit Vertrag vereinbart.

Wie finden dich deine Kunden?

Im ersten halben Jahr nach meinem Studium sind wir nur unterwegs gewesen und haben uns vorgestellt – bei den Kommunen, in Volkshochschulen, fรผr Fachvortrรคge, im ร–kohaus in Wรผrzburg, รผberall. Nachdem wir die ersten Projekte hatten, sind wir jedes Jahr auf drei bis vier Messen gegangen. Seit zehn Jahren machen wir das nicht mehr. Die Leute kennen uns. Wir arbeiten jetzt fรผr die Kinder der Kunden, fรผr die wir vor 25 Jahren gebaut haben (lacht). Auch das IBN empfiehlt uns. Auch รผber die IBN-Seminare Nahunterrichte haben wir Bauherren kennengelernt.

Betreust du oft Eigenleistungen?

Ja. Die Bauherren bringen im Schnitt 10 % ein. Auch wenn sie keine Fachleute sind, erbringen sie in der Stunde ungefรคhr 30 Euro. 1.000 Stunden im Jahr sind im Monat ca. 80 Stunden, pro Woche um die 20.

Und du kannst das so organisieren, dass es effektiv ist?

Wir leiten Bauherr*innen an und nehmen ihre Leistung so ab, als ob es eine Handwerkerleistung wรคre.

8 Nach der Sanierung dieses Hauses aus den 1960er Jahren gibt es viel Platz unter dem Dach und in neuen Rรคumen
9 Innen gibt es eine moderne Kรผche und viel gesundes Tageslicht …
10 โ€ฆ sowie Wohnkomfort mit einem gemรผtlichen Kamin

HeiรŸt das auch, dass die folgenden Firmen diese Leistungen akzeptieren?

Ja, die Folgeunternehmen haben die Mรถglichkeit, Bedenken anzumelden. Tun sie das nicht, wird weitergearbeitet.

Und wenn die Firmen Bedenken anmelden?

Dann werden die gemeldeten Mรคngel behoben. Aber es gibt keine Bedenken. Die Qualitรคt von Eigenleistungen ist meist hรถher als beim Handwerker (lacht). Die Dampfbremse etwa ist bei beiden dicht. Aber die Bauherren geben sich mehr Mรผhe und arbeiten extrem sauber. Das funktioniert.

Deine Bauherren verkleben und dichten ab?

Ja. Und sie erreichen teils hรถhere Gebรคudedichtheitswerte als die Fachfirmen.

รœberprรผfst du das mit einem Blower-Door-Test?

Genau. Immer seit 1995.

Woran arbeitest du aktuell?

Mehrere neue Wohnhausplanungen und Altbausanierungen laufen, ebenso wie die Planung einer Montessori-Schule, ein Neubau mit Mensa, Turnhalle, zehn Klassenrรคumen und der Integration eines historischen Schรผtzenhauses โ€“ mit 60 Meter langer SchieรŸbahn.

Brauchen wir andere Schultypen als die staatlichen Schulen?

Ich sag mal ja. In der Montessori-Schule oder der Rudolf-Steiner-Schule in Loheland ist man in einer komplett anderen Welt. Die Kinder, die dort hingehen, kรถnnen glรผcklich sein. In der Montessori-Schule gibt es GruppengrรถรŸen von 25 Schรผler*innen und drei Betreuer*innen. Das ist ein ganz anderes Verhรคltnis als an der Staatsschule.

In Loheland haben wir einmal eine Schรผlerin betreut, die einen Bauwagen zum Wohnwagen umgebaut hat.

Wie schaffst du das alles?

Ich habe eine Bauzeichnerin in Teilzeit, meine Frau erledigt nachmittags die allgemeinen Bรผroarbeiten. Die Baubiologie, die Energieberatung und die Architektur vom Entwurf bis zur Bauรผberwachung bearbeite ich allein.

Vielen Dank fรผr das Interview!

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1 Kommentar

  1. Ein inspirierendes Interview! Vielen Dank.
    รœber die Brandmรผhle wรผrde ich gerne mehr lesen.
    Bert Fliege

    Antworten

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Bilder: Architekturbรผro Kirchner

Architekturbรผro Michael Kirchner

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