Interview mit Uwe Dippold – Baubiologe IBN
Du bist ausgebildeter Krankenpfleger und Lehrer für Krankenpfleger. Warum wurdest du Baubiologe?
Mein früherer Beruf hat da eher untergeordnete Bedeutung. Als Krankenpfleger hilft man ja den Leuten, die schon geschädigt sind. Es ist sinnvoller, die Menschen mit Beratungen und guten Beispielen in die Lage zu versetzen, ihr Leben so zu gestalten, dass sie gar nicht krank werden.
So etwas habe ich für mein eigenes Leben schon früh beschlossen: Der Auslöser dazu war in den 1980er Jahren der Holzschutzmittel-Skandal. Ich richtete mir zu der Zeit ein altes Haus für mich und meine junge Familie her und wollte unbedingt ein Gebäude für ein gesundes Leben haben. Es war damals schwierig, die notwendigen Information zu abgeschirmten Kabeln, Netzabkopplern, wohngesunden Farben, unschädlichen Baumaterialien und unbedenklichen Bautechniken zu finden, es gab ja noch kein Internet. Zufällig stieß ich auf die Zeitschrift Wohnung + Gesundheit des IBN. Diese lieferte dann den Grundstock meines Wissens über Baubiologie, Baumaterialien, Elektrosmog, Schadstoffe und Wohngifte. Das gesammelte Wissen setzte ich dann beim Herrichten des alten Hauses um. Dabei nutzte ich damals schon jede Möglichkeit zum Besuch von Weiterbildungen, u.a. auch beim IBN. Und das ist bis heute so.
Wie bildest du dich weiter?
Zum Beispiel mit Hilfe des von mir gegründeten Baubiologen-Vereins BIOLYSA e.V. Im Laufe der Zeit konnten wir eine Vielzahl von maßgeschneiderten Wissens- und Praxisseminaren sowie Weiterbildungen für uns realisieren.
Was ist das Besondere an eurem Wohnhaus?
Von der ursprünglichen Bausubstanz sind nur das reine Mauerwerk und ein paar Holzbalken der Decken geblieben und ich selber habe etwa 80% des gesamten Gebäudes neu erbaut; selbstverständlich alles mit ökologischen Baumaterialien und nach baubiologischen Kriterien.
Es ist ein altes Sandsteinhaus, das jetzt außen mit einer Schütt-Dämmung aus Perlite und einer hinterlüfteten Holzfassade ausgerüstet ist. Es hatte keinerlei Bodenplatte, die Sandsteine wurden beim Bau vor etwa 170 Jahren einfach direkt in den Boden gelegt. Deswegen waren die Außen- und Innenwändeauf jeweils etwa 45 Meter Längevon unten durchfeuchtet. Um sie trockenzulegen habe ich die untersten sichtbaren Mörtelfugen durchgesägt, eine wasserdichte Bitumenbahn eingelegt, den Schlitz wieder verschlossen und das Haus so überhaupt erst bewohnbar gemacht. In jedem Raum habe ich anschließend auch neue feuchtedichte Bodenflächen mit Dämmlagen eingebaut. Das Haus hat jetzt auch Wandflächenheizung, Solarkollektoren und eine moderne Infrastruktur.
Betonieren, abdichten, dämmen, installieren … ich habe fast alles am Haus selber gemacht. 2002 bekam ich dann sogar den Umweltpreis der Stadt Nürnberg für die ökologische und energieeffiziente Sanierung des Gebäudes.
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Ausgezeichnetes, 170 Jahre altes Wohnhaus von Uwe Dippold, das er schon in den 1980er Jahren komplett baubiologisch sanierte2
Baubiologisches Smart Home mit einem von drei Verteilerkästen vor dem Anschließen3
Anschluss eines baubiologischen Smart Homes4
Pilzschaden durch Hausschwamm in einem alten Haus durch lange einwirkenden Wasserschaden
Wann wurde die Baubiologie Brotberuf für dich?
2002 hatte ich schon 15 Jahre lang etlichen meiner Freunde und Bekannten bei ihren eigenen Hausbauprojekten mit Rat und Tat geholfen. So war es ein logischer Schritt, mein baubiologisches Wissen zu nutzen, um anderen Menschen baubiologische Dienste anzubieten. 2003 machte ich mich als Baubiologischer Messtechniker IBN nebenberuflich selbstständig und gründete meine Firma “Baubiologie Nürnberg”. Schnell erweiterte ich mein Spektrum um Schimmel- und Schadstoffmessungen, die immer häufiger nachgefragt wurden und mir heute meinen Lebensunterhalt vollständig sichern. Seit einigen Jahren bin ich auch als Sachverständiger und mehrfacher Sachkundiger vom TÜV zertifiziert.
Wer sind weitere wichtige Kooperationspartner neben dem IBN?
Ich bin Vollmitglied im Berufsverband Deutscher Baubiologen e.V., dort strebe ich zur Zeit die Zertifizierung an.
Im Verband Baubiologie und bei Biolysa e.V. bin ich Vorstandsmitglied und versuche dort, die Professionalität in unserer Branche zu verbessern.
Fort- und Weiterbildung sowie die Vernetzung der Baubiologen untereinander sind mir dabei ein besonderes Anliegen.
Als Baubiologe arbeite ich zusammen mit dem Schadstofflabor Analytik Aurachtal und dem Mikrobiologielabor von Competenza. Beide Labore haben ihre Sitze nicht weit von mir in Nachbarstädten, da kann ich meine Proben direkt abgeben kann und so recht schnell Ergebnisse bekommen.
Hast du weitere Kooperationen angeregt?
Inzwischen existiert ein Baubio-Stammtisch Franken, wo sich etwa 4 mal im Jahr entsprechend Interessierte treffen. Eingeladen sind da Labore, Architekten, Handwerker, Sanierer und Verbraucherschutzorganisationen.
Alle Beteiligten treffen sich regelmäßig und Konkurrenzdenken kann dabei abgebaut werden.
Wo liegen deine Schwerpunkte?
Ich selber mache als Gutachter fast nur noch Schimmel- und Schadstoffuntersuchungen. Gelegentlich bin ich auch bei Rechtsstreitigkeiten gefragt oder im Gerichtsauftrag tätig. Zudem helfe ich zunehmend Kunden bei der Entdeckung und Sanierung von Wasserschäden. Mit meinen Vorschlägen zu Sanierungen kann ich auch baubiologische Gesichtspunkte einbringen, so dass gute und ökologische Materialien und Methoden mehr Anwendung finden.
Für viele andere meiner Angebote beschäftige ich andere Baubiologen als freie Mitarbeiter.
Generell bin ich der Meinung, dass in vielen Neubauten, gleich ob aus Holz oder Stein, systematisch Schimmelbefall mit eingebaut wird, weil zu wenig auf die eingebrachten Wassermengen geachtet wird bzw. oft auch Durchfeuchtungen des Baumaterials einfach ignoriert werden.
Was ist das Besondere bei einer Sanierung nach einem Wasserschaden?
Bei Wasserschäden gibt es zwar oft eine Versicherung, welche die Kosten für die Sanierung übernimmt. Jedoch wollen die Versicherer natürlich sparen und es wird meist – zumindest solange ich nicht mit hinzugezogen werde – nur eine Sparsanierung durchgeführt, ohne fachgerechte Abschottung des Sanierungsbereiches, ohne ausreichende Entfernung des feuchtegeschädigten und verkeimten Materials und am Ende sogar ohne eine Erfolgskontrolle. Viele Versicherer und ihnen nahestehende Sachverständige haben bisher oft keinerlei Verständnis für die Notwendigkeit fachgerechter Sanierungen. Mit meiner Hilfe allerdings schaffen es die meisten Geschädigten, ihre gesamten Kosten von den Versicherungen ersetzt zu bekommen. Und oft ergeben sich Verbesserungen zum Vorzustand, weil ich meinen Kunden zu baubiologischen Materialien raten kann.
Was gibt es für Neuigkeiten bei der Bewertung von Schimmel auf Holz?
Neuerdings gibt es Bestrebungen, den Schimmelbefall auf Hölzern wie früher nur als oberflächlichen und leicht zu entfernenden Schaden einzustufen. Das soll die Kosten bei Sanierungen von verschimmelten Holzkonstruktionen niedrig halten. Eine Etablierung von solch geringeren Qualitätsmaßstäben gilt es zu verhindern, weil der Schimmel auf Holz zum Teil sogar das Material direkt schädigt und auch gesundheitsbedenklich sein kann.
Was war ein interessantes Projekt von dir?
Eine sehr interessante Sache für mich war und ist der Neubau des Vollholzhauses meines Sohnes.
Was ist das Besondere an dem Neubau?
Mein Sohn will unbedingt ein Smart Home besitzen. Für mich als Baubiologen war das ja ein rotes Tuch, weil ich eine Menge an elektrischen Feldern befürchtete.
Aber wir haben das gut hinbekommen. Wir haben im ganzen Haus sicher 5 Kilometer Stromkabel und nochmal 3 Kilometer Datenkabel verlegt. Aber natürlich alles in abgeschirmter Qualität und mit kabelgebundener Smart Home-Technologie. Es ist uns gut gelungen. Wir haben es geschafft, dass wir fast überall höchstens nur schwach belastende elektrische Wechselfelder im Haus haben. Und in den Schlafbereichen ist es noch besser! Insgesamt habe ich mein praktisches Wissen damit wieder immens erweitert.
Vielen Dank für das Interview.
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