Grüne Erde – Bauen im Einklang mit der Natur

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Der nachhaltige Neubau für den Stammsitz des österreichischen Möbel- und Modelabels "Grüne Erde" holt den Wald ins Gebäude. Der verspiegelte Holzbau mit Schafwolldämmung für Verkaufsflächen, (Show-)Produktion und biologischer Gastronomie folgt dem Firmenmotto „Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur“.

Autorin

Nurgül

Ece

Dipl. Ing. Architektin, Baubiologin IBN und Permakultur Designerin und lebt in Berlin und Düsseldorf

Die architektonische Idee der Grüne-Erde-Welt ist das Gebäude als Landschaft zu erleben. Die Natur, nicht das Gebaute, soll im Vordergrund stehen. Emotional schön wie ein Waldspaziergang soll der Besuch des Gebäudes entschleunigen und beruhigen. Die Lage im oberösterreichischen Voralpenland am Fuße des Hambergs ist dafür ideal. Der Übergang von der Landschaft ins Gebäude wird durch die Anlage großer Garten- und landwirtschaftlich genutzter Flächen inszeniert. In der grünen Umgebung löst sich das horizontale Gebäude durch seine spektakulär verspiegelte Fassade nahezu auf, bemüht darum eins zu werden mit der Natur, die es umgibt. Nähert man sich dem Neubau, entfaltet sich die Länge des Gebäudes. Steht man dann am Eingangsportal ist man auch beeindruckt von der Höhe des Gebäudes. Doch alle Dimensionen werden durch die modellierte Landschaft gut kaschiert.

1 Die Vegetation reicht bis ans Gebäude heran. Der alte Ahornbaum markiert den Eingang
2 Einladend ist die Fassade mit Holzschindeln aus Weißtanne
3 Die Reflexion der Spiegelfassade schafft die Kulisse für die mit zahlreichen Neupflanzungen gestaltete Landschaft

Großzügige Innenräume

Im Inneren ist die Atmosphäre freundlich und lichtdurchflutet. Es wirkt durch den Einsatz von hell lasierten Holzoberflächen angenehm, erhebend und einladend. Viele malerisch gewählte Ausblicke in die Natur überraschen. Der eindrucksvolle Stützenwald der Konstruktion bildet eine 9.000 m² große „Landschaft“. Die Waldlandschaften in den Innenhöfen werden unterstützt durch eingespieltes Vogelgezwitscher und die Duftnoten der ätherischen Öle der Holz- und Kosmetikprodukte. Die 13 Höfe von 20 bis 30 m², die mit neun heimischen Baumgruppen bepflanzt sind, begleiten einen stets und erwecken den Eindruck eines in den Wald gebauten Bauwerks.

Pflanzen als Impulsgeber

Dem Architekten zufolge wohnt dem Entwurf eine pflanzen-zentrierte Philosophie inne: ein „atmender“ Innenraum, der über eine ausgeklügelte Lüftungstechnik mit dem Mikroklima der bepflanzten Innenhöfe verbunden ist, das Baumaterial Holz, die neu angelegte Bio-Landwirtschaft und die ökologische Energieversorgung. Auch die Produktpalette des Unternehmens zeugt vom nachhaltigen Anspruch der Bauherrin.

Der ökologische Gewerbebau ist ein nachhaltiger Schritt in die Zukunft. Dass dieser auch baubiologisch wertvoll ausfällt, zeigt sich an vielen Stellen. Der Holzriegelbau besteht aus filigranen Massivholzstützen und Holzbindern aus Brettschichtholz, mit Weißleim verklebt. Die 1.900 Kubikmeter regionales Bauholz wachsen in Österreich in 31 Minuten nach. Den Stützenwald bilden 18×18 cm schmale Stützen, die in einem unregelmäßigen Raster angeordnet sind. Die gesamte Konstruktion ist mit einer hellen Lasur auf Silikatbasis diffusionsfähig gestrichen. Um nicht zusätzlich zu versiegeln, wurde ein zuvor hier vorhandenes Fabrikgebäude ersetzt. Sein Abbruch- und das Aushubmaterial wurden für die Bodenplatte und die Modellierung der Außenanlagen verwendet.

1 Im Inneren bilden die Stützen einen tragenden Wald
2 Die bewaldeten Höfe beleben und strukturieren den Innenraum
3 Fixierspiel von Innenraum, Hof und angrenzendem Wald

Recyceln von Baumaterial

Wichtigstes Ziel war der Einsatz von regionalen und recycelten Materialien. Der Boden besteht aus verdichtetem Abbruchmaterial, einer Folienlage und einer thermisch aktivierten Bodenplatte. Massivholzparkett bzw. die geschliffene Bodenplatte, die durch die Abbruchzuschläge eine schöne Terrazzo-Optik erhält, vervollständigen den Oberboden. 

Die aufwändig wirkende Außenwand besteht aus einer Holzriegelkonstruktion, die innen mit 3-Schicht-Platten beplankt, mit Schafwolle gedämmt und auf der Süd-, Ost- und Westseite mit Holzschindeln sowie an der Nordseite mit spiegelnden Glasschindeln verkleidet ist.Eine feuchtevariable Dampfbremse und Windpapier vervollständigen ihren diffusionsfähigen Aufbau. Die Trennwände im Inneren sind ebenfalls mit Holzständern konstruiert. Sie schließen mit einer Beplankung mit lasierten 3-Schichtplatten aus Fichte ab.

Dämmen mit Schafwolle

Als Dämmstoff wurden 500 Kubikmeter regionale Schafwolle eingesetzt, die biozidfrei geschützt ist. Mittels Plasmaionenbehandlung wurde die Zellstruktur der Schafwolle so verändert, dass seine Eiweiße für Schädlinge nicht mehr attraktiv sind, berichtet die Mitarbeiterin der Grüne-Erde-Welt. Auch Baubiologen begrüßen diese toxikologisch unbedenkliche Mottenschutz-Behandlung.

Unsichtbare Technik

Die Photovoltaikanlage auf dem Flachdach ist über 6.000 m² groß. Sie deckt den gesamten Eigenbedarf von 20.000 kW/h für das Gebäude, die Elektrotankstellen und die Wärmepumpe zur Nutzung der Erdwärme über Tiefenbohrung, die das Gebäude mit Wärme und Kühle versorgt. Das Lüftungskonzept basiert auf dem Prinzip der natürlichen Klimatisierung über jederzeit zu öffnende Fenster sowie mechanisch durch Lüftungsschlitze im Boden.

Der Boden an sich ist bei diesem Projekt das Allround-Talent schlechthin. Er birgt sämtliche Technik, die nicht gezeigt werden wollte. So sind die Leitungen für Belüftung, Heizung, Strom und die Druckluft für die Kosmetikproduktion darunter verlegt. Er nimmt zudem die Flächenheizung in den Verkaufs-, Büro- und Produktionsräumen auf und sorgt dort für angenehme Strahlungswärme. Die regenerative Erdwärme dient in der Übergangszeit zum „Freecooling“, also zur passiven Kühlung der Räume. Im Sommer wird bei Bedarf in den Kühlbetrieb umgeschaltet. Da die Lagerflächen  auf einem Bestandsboden errichtet sind, werden sie getrennt mit Niedertemperatur-Deckenstrahlern beheizt.

Neuer Lebensraum für Artenvielfalt

Blickt man aus den Holz-Alurahmenfenstern, sieht man nicht nur den Hamberg, auch existieren Bezüge zur Biolandwirtschaft. Unmittelbar vor der Tür des Gebäudes bieten naturnah gewählte Pflanzengemeinschaften, ein Feuchtbiotop, einheimische Gewächse und alte Obstsorten auf Streuobstwiesen einen bemerkenswerten Lebensraum für eine lebendige Artenvielfalt. Eine Anlage zur Regenwasserversickerung unterstützt die Hydrologie von 450 neu gepflanzten Bäumen und 700 neuen Sträuchern. Beachtenswert nachhaltig versorgen Gemüsefelder 40 naheliegende Haushalte und das Bio-vegetarische Bistro der Grüne-Erde-Welt nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft mit frischen regionalen und saisonalen Lebensmitteln.

1 Einblicke in Echtzeit: die Showproduktion macht die Wandlung vom Rohstoff zum Endprodukt erlebbar
2 An den Gewächshäusern vorbei führt ein gewundener Weg entlang der neuen Grünanlagen zum Haupteingang der Grüne-Erde-Welt

Soziales Engagement

Als regionaler Arbeitgeber mit österreichischer Wertschöpfungskette beschäftigt der Standort 60 Mitarbeiter*innen, die mit angepassten Arbeitszeitmodellen (firmenweit 50 verschiedene Modelle) vor Ort tätig sind. Sie erhalten eine Unterstützung für die Kita und können die Elektro-Tankstellen nutzen.

Das als Horizont und Landschaft ausgebildete Gebäude weckt Assoziationen nach in die Ferne oder in die Zukunft blicken und seinen Horizont erweitern. Die Verbundenheit von Mensch und Natur zu fokussieren, Werte und Sinneseindrücke zu vermitteln und sein Konsumverhalten zu reflektieren, ist in diesem Gebäude ein löbliches und meines Erachtens durchaus erreichtes Ziel.

Baudaten

Projektbezeichnung mit Ortsangabe Grüne Erde Welt, Almtal, Österreich
Nutzung: Produktion, Verkauf, Verwaltung, Lager, Gastronomie
Planersteller / Bauleitung Planung: terrain : integral designs BDA
Generalplanung und Bauleitung: architekturbüro arkade zt
Haustechnik: TB Ökoenergie Greif
Eröffnung: 2018
Nutzfläche9.000 m² 
Außenwände (von außen nach innen) Spiegelglasverblendung eingehängt in Edelstahl-Glashalter / Holzschindel Weißtanne (unbehandelt) /  Windbremse / Beplankung Holzwerkstoff-Beplankung 15 mm / Konstruktionsvollholz Fichte 240 mm /Schafwolle-Wärmedämmung im Zwischenraum /  Feuchteadaptive Dampfbremse /  Sparschalung Fichte (gehobelt) / 3-Schicht Naturholzplatte (Fichte, lasiert)
Dach (von außen nach innen) EDPM Dachabdichtung / Holzwerkstoffplatte / Brettschichtholz Fichte mit Weißleim / Mineralwolle-Wärmedämmung (aus brandschutztechnischen Gründen) / Feuchteadaptive Dampfbremse / 3-Schicht Naturholzplatte (hell lasiert)
Böden (von oben nach unten)2 cm Massivparkett Eiche oder Estrich geschliffen / 20 cm Estrich mit Fußbodenheizung / Folie / 10 cm mechanisch stabilisierte Tragschicht (wiederverwertetes Abbruchmaterial) / kapillarbrechende Schicht (wiederverwertetes Abbruchmaterial)
Fenster, Türen Holz-Alu-Konstruktionen mit 2-Scheiben-Isolierverglasung, innen lasiert)
Baubiologische ExtrasComputer laufen über lokales Netzwerk / kein WLan

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2 Kommentare

  1. Das erkennbare Konzept ist erstmal gelungen, als Konzept.
    Mit stellt sich jedoch die Frage ob die Verglasung nebst Verblendung das Lichtspektrum/Sonne sehr verfälscht in den Innenraum gelangen lässt.
    Ist das der Fall, ist das Konzept misslungen.

    Antworten
  2. Die gläserne Fassade hat mich erst einmal verwundert. Das ist ökologisch? Wie ein Bürobau?
    Von innen erschließt sich die Glasfassade dann. Schlüssig und gekonnt spielt sie mit dem Thema innen außen. Da das Außen mit den Lichthöfen und der angrenzenden biodiversen Natur ebenso stark mitgestaltet ist, geht das Konzept auf.
    Vielen Dank für dieses nachhaltig gestaltetes Projekt.

    Antworten

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Bilder & Baudaten: Grüne Erde

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