Gut temperiertes Refugium

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Wenn schon ein größeres Einfamilienhaus, dann aber nachhaltig. Architekt Georg Reinberg zeigt, dass er auch bei rigiden Bauvorschriften das Beste für Bewohner und Umwelt erreichen kann.

Autor

Achim

Pilz

freier Journalist, Kurator, Juror und Berater, Baubiologe IBN und Chefredakteur des Baubiologie Magazin.

Georg Reinberg ist ein erfahrener ökologischer Baumeister, der schon hervorragende Gebäude gebaut hat, die zudem ein einmaliges Raumklima aufweisen. Er hat viel Erfahrung mit Lehm, Massivholzbau und Bauteiltemperierung, auch für größere Gebäude, wie die Verwaltung der Firma Windkraft Simonsfeld oder Wohnsiedlungen wie in Purkersdorf. Dabei interessiert ihn das verdichtete Bauen, weil es nachhaltig ist. Eines seiner jüngsten Häuser ist ein energetisch optimiertes Passiv-Einfamilienhaus im niederösterreichischen Klosterneuburg mit passiven und aktiven Lüftungskomponenten. „Wir haben grundsätzlich große Bedenken gegenüber Einfamilienhäusern, da sie sehr ungünstige Voraussetzungen für umweltfreundliches Bauen bieten“, gibt er in einem Artikel über das Haus in seinem jüngsten Buch „Architektur für eine solare Zukunft“ zu bedenken. In diesem Fall ließ der Bebauungsplan aber nur ein Einfamilienhaus zu. Deshalb fordert er: „Wir sollten jedenfalls so planen und bauen, dass der negative Umwelteinfluss so weit wie nur irgendwie möglich reduziert wird.“

1 Vom Carport kommend, öffnet sich der Garten vor dem jüngsten privaten Passivhaus des Architekturbüros Reinberg in Klosterneuburg
2 Von Norden erinnert das futuristische Gebäude an eine marokkanische Burg
3 Zwischen Carport und Haus ist Platz für einen nach Südosten orientierten Garten und eine große Terrasse
4 Über das Mittelgeschoss wird das Haus erschlossen. Eine Brücke verbindet es mit dem Carport
5 Das Baustellenbild zeigt den intensiven Einsatz von Massivholz, die Decke ist schon in Sichtqualität

Naturnahe Lage

Das Passivhaus liegt einmalig schön am Rande der Höhen über der Donau gleich neben einem Weinberg. Der Blick geht von dort weit über das Donautal bis zum Stift Klosterneuburg. Das Gebäude liegt so auf dem von Südwest nach Nordost abfallenden Grundstück, dass zwischen ihm und dem Carport an der Straße Platz für einen intimen, nach Südwesten orientierten Garten entsteht. Der horizontale Weg zum Haus durch den Garten ist begleitet von Pflanzen und einem Ausblick in die Weinberge. Zu Beginn nur leicht aufgeständert, wird er über dem abfallenden Gelände zu einer Brücke, die das Haus in seinem Mittelgeschoss trifft. Ästhetisch knüpft das kubische Gebäude mit großformatig durch Fenster und robuste mineralische Faserplatten geteilte Fassade an die „weiße Bauhausmoderne“ an. Aus einer Perspektive erinnert es an eine marokkanische Burg, aus einer anderen ist es symmetrisch, wie eine griechische Villa. Zum südwestlichen Weinberg zeigt es mit den dunklen, in die Fassade integrierten Solarthermie-Kollektoren seine technische Seite. Mächtig kragt das bestens gedämmte Dach über den Eingang. Der darunter zurückspringende Bereich empfängt die Besucher*innen. So nimmt er auch noch einmal die angrenzende Natur mit ins Haus hinein. Etwas unruhig wirken die Fenster, deren quadratische und horizontale Formate durcheinandergewürfelt sind. Das die Brücke zum Haus begleitende Geländer mit dem Handlauf aus Edelstahl wirkt kühl.

Organisches Innere

Von innen ist der Eindruck organischer. Im Mittelgeschoss befinden sich neben einem Gästezimmer Küche, Essplatz und Wohnraum, der die Ausblicke hangab- wie hangaufwärts verbindet. Hangaufwärts geht der Blick über die Zufahrtsstraße hinweg. Zum Garten ist vor Wohnraum und Küche eine große Terrasse. Ein Geschoss tiefer liegen die Schlafzimmer für vier Personen und ein Spielbereich mit Ausgang in den Garten. Dieses Geschoss steckt im Hang. Dort befindet sich ein Kellerbereich und davor die Sanitär- und Nebenräume. Oberhalb des mittleren Geschosses liegt ein Studio mit einer großen Terrasse. Die Bewegung durch das Haus ist begleitet von Ausblicken durch große Fensterflächen in die Natur.

6 Auch vom Wohnzimmer geht der Blick weit über die Weinberge ins Donautal
7 Wohn- und Essbereich lassen sich durch eine Schiebetür voneinander trennen
8 Das lichte Treppenhaus ist Teil der passiven Lüftungsanlage
9 Den Weg nach oben krönen schöne Aus- und Rückblicke
10 Ganz oben öffnen sich ein großes Atelier und eine Dachterrasse
11 Aus der Not der dicken Dämmschichten macht das Architektenpaar Reinberg/Enriquez-Reinberg eine gestalterische Tugend
12 Auch nach Nordosten gibt es eine große Terrasse

Ökologische Baustoffe

Die Außenwände, Teile der tragenden Innenwände und die Decken bestehen aus massivem Brettsperrholz. Die außen liegende Wärmedämmung aus Zellulose ist mit mineralischen Faserplatten geschützt. Beton ist aufgrund seiner schlechten Ökobilanz sehr reduziert und bewusst nach seiner statischen und klimaausgleichenden Stärke eingesetzt – nur für das teilweise eingegrabene Untergeschoss, die tragenden Innenwände und die Treppenläufe. Seine thermische Masse puffert Temperaturmaxima. Teilweise ist er mit Heizschleifen belegt, die im Sommer auch zum Kühlen verwendet werden. So kann das ganze Jahr über ein angenehmes Raumklima eingestellt werden. Die Hausherrin ist begeistert und lobt das Haus: „Es ist sehr angenehm temperiert und man hat nicht mit den unangenehmen Wirkungen einer Klimaanlage zu kämpfen – abgesehen davon sehe ich Klimaanlagen als das nächste Umweltproblem.“

Lesen Sie hier Teil II zum Energiekonzept.

Baudaten Haus L., Klosterneuburg

Wohnfläche265 m2 (+ unterirdisch 79 m2)
Baujahr2017
Außenwandvon außen nach innen: Faserzementplatte 8 mm, hinterlüftet, winddichte Folie, DHF-Platte, U-psi Stegträger ausgeblasen mit Zellulose 30 cm, Dampfbremse, Brettsperrholzplatte 10 cm, GF-Platte
Dachvon außen nach innen: PV-Elemente, Kiesschüttung, Gummigranulatmatte, Bitumenabdichtung 2-lagig, EPS-Gefälledämmung 31-43 cm, Dampfsperre, Brettsperrholzplatte 18 cm (Sichtqualität unten)
RegenwassernutzungZisterne 4 m³ für Gartenbewässerung
EnergiekonzeptPassivhausstandard, passives Lüftungssystem, Lüftungsanlage mit Wärme- und Feuchterückgewinnung, Photovoltaikanlage, thermische Kollektoren, großer Pufferspeicher, Tiefenbohrungen, Wärmepumpe, Fußboden- und Wandheizflächen (auch zur Sommerkühlung)
PlanungArchitekturbüro Reinberg ZT GmbH

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Titelfoto & Fotos: 1, 2, 6, 10, 12 Doris Lauter
Fotos:
7-9, 11 Rupert Steiner
Foto / Pläne: 3-5 Architekturbüro Reinberg ZT

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