Wohnen auf Zeit – ein Ferienhaus lädt zum Entschleunigen ein

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Als die Bauherrschaft das in die Jahre gekommene, marode Häuschen in Nordrach im Schwarzwald entdeckte, war ihr sofort klar, dass sie es zu neuem Leben erwecken wollen. Für die Sanierung sollten ausschließlich baubiologische Materialien zum Einsatz kommen; darunter Holz, Stroh und Lehm.

Autor
Michael Welle

Michael

Welle

Architekt, Baubiologe IBN, Dozent an der Hochschule Rottenburg, Studiengang Ressourceneffizientes Bauen im Fach Wohngesundheit und Raumdesign, 77652 Offenburg

Unmittelbar am Waldrand von Nordrach gelegen liegt das um 1831 erbaute Schwarzwaldhäuschen. Ein Wanderweg und das idyllische Plätschern eines Bachlaufs zeigen das Potenzial des Grundstücks auf. Große Sandsteinplatten vor dem Haus bilden einen passenden Übergang vom öffentlichen zum privaten Bereich. Die vorvergraute, silbrig anmutende Lärchenholzschalung, der Kalkverputz und die blauen Fensterläden bestimmen das freundliche Erscheinungsbild des Häuschens.

Erhaltenswerte Bausubstanz trotz schlechtem Zustand

Das Häuschen befand sich nach dem Kauf in einem sehr schlechten Zustand. Zwischen Kellergeschoss und Erdgeschoss fehlte die Decke und die Tragstruktur war zum Teil marode und musste ersetzt  bzw. ergänzt werden. Für die Sanierung wurde eine neue Betondecke zwischen Keller- und Erdgeschoss eingezogen und die kaputten Wandteile ersetzt. Die Kellerdecke, sowie die Außenwände und das Dach wurden mit Holzweichfaserplatten und Strohschüttung gedämmt und das Dach erhielt eine neue Eindeckung. Die meisten Arbeiten wurden von der Bauherrschaft in Eigenleistung ausgeführt.

1 Ansicht Nordwest mit Außenanlage
2 Ansicht Südwest mit Jahreszahl
3 Eingangsdetail Klingel
4 EG: Treppenmöbel und Küche
5 OG: Flur – alte und neue Bauteile
6 OG: Schlafzimmer
7 OG: Badezimmer mit geöltem Lehmboden
8 Ursprungszustand beim Kauf: Außenansicht
9 Ursprungszustand beim Kauf: Erdgeschoss Innenraum mit fehlender Decke

Ökologische Bauweise mit Holz, Stroh und Lehm

Es sollten ausschließlich ökologische und naturbelassene Baumaterialien zum Einsatz kommen; darunter Holz, Stroh und Lehm. Während die Wände im Erdgeschoss und in den Bädern mit Lehm verputzt und mit einer Wandheizung ausgestattet sind, sind die Wände im Obergeschoss sowie die Dachunterseite mit Weißtannenholz verkleidet. Die Böden der beiden Badezimmer sind mit Lehm ausgeführt, der lediglich mit Leinöl behandelt ist.

Die Holzböden im Wohn-Essbereich, der Küche und den weiteren Zimmern sowie die Innenausbauten – so auch das Treppenmöbel mit Abstellraum und die Küche – sind aus naturbelassenen weiß geölten Tannenhölzern. Die Decke zum kalten Keller wurde zusätzlich mit Strohschüttung gedämmt.

Das Häuschen verbindet im Inneren bewusst alte und neue Bauteile, was durch helle und dunkle Oberflächen erkennbar bleibt und sich zu einem schlichten und gemütlichen Gesamtbild fügt.

10 Kellergeschoss
11 Erdgeschoss
12 Obergeschoss
13 Dachgeschoss

Technische Ausstattung und Versorgung

Die Verwendung der schadstofffreien und natürlichen Materialien erzeugen im Inneren ein angenehmes und gesundes Raumklima – der Einsatz von teurer Technik ist nicht notwendig. Die Heizung wurde soweit möglich als wassergeführte Wandheizung, alternativ auch als wassergeführte Fußbodenheizung umgesetzt. Vor allem in den Obergeschossen kam eine Fußbodenheizung zum Einsatz, da hier durch die Dachschrägen kaum Wandflächen zur Verfügung standen. Das Häuschen ist an das Fernwärme- und Stromnetz der Gemeinde angeschlossen.

Altes Stützenraster in neuem Grundriss

Der Grundriss funktioniert nicht nur als Ferienhaus, sondern könnte auch dauerhaft als Wohnung genutzt werden. Die alte Tragstruktur, die sich im Erdgeschoss ausschließlich in Form von Stützen und Balken in dem sonst offen gehaltenen Koch-Wohn-Essbereich zeigt, gibt einen ersten Anhaltspunkt zur Geschichte im Inneren des Gebäudes. Im Obergeschoss dagegen ist die alte Tragstruktur vollflächiger ersichtlich. Die Lichtführung durch Dachflächenfenster ergibt einen schönen Lichteinfall und setzt bestimmte Bauteile in Szene.

Im respektvollem Umgang mit der alten Bausubstanz entstand ein ökologisches, schlichtes Ferienhaus in dem man Ruhe und Entspannung inmitten des wunderschönen Schwarzwaldes findet.

Baudaten

Sanierung eines Schwarzwaldhauses

ArchitektMichael Welle Architektur GmbH
Baujahr / Sanierung1831, Sanierung 2020/21
Bruttogrundfläche BGF128 qm
Aufbau AußenwändeKalkputz, Holzfaserdämmplatten 40 mm, Holztragwerk (zum Teil Bestand), Strohdämmung 180 mm, Diagonalschalung, Schilfrohrmatte, Wandheizung in Lehmputz 30 mm, Lehmoberputz
Aufbau DachLattung 30 mm, Konterlattung 40 mm, Unterdeckbahn, Holzweichfaserplatte 60 mm, Strohdämmung 140 mm, Dampfbremse, Holzschalung sichtbar, bestehende Sparren sichtbar
Aufbau InnenwändeHolzschalung sichtbar, Holzständer mit Holzweichfaserplatten dazwischen, Holzschalung sichtbar
Aufbau BödenSTB-Decke, Lattung, Strohschüttung 160 mm, Dampfbremse, Eichendielen geölt
Aufbau ZwischendeckenHolzplatte Tanne 25 mm, Fußbodenheizung in Lehmschüttung 160 mm, Tannendielenboden geölt 20 mm
FensterHolzfenster weiß
TürenTanne massiv geölt
Wärmeerzeuger und HeizmediumFernwärme
WärmeverteilungWand- und Fußbodenheizung
LüftungFensterlüftung

Alle Hölzer nur geölt, Fassade unbehandelt, Wandheizung in Lehmputz, Lehmschüttung unter dem Dielenboden im OG und Strohschüttung im EG.

Weitere Bilder und Infos: www.fewo-michelbach.de

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1 Kommentar

  1. Ui, gruselige Bestandsbilder.
    Und dann eine wunderbare Hausrettung!
    Das macht Lust auf einen Besuch im schönen Schwarzwald!

    Antworten

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Quellenangaben und/oder Fußnoten:

Abbildungen: Michael Welle

Autor
Michael Welle

Michael

Welle

Architekt, Baubiologe IBN, Dozent an der Hochschule Rottenburg, Studiengang Ressourceneffizientes Bauen im Fach Wohngesundheit und Raumdesign, 77652 Offenburg

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