Neuer Standard der Baubiologischen Messtechnik 2024
Wie entstand der neue Standard?
Die Arbeiten an der 9. Ausgabe des Standards begannen bereits 2018, damals trafen sich Wolfgang Maes und die von ihm neu zusammengestellte zehnköpfige Standard-Kommission aus erfahrenen Baubiologischen Messtechnikern einen Tag lang in Neuss. Dabei wurden, vorbereitet und koordiniert von Wolfgang Maes, Grundzüge der neuen Version besprochen und erste Ideen entwickelt. Durch seinen Tod im August 2019 lag die weitere Arbeit am SBM längere Zeit auf Eis, wurde aber dann Ende 2021 gemeinsam von der Baubiologie Maes, dem IBN und der Standard-Kommission wieder in Angriff genommen.
Die ursprüngliche Vorstellung dabei war, dass keine großen Änderungen nötig seien, da der Standard sich bewährt habe und gut anwendbar sei. Aber wenn sich zehn Leute zusammensetzen und intensiv jeden Standardpunkt Wort für Wort durchgehen, wenn jeder seine baubiologisch-praktischen Erfahrungen einbringt und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse beleuchtet werden, wenn weitere Fachleute konsultiert werden, wenn so lange engagiert diskutiert und gerungen wird, bis optimale Lösungen erscheinen und alle zufrieden sind, dauert es einfach eine ganze Weile. Und am Ende kamen so viele Neuerungen zusammen, sowohl diverse Nuancen als auch einige komplett neue Passagen und Richtwerte, mit denen anfangs nicht zu rechnen war.
Ab 2022 fanden über mehr als zwei Jahre hinweg monatlich rund zweistündige Online-Treffen der Standard-Kommission statt, ergänzt durch Recherchen und Absprachen zwischendurch sowie Abstimmungen mit Baubiologie Maes und IBN, so dass nun im August 2024, genau fünf Jahre nach Wolfgang Maes’ Tod und 32 Jahre nach Veröffentlichung des ersten SBM 1992, eine neue Version fertiggestellt werden konnte und zur Veröffentlichung bereitsteht.
Die „Köpfe“ der SBM-Standard-Kommission
- Christian Blank
- Dipl.-Ing. Joachim Gertenbach
- Dr. Dipl.-Chem. Thomas Haumann
- Bernd Kinze
- Dipl.-Ing. Friedbert Lohner
- Dr. Dipl.-Biol. Manfred Mierau
- Dipl.-Ing. (FH) Karlheinz Müller
- Johannes Schmidt
- Peter Sierck
- Stephan Streil
Alle Kommissionsmitglieder sind auch “Baubiologische Messtechniker IBN”.
Initiator und Entwickler des SBM war bis zu seinem Tod im August 2019 Wolfgang Maes. Ihm gilt unser aller Dank für sein Lebenswerk. Danke auch an seine Frau Thesi Stump, die auch den SBM 2024 noch intensiv begleitet und gefördert hat.
Was bleibt unverändert?
Wichtig war allen Beteiligten bei den Änderungen, dass die Grundideen des Standards, wie Wolfgang Maes sie konzipiert und jahrelang kultiviert hatte, strikt beibehalten werden – zu nennen sind hier insbesondere
- der ganzheitliche und umfassende Ansatz mit den drei Hauptsäulen A der physikalischen Felder, Wellen und Strahlen, B der chemischen Schadstoffe und Wohngifte bzw. des Raumklimas und C der Pilze, Bakterien und Allergene, also der mikrobiologischen Belastungen,
- die besondere Beachtung von Langzeitbelastungen (speziell am Schlafplatz),
- eine pragmatische Herangehensweise zur Identifizierung von Quellen baubiologischer Auffälligkeiten,
- die professionelle Anwendung von Mess- und Untersuchungsverfahren auf naturwissenschaftlicher Basis,
- und das Ziel des Schaffens möglichst unbelasteter, risikoarmer bzw. naturnaher Innenräume und die vorsorgliche Minimierung von Risikoreduzierungen im individuell machbaren Rahmen mit der Orientierung am Erreichbaren. So wurde bei den Richtwerten z.B. noch mehr als bisher und oberhalb der Richtwert-Definitionen und -Tabellen betont: “Prinzipiell und übergeordnet gilt: Jede Risikoreduzierung ist anzustreben. Richtwerte sind Orientierungshilfen. Maßstab ist die Natur.”
Was ist neu?
Der nun vorliegende Standard ist insofern keine Revolution, sondern eine behutsame Weiterentwicklung und Präzisierung. So gibt es beim Standard selbst, der Sammlung aller baubiologisch relevanten Stressfaktoren in Innenräumen mit den möglichen Ursachen, nur einige wenige Aktualisierungen und Neuerungen (z.B. die Aufnahme der aktuell in der Diskussion stehenden PFAS in die B3-Schadstoffliste oder die Verschiebung der Luftelektrizität vom Raumklima B6 zur Elektrostatik A4), ebenso bei den Messtechnischen Randbedingungen und den Leitsätzen. Und auch bei den Richtwerten, dem sicherlich im Alltag eines Baubiologischen Messtechnikers wichtigsten Teil-Dokument, wurden die bislang bestehenden Vorgaben und Erläuterungen bei den meisten Standardpunkten auch weiterhin als richtig und ausreichend angesehen, wurden an den meisten Stellen inhaltlich nur leichte Anpassungen vorgenommen. Auf diese Weise
- entstanden z.B. geringfügige Veränderungen bei den Richtwert-Vorworten und Auffälligkeits-Definitionen,
- wurden bei allen Standardpunkten die (kleingedruckten) Schlusszeilen aktualisiert,
- gibt es bei Radon nun die Vorgabe, die jeweils vorliegenden natürlichen Hintergrundkonzentrationen mit in die Bewertung einzubeziehen,
- wurden die Unterzeilen bei den Lösemitteln und leichtflüchtigen Luftschadstoffen B2 deutlich ausführlicher gestaltet
- und wurde bei den Schlussbemerkungen ein Absatz zur Anwendung verschiedener Messgeräte und -verfahren beschrieben (“In vielen Fällen können orientierende Messverfahren angewendet werden. Bei komplexen Belastungen oder Fragestellungen sollten präzisere (und meist aufwändigere) Messgeräte und -verfahren gewählt werden.”).
Wichtig und besonders hervorzuheben sind drei Standardpunkte, bei denen komplett neue Bewertungshilfen und Richtwerte entwickelt wurden, die nun also erstmalig bzw. klarer bewertbar gemacht wurden:
- Bei Schall, dem Standardpunkt A8, wurden aufgrund der in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen und Fallbeispiele, die vormals nur in den Messtechnischen Randbedingungen dargestellten Erläuterungen erweitert und in den Rang von Richtwerten bzw. Richtsätzen erhoben: Dem übergeordneten Satz “Es dürfen keine individuell störenden Geräusche oder Vibrationen vorhanden sein” folgen Richtwerte für dB(A)-, dB(C)- und dB(Z)-Schallpegel.
- Auch bei Licht, dem erst bei der letzten SBM-Novelle 2015 neu aufgenommenen Standardpunkt A9, gab es bislang nur einige Bewertungshilfen in den Messtechnischen Randbedingungen. Diese wurden nun erweitert und in die Richtwerte für Schlafbereiche aufgenommen, wobei es im Wesentlichen bei Richtsätzen blieb, ergänzt mit wenigen Zahlenwerten zur Beleuchtungsstärke nachts oder dem Farbwiedergabeindex und dem Flimmer-Anteilen von Leuchtmitteln.
- Ganz neu sind Angaben und Sätze zu Gerüchen (integriert in den Standardpunkt B6, dem Raumklima) – ein messtechnisch objektiv sicher oft schwer zu fassendes Thema, das aber erfahrungsgemäß für rund die Hälfte aller Anfragen im Bereich der Schadstoffe verantwortlich ist. Auch hier wurde das Konzept eines übergeordneten Richtsatzes (“Es sollten keine individuell störenden Gerüche vorhanden sein”) mit ergänzenden Richtwert-Kategorien gewählt, wobei bei diesen keine messtechnisch ermittelten Zahlen zu finden sind, sondern Angaben zur subjektiv wahrzunehmenden Intensität, Hedonik (wie unangenehm ist der Geruch?) und Akzeptanz der Gerüche.
Schließlich sollte noch besonders beachtet werden, dass bei den elektrischen und magnetischen Wechselfeldern (Standardpunkte A1 und A2) Faktoren zur Beurteilung höherer Frequenzen als den üblichen 50 Hertz bzw. deutlicher Oberwellen (u. a. ‘dirty power’) entwickelt wurden, und dass bei den Schimmelpilzen (C1) nunmehr neben den bisherigen Richtsätzen auch zahlenmäßige Angaben zur Größe von Befällen sowie zu mikroskopisch nachweisbaren Schimmel-Geweben oder -Sporen entwickelt wurden; zudem wird hier nun ein kritischer Wert für die Wasseraktivität von Materialien, der wesentlichen Grundlage für Schimmelbefälle, benannt.
Downloads
- Standard der Baubiologischen Messtechnik SBM 2024
- Baubiologische Richtwerte für Schlafbereiche 2024
- Messtechnische Randbedingungen 2024
- Leitsätze der Baubiologischen Messtechnik
- Zum Vergleich: Alles vom SBM 2015
- Baubiologische Empfehlungen für Arbeitsplätze
Ausblick
Insgesamt hoffen Baubiologie Maes, IBN und Standardkommission, dass mit dieser Novelle der Standard samt seinen Richtwerten, Randbedingungen und Leitsätzen für die nächsten Jahre eine weiterhin solide und noch bessere Hilfe als bisher für alle Baubiologischen Messtechniker wie auch für alle von Innenraumproblemen betroffenen Menschen ist, damit unser aller Ziel, vorsorglich baubiologisch unbelastete Innenräume und Schlafplätze zu gewährleisten, erreicht wird.
Das IBN sagt danke!
Seit 1992 gibt es den Standard der Baubiologischen Messtechnik SBM. Seitdem bietet er vielen tausend baubiologischen Fachleuten, allen voran Baubiologischen Messtechniker*innen IBN Orientierung. Sicher noch wichtiger: Seitdem hat er Hunderttausenden, wenn nicht Millionen von „Haus-Krankheiten“ Betroffenen geholfen, wieder gesund zu werden oder sich zumindest in ihren Wohnungen, Häusern, Büros usw. wohl zu fühlen.
Unsere Wertschätzung und unser aufrichtiger Dank gilt allen, die dieses unabhängige, ganzheitliche und wichtige Werk ehrenamtlich mit großem fachlichen Fachverstand sowie jeder Menge Idealismus und Zeit ermöglicht haben. Allen voran dem 2019 leider verstorbenem Initiator Wolfgang Maes, seiner Frau Thesi Stump sowie der SBM-Standardkommission!
Statt einem Schlusswort möchten wir hier das seit 1992 übergeordnete Grundprinzip des SBM zitieren:
„Jede Risikoreduzierung ist anzustreben.
Richtwerte sind Orientierungshilfen.
Maßstab ist die Natur“.
Ihre Stimme zählt
Wir sind neugierig darauf, was Sie zu sagen haben. Hier ist Raum für Ihre Meinung, Erfahrung, Stellungnahme oder ergänzende Informationen. Wir bitten Sie um Verständnis, dass auf dieser kostenlosen Informationsplattform:
- Fragen nicht beantworten werden können – bitte stellen Sie Ihre Fragen direkt an unsere Autor*innenAutor*innen.
- Werbung nicht gestattet ist – Sie können aber gerne mit einem Werbebanner auf Ihre Produkte/Dienstleistungen aufmerksam machen
3 Kommentare
Einen Kommentar abschicken
Quellenangaben und/oder Fußnoten:
Wie werde ich
Baubiolog*in IBN?
How to become a Building Biology Consultant IBN?
Nachhaltig weiterbilden
Know-how, Zusatzqualifikationen und neue berufliche Möglichkeiten für Baufachleute sowie alle, die sich für gesundes, nachhaltiges Bauen und Wohnen interessieren.
Unser Kompetenz-Netzwerk
Hier finden Sie unsere qualifizierten Baubiologischen Beratungsstellen und Kontakte im In- und Ausland nach Standort und Themen sortiert.
Über die Baubiologie
Die Baubiologie beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Menschen und ihrer gebauten Umwelt. Wie wirken sich Gebäude, Baustoffe und Architektur auf Mensch und Natur aus? Dabei werden ganzheitlich gesundheitliche, nachhaltige und gestalterische Aspekte betrachtet.
25 Leitlinien
Für einen schnellen, aufschlussreichen Überblick haben wir in 25 Leitlinien der Baubiologie die wichtigsten Parameter herausgearbeitet, sortiert und zusammengefasst. In 15 Sprachen, als PDF oder als Plakat erhältlich.
Es ist erstaunlich und sehr wertvoll, dass der SBM in seinen Grundzügen von seiner Gründung bis in die Zukunft eine solide und kontinuierliche Basis darstellt und sich bewährt hat und weiter bewähren wird. Während unzählige andere Regelwerke fast monatliche Neufassungen erhalten – man mag sie schon gar nicht mehr lesen.
Finde ich eine coole Sache – vielen Dank an alle beteiligten!
Das war ein Kraftakt. Herzlichen Glückwunsch zum gelungenen Ergebnis.
Auch der Artikel ist übersichtlich und sehr informativ!
Vielen Dank.
Danke an alle Mitwirkenden!