Die wahren Kosten von Lebensmitteln und Baustoffen

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Wรผrde man die Folgekosten fรผr Umwelt und Gesellschaft bei der Lebensmittelproduktion mit einpreisen, kosteten alle Lebensmittel mehr. Einige nur 4 oder 6 %, andere fast 200 % mehr, so die Ergebnisse einer Studie der Universitรคt Augsburg. ร„hnlich ist die Situation bei Baustoffen.

Autor

Tobias

Gaugler

wissenschaftlicher Assistent an der Universitรคt Augsburg, Studienfachberatung WING-Bachelor Wirtschaftsinformatik, insb. Finanz- & Informationsmanagement

Was kosten uns Lebensmittel wirklich? Beziehungsweise: Ist der Ladenpreis, den wir fรผr sie bezahlen, ihr wahrer Preis? Derjenige also, der auch alle Folgekosten mit ausweist, die bei ihrer Produktion entstanden sind und fรผr die alle am Ende aufkommen mรผssen?

Dieser Frage geht Dr. Tobias Gaugler am Institut fรผr Materials Resource Management der Universitรคt Augsburg in seinen Forschungen auf den Grund. 2018 erschien die Studie โ€žHow much is the dish โ€“ was kosten uns Lebensmittel wirklich?โ€œ Nun berechneten Gaugler und sein Team im Auftrag der PENNY Markt GmbH erneut die externen Kosten handelsรผblicher Lebensmittel.

LebensmittelPreisaufschlag
Produktionsart
konventionell / bio
ร„pfel8% | 4%
Bananen19% | 9%
Kartoffeln12% | 6%
Tomaten12% | 5%
Mozzarella52% | 30%
Gouda88% | 33%
Milch122% | 69%
Fleisch (gemischt)173% | 126%

Die “wahren Kosten” (“True-Costs”) fรผr Lebensmittel

Im Unterschied zu den aktuellen Lebensmittelpreisen zeichnen sich die โ€žwahren Kostenโ€œ (โ€žTrue Costsโ€œ) von Lebensmitteln dadurch aus, dass in diese auch Umwelt- und soziale Folgekosten eingehen, die bei der Herstellung der Lebensmittel entstehen. Sie werden von Lebensmittelproduzenten verursacht, aber aktuell โ€“ indirekt โ€“ von der Gesamtgesellschaft getragen. So zahlen die Verbraucher beispielsweise fรผr die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft mit dem Klimawandel und seinen Auswirkungen; oder sie bezahlen mit der Wasserrechnung fรผr die Aufbereitung von Trinkwasser, welches aufgrund von Dรผngemitteln belastet ist. Mittels โ€žTrue Cost Accountingโ€œ werden nicht nur die direkten Produktionskosten in den Preis eines Lebensmittels eingerechnet, sondern auch dessen Auswirkungen auf รถkologische oder soziale Systeme in Geldeinheiten umgerechnet. Diese Bilanzierung von Lebensmittelpreisen verdeutlicht welche Produkte und Produktionsformen sich langfristig wie auf die Gesundheit des Planeten und gleichzeitig den Geldbeutel der Verbraucher auswirken.”

Unsere Untersuchungen offenbaren eine teils enorme Differenz zwischen den aktuellen Erzeugerpreisen und den wahren Kosten”, resรผmiert Gaugler und erlรคutert weiter: “Die hรถchsten externen Folgekosten und damit grรถรŸten Fehlbepreisungen gehen mit der Produktion konventionell hergestellter Nahrungsmittel tierischen Ursprungs einher. Konventionell produzierte Fleisch- und Wurstwaren mรผssten auf Erzeugerebene dreimal so teuer sein, wie sie derzeit sind, die zweithรถchsten Aufschlรคge mรผssten fรผr konventionell hergestellte Milchprodukte erfolgen, die niedrigsten mit fรผr Bio-Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs.โ€œ

So viel hรถher mรผssten die Kosten fรผr Lebensmittel sein, wรผrden die produktionsbedingten Folgekosten fรผr Umwelt und Gesellschaft mit eingepreist.

Kostentreiber Stickstoff

Bei tierischen Produkten ist die Hรถhe der externen Kosten v. a. durch die energieintensive Aufzucht der Nutztiere bedingt: Futtermittelanbau, Beheizung und Belรผftung der Stรคlle sowie der Stoffwechsel der Tiere fรผhren zu Austragungen von reaktivem Stickstoff und von Treibhausgasen sowie zu Energiebedarfen, die beutend hรถher sind als bei pflanzlichen Produkten.

Vergleicht man konventionelle mit รถkologischen Produktionspraktiken, fรผhren vor allem der Verzicht auf mineralischen Stickstoffdรผnger sowie ein geringerer Einsatz von industriell produziertem Kraftfutter in allen untersuchten Lebensmittelkategorien zu geringeren externen Kosten und Preisaufschlรคgen fรผr รถkologische Produkte.

Gaugler: โ€žFรผr viele negative Klima-, Umwelt- und Gesundheitsfolgen, die sich aus der Produktion von Lebensmitteln ergeben, kommen aktuell weder die Landwirtschaft noch die Konsumenten auf. Hier handelt es sich um eine Form von Marktversagen, der mit wirtschaftspolitischen MaรŸnahmen begegnet werden mรผsste.” Insbesondere Produkte aus konventioneller Nutztierhaltung mรผssten also deutlich mehr kosten, als dies aktuell der Fall ist.

Weitere gravierende Folgen wie die gesellschaftlich-sozialen sozialen Auswirkungen von Antibiotikaresistenzen oder die รถkologischen Auswirkungen des Einsatzes von Pestiziden wurden in den Berechnungen nicht berรผcksichtigt.

Kommentar Winfried Schneider, IBN

Die wahren Kosten von Baustoffen

Wie bei Lebensmitteln, entstehen auch bei der Produktion von Baustoffen bzw. durch das Bauen und Wohnen insgesamt Folgekosten in einer รคhnlichen GrรถรŸenordnung, die nicht direkt von den Verursachen bezahlt werden mรผssen, sondern von der Gesamtgesellschaft. Entsprechend teurer sein mรผssten vor allem Baustoffe mit schlechter ร–kobilanz und das Nutzen von Gebรคuden mit hohem Energieverbrauch auf Basis fossiler Energietrรคger, aber auch gesundheitsschรคdliche Baustoffe. Diese Situation ist nicht zuletzt ungerecht, da sie die eigentlichen Verursacher hรคufig nur zu Teilen trifft, dafรผr aber auch sozial Schwache.

Hรถchste Zeit also, das Verursacherprinzip anzuwenden und baubiologische Bauweisen zu fordern, zu fรถrdern und steuerlich zu entlasten.

In der Studie โ€žEnergiebedingte externe Kosten des Bauens und Wohnensโ€œ hatte schon im Jahre 1999 das Institut fรผr รถkologische Raumentwicklung in Dresden externe Mehrkosten in einer GrรถรŸenordnung von bis zu 10 % fรผr Wohngebรคude ermittelt. Dabei ging es aber lediglich um energiebedingte externe Kosten fรผr das Bauen und Wohnen insgesamt, zudem lรคge dieser Wert heute vermutlich deutlich hรถher.

Quellenangaben

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1 Kommentar

  1. schรถner Artikel,
    anschauliches Aufmacherbild :).

    Erst einmal sind bei Baustoffen die Treibhausgase und die Energie sicher ziehlfรผhrend.
    Nicht zuletzt sind auch รคsthetische Kriterien wichtig.

    Antworten

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Beitrag Quelle: Universitรคt Augsburg – weitere Angaben siehe Autorenkasten
Grafik: Universitรคt Augsburg
Titelbild:
AdobeStock, Ljupco Smokovski / sveta

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