Mauerwerksabdichtung mit Ton

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Steigende Ansprรผche im Umweltschutz und in der Denkmalpflege haben zu einer Wiederentdeckung tonhaltiger Abdichtungen von Mauerwerk gefรผhrt. Forschungen zeigen Mรถglichkeiten, die historische Technik auch aktuell anzuwenden.

Autor
Martin Michette

Martin

Michette

School of Geography and the Environment, University of Oxford, UK. Forschte an der FH Potsdam รผber Wirkungsmechanismen und Einsatzmรถglichkeiten von tonhaltigen Mauerwerksabdichtungen

Natรผrliche, tonhaltige Baustoffe haben das Potenzial, Abdichtungen aus Kunststoff oder Bitumen zu ersetzen. Die Entwicklung und industrielle Herstellung von Bentonitplatten * sowie von bentonithaltigen Mischungen fรผr die Teich- und Deponieabdichtung hat den Markt fรผr tonhaltige Abdichtungen (TA) vergrรถรŸert. Vorteilhaft fรผr die Denkmalpflege ist, dass nachtrรคgliche Abdichtungen mit TA keine chemische oder mechanische Befestigung brauchen und somit reversibel sind. TA sind auch bezรผglich der ร–kobilanzierung nach DIN im Neubau eine spannende Alternative zu den energieintensiven Standardverfahren. Hervorzuheben ist auch die Herstellung aus natรผrlichen Stoffen und die unbedenkliche Vermischung mit dem Erdreich zum Ende der Lebenszeit. Gleichzeitig sollte jedoch auf die weltweit vereinzelten und begrenzten Bentonitvorkommen hingewiesen werden; die Anwendung von bentonithaltigen Fertigmischungen kann entsprechend mit hohem Transportaufwand und -kosten verbunden sein, insbesondere in Folge groรŸen Tonmengen, die im Vergleich z.B. zu einer Abdichtung mit Kunststofffolien gebraucht werden. Neben den Fertigmischungen gibt es einzelne Beispiele von Abdichtungen mit geeignetem, lokalem Grubenlehm. Diese Variante ist auch historisch bekannt und bietet Lรถsungen, welche im Gegensatz zu den energieintensiven Standardverfahren รผber ihren kompletten Lebenszyklus fast energieneutral sind.

* Bentonit ist ein Gestein mit einem sehr hohen Anteil an Montmorillonit, der nach seinem Fundort in Fort Benton, Montana (USA) benannt wurde. Montmorillonit ist ein quellfรคhiges Tonmineral. Die quellfรคhigen Tonminerale sind in der Lage, ausreichend Wassermolekรผle zu adsorbieren, um eine deutliche Volumenzunahme (Quellung) zu verursachen. Weltweit gibt es begrenzte abbauwรผrdige Vorkommen vom sehr stark quellfรคhigen Natriumbentonit.

Vor- und Nachteile von tonhaltigen Abdichtungen

Vorteile tonhaltiger AbdichtungenNachteile tonhaltiger Abdichtungen
gute ร–kobilanz (energiearm)begrenzte natรผrliche Vorkommen (insbesonders fรผr bentonithaltige Stoffe)
natรผrliche BestandteilegrรถรŸere Baustoffmenge als eine Kunststoffabdichtung
reversibelRissbildung bei falschen Mischungen
ohne chemische oder mechanische Befestigung
unbedenkliche Vermischung mit dem Erdreich zum Ende der Lebenszeit

1 Bentonitplatten an der rekonstruierten Rรถmischen Stadtmauer in Xanten, 2012. Sie wurden verklebt und mit Schienen an das Mauerwerk gepresst, um gegen Feuchtigkeit aus einem angeschรผtteten Erdwall zu schรผtzen
2 Die rekonstruierte Stadtmauer in Xanten mit neuem Erdwall
3 Einbau einer tonhaltigen Dichtmasse: Arbeitsraum ausgraben, Trennstreifen im erforderlichen Abstand zum Mauerwerk โ€“ abhรคngig von der Dichtmasse 20-60 cm โ€“ einbringen, Masse schichtweise einschรผtten
4 Die Dichtmasse wird flach abgezogen und der Fรผllboden zur gleichen Hรถhe aufgefรผllt
5 Der Trennstreifen wird entfernt und die komplette Schicht verdichtet

Herstellungsverfahren

Tonhaltige Abdichtungen kรถnnen mit folgenden Verfahren hergestellt werden:

  • Bentonitplatten oder -matten sind ein Verbundprodukt aus reinem, hoch-quellfรคhigem Natriumbentonitmehl und Hรผllen aus Wellpappen bzw. Geotextilien. Sie werden trocken eingebaut und mit Erdreich angepresst (Bild 1-2). Bei Wasseraufnahme dehnen sich die Tonminerale aus und das Ton-Wasser-Gemisch wird strรถmungsdicht. Sie mรผssen dauerhaft feucht gehalten werden, um Schrumpfrisse zu vermeiden. Bei Vertikalabdichtungen ist i.d.R. eine Befestigung notwendig. In manchem Fรคllen ist ein Schutzvlies erforderlich. Bei stark salzhaltigem Wasser ist die Bentonitvertrรคglichkeit zu beurteilen.
  • Tonhaltige Dichtmassen sind Tone oder tonige Bรถden, welche am abzudichtenden Bauteil schichtweise verdichtet werden (Bild 3-5). Sie kรถnnen als vertikale und horizontale Sperre ohne chemische oder mechanische Befestigung eingebaut werden. Bei Vertikalsperren ist eine Auflast erforderlich und sie sind gegen ein Hinterlaufen zu schรผtzen. Angrenzende Bauteile mรผssen entstehende Quelldrรผcke aufnehmen kรถnnen. Es ist auf den Einbauwassergehalt zu achten und wรคhrend des Einbaus Dichte, Volumenkonstanz, Bindekraft und Kalkgehalt zu prรผfen. Tonhaltige Dichtmassen werden weiter aufgeteilt in:
    • tonhaltige Dichtmischungen = vorgefertigte Mischungen aus verschiedenen Bodenbestandteilen wie z.B. Sand mit kontrollierter Bentonitzugabe.
    • Abdichtungstone aus lokal vorkommenden Bรถden.

Darauf ist zu achten

Alle Herstellungsverfahren stellen keine geregelte Bauweise dar und deshalb setzt ihre Anwendung die konkrete Zustimmung des Bauherren voraus. Vor allem die tonhaltigen Dichtmassen (TD) sind in der herkรถmmlichen Bauwerksliteratur kaum dargestellt, wurden aber sowohl historisch als mittlerweile auch in mehreren zeitgenรถssischen Denkmalsanierungen erfolgreich eingesetzt. Sie werden auch als Tonpackungen, Lehmpackungen oder Braune Wannen bezeichnet. Je nach vorhandenen Materialien und Wassereinwirkung ist evtl. ein gewisser Restfeuchtigkeitsdurchtritt nicht auszuschlieรŸen; in einigen Fรคllen wurde nach Abdichtung mit tonhaltigen Dichtmassen รผber Feuchteschรคden berichtet. Mรถglicherweise handelte es sich dabei aber auch um Fehler im Umgang mit dieser relativ unbekannten Bautechnik. Der Einbau tonhaltiger Dichtmassen ist im Vergleich zu anderen Verfahren relativ unkompliziert, erfordert jedoch Praxiserfahrung und evtl. Wartung.

Insbesondere Abdichtungstone bilden einen natรผrlichen Nรคhrboden fรผr Pflanzen und Tiere. Deshalb sind auch bei sehr hohen Dichten feine Wurzeln und Insektenbefall nicht auszuschlieรŸen. Die beschriebenen Quellmechanismen kรถnnen entstandene feine Risse schlieรŸen, bevor sie Feuchtigkeit transportieren. GrรถรŸere FraรŸgรคnge und wachsende Wurzelkanรคle kรถnnen jedoch zum Eintritt grรถรŸerer Wassermengen fรผhren. Eine Schutzschicht aus Kies oder oder einem natรผrlichen Faserstoff kรถnnte diesem Punkt entgegen wirken. Eine Kiesfilterschicht mit Drรคnage kann auch gegen Restfeuchtedurchtritt bei hoher Wassereinwirkung helfen. Obwohl Quellmechanismen und Anpressdruck ein Hinterlaufen minimieren, kann รผber lรคngere Zeit eine Fuge am oberen Anschluss zwischen Dichtmasse und Mauerwerk ausgewaschen werden. Wenn eine konstruktive Lรถsung wie eine Abdeckung oder eine รœberlappung der Fassade nicht mรถglich ist, sollte hier alle paar Jahre nachverdichtet werden, um drรผckenden Wassereinbruch zu verhindern.

Wie funktionieren tonhaltige Dichtmassen?

Die abdichtende Wirkung von TD ist die Folge mehrerer, teilweise kombinierter Mechanismen:

  • Zum ersten kรถnnen TD im verdichteten Zustand durch eine gรผnstige Kornverteilung eine hohe Dichte und Wasserfestigkeit erreichen. Um die maximale Dichte zu erreichen, muss die TD mit dem richtigen Wassergehalt verdichtet werden.
  • Zum zweiten hat der Tonanteil der TD das Vermรถgen, Wasser an sich zu lagern. Bei Feuchteeintritt bremst er so den Wassertransport durch die Schicht.
  • Zum dritten hat das Adsorptionsvermรถgen der Tonminerale die Fรคhigkeit, durch Quellmechanismen den Porenraum der Dichtmasse zu schlieรŸen.
  • Zum vierten kann Kalk hydraulisch abbinden, Porenzemente bilden und so die Schrumpfgefahr mindern sowie die Wasserfestigkeit erhรถhen.

Die bislang bekannten historischen Verfahren haben einen hohen Kalk- oder Kalzitgehalt. Im sog. Huwwar aus der antiken Baukunst in Jordanien wurde sandigem Lehm Kalk zugemischt. In der Jingganshan Region Chinas wurde kalkhaltigem Boden Nussรถl zugemischt. In Tibet wird bis heute der kalkhaltige Arga-Stein verwendet. Auch in Deutschland sind Tonschichten als Versuch einer Sperrschicht an einigen sรคchsischen Lehmbauten bis zurรผck in das 6. Jahrhundert nachzuweisen. Geschiebemergel โ€“ z.B. der Endmorรคnenlandschaften im Nordosten Deutschlands โ€“ eignen sich aufgrund ihres natรผrlichen Kalkgehalts und gut abgestufter Kornverteilung oft als Abdichtungstone.

6 Sรผdansicht der Heilig-Geist-Kirche in Teupitz aus dem 13./14. Jahrhundert
7 Die Ausgrabung am Mauerwerkssockel schafft Arbeitsraum zum Verdichten der Lehmpackung
8 Ausschachtung zur รœberprรผfung der Lehmpackung. Die grรคuliche Farbe deutet auf einen vorteilhaft hohen Kalkgehalt hin

Aktuelles Fallbeispiel

Die Heilige-Geist-Kirche in Teupitz, Brandenburg ist ein Gotischer Backsteinbau aus dem 13/14. Jahrhundert (Bild 6). Sie wurde 2008 vom Architekturbรผro Reckers aus Baruth saniert. Hierzu hat die Untere Denkmalbehรถrde eine Lehmpackung als nachtrรคgliche Mauerwerksabdichtung ausgeschrieben. Die Dichtmasse aus einem lokalen Abdichtungston wurde als 60 cm starke Vertikalsperre am Mauerwerkssockel eingebaut (Bild 7). Die abzudichtende Flรคche wurde vor Einbau der Dichtmasse von auรŸen mit einer Dichtschlรคmme bestrichen, unter anderem um den Eintritt der Einbaufeuchtigkeit der Lehmpackung in das Mauerwerk zu verhindern. Zudem wurde der Kalkzementputz im Innenraum durch einen Kalkputz ausgetauscht und im AuรŸengelรคnde wurden Bordsteine zur Entwรคsserung verlegt. Nachdem 2011 an innen liegenden Wรคnden Feuchtespuren sichtbar wurden, sollte die TA auf Mรคngel untersucht werden. 2014 wurden dafรผr an einer Ausschachtung Proben entnommen (Bild 8). Auf Basis der darauf folgenden Prรผfung kann man davon ausgehen, dass die TA nicht die Ursache fรผr die feuchten Innenwรคnde war. Stattdessen hat vermutlich ein Fallrohr, das von 2003 bis 2008 direkt auรŸen am Mauerwerkssockel endete, das Mauerwerk durch den Sockel durchfeuchtet.

Nachdem der Kalkzementputz 2008 durch den Kalkputz ersetzt wurde, konnte die aufgestaute Feuchtigkeit aus dem Mauerwerk an die Wandoberflรคche wandern. 2015 wurde der Kalkputz erneuert. Laut dem letzten Bericht vom April 2020 haben sich die Feuchtigkeitseintrรคge in das Mauerwerk deutlich verringert.

Weitere Untersuchungen

An der Universitรคt Oxford und am Fraunhofer Institut fรผr Bauphysik untersuchen wir sowohl mรถgliche Methoden, natรผrlich vorkommende Bรถden fรผr tonhaltige Dichtmassen aufzuarbeiten, als auch den denkmalgerechten Einbau an einem antiken Grabmal in Pompeji. Ziel ist, die allgemeine Eignung der Technik nachzuweisen, um damit fรผr viele Bauprojekte und Regionen eine lokal vorkommende, nachhaltige Lรถsung fรผr die Mauerwerksabdichtung zu ermรถglichen.

Quellenangaben

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1 Kommentar

  1. Hallo zusammen,

    Danke fรผr den Beitrag.

    In der Denkmalpflege ist dies eine willkommene Alternative zur bituminรถsen Abdichtung. Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Handwerker sind Anfangs zwar etwas skeptisch, jedoch bei der Ausfรผhrung dann angenehm รผberrascht. Vor allem, weil es nicht so dreckig beim Verarbeiten ist.
    Eine grรผndliche Planung und Beratung, Schwerpunkt Details (Nรคsse von oben), ist Voraussetzung zur Umsetzung. Nachtrรคglich ร„nderungen z. B. Rohrdurchfรผhrungen kรถnnen einfach wieder abgedichtet werden.
    Zeitersparnis durch Austrocknungszeiten (Ausgleichsputze) bei industriellen Abdichtungen kann ein gutes Argument gegenรผber dem Bauherrn sein.

    Ich bin durch einen Teichbauer auf diese Lรถsung der Abdichtung gekommen und es war super in der Umsetzung des denkmalgeschรผtzten Gebรคudes.

    Antworten

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Titelbild: Dernoton
Bilder 1, 2:
LVR-Archรคologischer Park Xanten
Bilder 3-5: Dernoton
Bilder 6, 8: Martin Michette
Bild 7: Architekturbรผro Reckers

Autor
Martin Michette

Martin

Michette

School of Geography and the Environment, University of Oxford, UK. Forschte an der FH Potsdam รผber Wirkungsmechanismen und Einsatzmรถglichkeiten von tonhaltigen Mauerwerksabdichtungen

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Gibt es "Passende Literaturtipps"?: ja

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