Ökodorf Sieben Linden – von der Utopie zur Realität!
Sieben Linden – eine realisierte Utopie!
Wer heute ins Ökodorf Sieben Linden kommt, trifft auf ein lebendiges Dorf, in dem Kinder auf unbefestigten Wegen spielen, Erwachsene so beschäftigt aussehen, wie sie das überall tun und ein 3 Hektar großer Gemüsegarten voller regionaler Gemüse Appetit auf’s Essen macht. 15 Strohballenhäuser und 45 Bauwagen bilden ein deutschlandweit einmaliges Ensemble. Die Siedlung ist weitgehend autofrei – auf dem Parkplatz vor dem Dorf kann man erkennen, dass Carsharing hier großgeschrieben wird, 14 Parkplätze sind für die dorfeigenen Autos, die sich die Gemeinschaft teilt, reserviert.
Die 155 Ökodorf-Bewohner*innen leben im puren selbstkreierten Luxus: Wer hat sonst schon einen Teich mit Badestrand, eine eigene Sauna, einen Tanzraum, in dem einmal wöchentlich Musik aufgelegt wird, die Auswahl zwischen mehreren Yoga- und Sportgruppen vor Ort? Wer wird zweimal täglich mit köstlichem Gemüse aus dem eigenen Garten bekocht und hat viele hilfsbereite Nachbarn in unmittelbarer Umgebung?
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Das Ökodorf-Gelände 1997 – noch sehr stark von der ausgeräumten Agrarlandschaft geprägt2
Strohballenhäuser “Windrose” und “Libelle” 3
Strohballenhaus “Windrose”
Kleine, geschlossene Kreisläufe – cradle to cradle
Das Ziel der „Selbstversorgung“ wurde in der Anfangszeit des Ökodorf-Projektes recht streng ausgelegt, aber dann im Laufe der Jahre bewusst angepasst. Es geht inzwischen darum, möglichst kleine, geschlossene Kreisläufe zu schaffen, sich bewusst zu sein, welche ökologischen und sozialen Konsequenzen an den Konsumgütern „hängen“ – und was mit den Produkten am Ende ihrer Lebenszeit passiert.
Im Lebensmittelbereich ist die Selbstversorgung mit Obst und Gemüse ein wichtiger Grundpfeiler. Übers ganze Jahr gesehen, versorgt sich das Dorf zu 70 % selbst mit Obst und Gemüse – und wir essen wirklich viel Gemüse, es wird täglich mittags und abends gekocht. Beim Bauen gehört zur Selbstversorgung inzwischen weniger die Eigenleistung aller zukünftigen Bewohnenden am Bau. Sondern es wird möglichst viel mit eigenen professionellen Handwerkenden gebaut, die für ihre Arbeit angemessen bezahlt werden. In einigen Häusern wurde auch mit Holz aus unserem Wald oder Lehm vom eigenen Gelände gearbeitet, aber aus den Erfahrungen mit der Materialqualität heraus wird inzwischen häufig auf die Baustoffe aus dem Handel zurückgegriffen. Auch im Energiebereich gibt es einen hohen Selbstversorgungsgrad (Solarthermie, Photovoltaik und Brennholz).
Wiege des Strohballenbaus
Sieben Linden ist die Wiege des Strohballenbaus in Deutschland. Fast alle Neubauten im Ökodorf sind Strohballenhäuser. Diese Bauweise ist ein perfektes Beispiel für den gelebten Grundsatz der kleinen Kreisläufe über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts: Das Stroh für die Baustrohballen wächst in der unmittelbaren Nähe des Ökodorfs, was die Transportwege kurzhält. Die Landwirte sind im guten persönlichen Kontakt mit uns. Am Ende der Lebenszeit des Hauses sind die Haupt-Baustoffe Holz, Stroh und Lehm als natürliche Materialien einfach zu recyceln bzw. zu kompostieren.
Aber das Ende der Lebenszeit der Sieben Lindener Häuser ist glücklicherweise noch lange nicht in Sicht. Das erste genehmigte Strohballenhaus Deutschlands wurde vor 22 Jahren hier gebaut und es gibt keinerlei Anzeichen von Schwachstellen und Schäden an dem Gebäude. In Frankreich und den USA stehen Strohballenhäuser, die in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts errichtet wurden und noch hervorragend in Schuss sind. Davon gehen wir auch von unseren Strohballenhäusern aus.
Kleiner ökologischer Fußabdruck
Strohballenbau ist keineswegs die einzige ökologische Besonderheit unseres Dorfes. In Sieben Linden gibt es durchgehend nur Kompost-Toiletten, die Fäkalien werden kompostiert, neuerdings sogar teilweise in einer kleinen, experimentellen Biogasanlage zu Biogas verwandelt. In den letzten Jahren wurden verstärkt auch Gründächer gebaut, die zu ganz besonderen Biotopen geworden sind.
Thermische Solaranlagen und Photovoltaik (PV) sind wichtige Teile des Energiekonzeptes. 60 % des im Dorf konsumierten Stroms kommen (rechnerisch) aus den eigenen PV-Anlagen. Wichtige nächste Schritte sind Stromspeicher und das Ernten von Windenergie. Bereits jetzt ist der ökologische Fußabdruck der Sieben Lindener Bewohner*innen nur 1/3 des Fußabdrucks eines durchschnittlichen Deutschen. Dies liegt erstens an der überwiegend pflanzlichen und regionalen Ernährung und zweitens an dem sensationell geringen Primärenergieverbrauch des Strohballenbaus sowie an den sehr energiesparenden Heizungen.
Strohballen werden eingebaut
Modell-Strohbauwand für Strohbauseminare
Eva Stützel hat aus den Erfahrungen beim Aufbau Sieben Linden den Gemeinschaftskompass entwickelt, der inzwischen ein wichtiges Tool für gemeinschaftliche Wohnprojekte geworden ist
Der Ökologische Fußabdruck Sieben Lindens ist beeindruckend kleiner als der deutsche Durchschnitt, aber immer noch zu groß!
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Strohballen werden eingebaut5
Modell-Strohbauwand für Strohbauseminare6
Eva Stützel hat aus den Erfahrungen beim Aufbau Sieben Linden den Gemeinschaftskompass entwickelt, der inzwischen ein wichtiges Tool für gemeinschaftliche Wohnprojekte geworden ist7
Der Ökologische Fußabdruck Sieben Lindens ist beeindruckend kleiner als der deutsche Durchschnitt, aber immer noch zu groß!
Die soziale Dimension
Ebenso wichtig wie die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit ist den Sieben Lindener*innen jedoch die soziale Dimension der Nachhaltigkeit. „Unser Ökodorf ist nur deshalb so erfolgreich, weil wir von Anfang an immer wieder viel Aufmerksamkeit auf unser Miteinander, auf den Aufbau einer konstruktiven Kommunikationskultur und die Gemeinschaftspflege gelegt haben!“ ist ein wichtiges Fazit der Gründer*innen Sieben Lindens. Dreimal jährlich nimmt sich die Gemeinschaft viel Zeit für sogenannte „Intensivzeiten“, teils mit, teils ohne externe Begleitung, um in Ruhe auf die gemeinschaftlichen Prozesse zu schauen. Viele kürzere Treffen wie „Vollversammlungen“, „Ratssitzungen“ und Kleingruppen sowie eine gute Organisationsstruktur, die laufend aktuellen Erfordernissen angepasst wird, sorgen dafür, dass Projekte sich auch in der Umsetzung gut entwickeln. Zur sozialen Dimension gehören auch die vielen Feste und eine Kultur der Wertschätzung und Würdigung aller Beiträge, die der Weiterentwicklung des Dorfes dienen.
Sommercamp
Kulturfestival "Wagen und Winnen"
Erntedank-Fest
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Sommercamp9
Kulturfestival “Wagen und Winnen”10
Erntedank-Fest
Sieben Linden ist genossenschaftlich organisiert, das Gelände und die Gemeinschaftsinfrastruktur gehören der Siedlungsgenossenschaft Ökodorf eG, in der alle festen Bewohner*innen Mitglied sind. Die meisten Wohnhäuser gehören der Wohnungsgenossenschaft Sieben Linden eG, Privatbesitz an Immobilien ist nicht erlaubt. Die Siedlungsgenossenschaft betreibt auch die dorfeigene Gärtnerei, die Photovoltaikanlagen und sie bewirtschaftet gut 70 Hektar Wald, aus denen das Brennholz für die Stückholzheizungen des Dorfes kommt. Dabei verfolgt sie ein ambitioniertes Waldkonzept, das inspiriert vom Ansatz des „Prozessschutzes“ eine langfristige ökologische Umwandlung des Waldes initiiert.
Die wesentlichste ökonomische Basis Sieben Lindens ist inzwischen weniger die Selbstversorgung als vielmehr die Betonung der „Lokalen Ökonomie“. Möglichst viele Aufträge werden im eigenen Dorf vergeben und so ist Sieben Linden weniger auf Einnahmen von außen angewiesen als es ein klassisches Dorf ist. Für den Geldfluss von außen setzen die Menschen aus Sieben Linden vor allem darauf, ihre Erfahrungen in die Welt zu bringen. Ein Seminarbetrieb für Nachhaltige Entwicklung, dessen Gäste selbstverständlich in einem Strohballenhaus untergebracht sind, ist eine ganz wesentliche Einkommensquelle. Daneben sind viele Sieben Lindener*innen selbständig und teilen ihr Wissen und Ihre Erfahrungen an anderen Orten als Berater*innen für Gemeinschaftsprozesse, als Umweltbildner*innen, oder als sachkundige Handwerker*innen im Strohballenbau.
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Ein schöner Artikel über dieses weit über seine Grenzen ausstrahlende Ökodorf. Gut, wenn es samt seiner hervorragenden gemeinschaftlichen Aspekte bekannter wird.
Ich kenne die Gegenüberstellung des CO2-Fußabdrucks noch in einer Variante ohne öffentliche Infrastruktur. Gut, dass dieser Anteil jetzt mitgerechnet wird.
Wir lassen gerade eine neue Fußabdruckstudie erstellen, vom Umweltbundesamt. Sind schon ganz gespannt auf die Ergebnisse. Der öffentliche Fußabdruck, so wie er in dieser STudie (der Uni Turin) berechnet wurde, ist ganz schön hoch, in anderen Quellen wird er niedriger angegeben.