Interview mit Christine Ehm
BAU & BIOLOGIE –
Christine Ehm
Was ist dein Lieblingsmaterial, Christine?
Holz! Da kann man so viel daraus machen, von der Holzverkleidung bis zur Konstruktion. Ich finde faszinierend, dass es auch so richtig alt werden kann. Meine Eltern haben ein Haus von 1730. Da hat mein Vater Möbel aus dem alten Restholz der Sanierung gebaut.
Du bist Diplom-Biologin und hast das Staatsexamen in Chemie abgelegt. Warum wurdest Du zudem Baubiologin IBN?
Als ich Jugendliche war, hat mein Vater ein Lehm-Stroh Haus gebaut. Eigentlich wollte ich dann Architektin werden. Als ich dann aber gemerkt habe, dass mich Naturwissenschaften noch mehr faszinieren, habe ich Biologie studiert. Mein Ziel war der Umweltschutz – die Industrie kam für mich nie in Frage. Später habe ich an der Uni-Klinik geforscht. Dann sind wir umgezogen und ich habe begonnen, Umweltberatung zu machen. Zu Schimmel bin ich viel angefragt worden. Beim Recherchieren nach Weiterbildung bin ich auf das IBN gestoßen.
Auf der Suche nach unabhängigen Informationen zu Schimmel bist du also zur Baubiologie gekommen?
Ganz genau. Mir haben die ganzen Leitlinien nicht ausgereicht – UBA Leitfaden, b.f.s.Netzwerk Schimmel, die Veröffentlichungen des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg.
Du hattest am Ende des Studiums einen Schwerpunkt auf Insekten gelegt. Wie beurteilst du heute den Zustand unserer bestäubenden Insekten?
Erst einmal finde ich es total toll, dass du nach bestäubenden Insekten fragst und nicht nur, was ich zu den puscheligen Bienchen meine (lacht). Dieses Thema auf Bienen zu reduzieren, wird dieser Sache nicht gerecht. Es sollte um alle bestäubenden Insekten gehen. Und hier sind nicht nur die Insektizide wichtig. Es gibt ganz viele problematische Punkte. Wir haben über eine Million Insektenarten auf der Welt. Nur es werden immer weniger in einer Art. Das kann zum Aussterben führen. Und das ist dann wie ein Dominoeffekt. Fragen sind: Muss ich einen Steingarten haben, einen englischen Rasen? Schädlich ist auch Elektrosmog, weil die Insekten ihre Orientierung verlieren.
Gibt es wissenschaftliche Forschungen, die diese Vermutung erhärten?
Ja. Es gibt da eine Publikation der Kompetenzinitiative von Prof. Dr. Karl Hecht und Prof. Dr. Karl Richter. Sie zeigt, wie Ulrich Warncke, ein Biophysiker, DECT-Telefone neben den Bienenstock gelegt hatte. Daraufhin haben die Bienen ihn nicht mehr gefunden.
Mehr zum Thema: „Hummelpelz als Elektrosensor – Ist Elektrosmog Mitursache für das Insektensterben?“
Bei so viel kritischem Bewusstsein auf deiner Seite – wie lädst du deine Energie wieder auf?
Natürlich mit der Familie, beim Laufen mit unserem Hund. Im Sommer auch im Garten. Ich tanze sehr gerne. Lesen, Wandern. Alles Mögliche (lacht).
Du schreibst Artikel für Publikationen wie das „baubiologie-magazin“, beantwortest dort auch Fragen. Arbeitest du regelmäßig mit dem IBN zusammen?
Ja. Da gibt es viel Kommunikation, was ich sehr genieße. Zu meinem Spezialgebiet kommen immer wieder Fragen vom IBN. Aber auch ich kann dort anfragen, was ich immer wieder mache. Von Kunden kommen manchmal die seltsamsten Fragen. Ich kann nicht alles wissen. Aber durch das große Netzwerk bekomme ich alle Fragen beantwortet.
Bei welchem spannenden Projekt hat dir dein Netzwerk geholfen?
Die Besitzer eines Holzständerbaus hatten jahrelang Ameisen. Da kam auch fleißig der Kammerjäger und hat Insektizide ausgebracht. Nutzlos! Die Ameisen hat das nicht gestört. Dann zeigte sich, dass vom Carport jahrelang jede Menge Wasser ans Haus gelaufen war. Ich bin geholt worden, um die Ameisen zu untersuchen. Sie kommen praktisch nur bei Wasserschäden vor. Sie hatten die Westseite des Hauses komplett zerfressen. Im Treppenhaus habe ich Hefepilze gefunden, ein Zeichen für Feuchtigkeit. Da hat mich mein gesamtes Netzwerk beraten. Klar, im Vorbereich einer Arztpraxis muss man weiter nach den Ursachen suchen. Die Sanierung war umfangreich. Hätten sie mich gleich geholt, als sie das erste Mal die Ameisen entdeckten, wäre die Sanierung sehr viel günstiger geworden.
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Von der Schwarzen Rossameise (Camponotus herculeanus) zerfressenes Holz.2
Schwarze Wegameise (Lasius niger): geflügelte Jungköniginnen, Arbeiterinnen und Larven.
Was war Dein interessantestes Projekt bisher?
Mich rief jemand an und meinte: ‘Seit ich mein neues Sofa habe, habe ich immer so gereizte Augen.’ Ein Formaldehyd-Test war unauffällig. Auf der Suche nach leicht flüchtigen Schadstoffen habe ich Benzol in der Raumluft gefunden. Eigentlich war alles zehn Jahre vorher saniert worden, niemand hatte geraucht. Sehr seltsam. Ich habe dann Schimmelpilze gefunden, auch in einem anderen Raum. Im Gang haben wir Asbest im Bodenbelag gefunden. Wir sind einmal durch die gesamte baubiologische Analytik durch.
Schließlich fanden wir die Ursachen. In dem alten Haus mit den Bruchsteinwänden gab es viele Baufehler: Der ursprüngliche Holzbalkenboden war nach 150 Jahren durch einen Betonboden ersetzt worden. Die Bruchsteinwand war innen mit bis zu 15 cm Gips verspachtelt, außen ist mit Polystyrol gedämmt worden. Außerdem hatte man eine Drainage eingebaut, die allerdings das Wasser erst recht ans Haus geführt hatte. Früher konnte das im Sommer immer abtrocknen. Heute nicht mehr, nichts konnte die Feuchtigkeit puffern – überall Materialien wie kunststoffbeschichtete Holzwerkstoffe, Laminatboden, Polystyroldämmung… die kapillarbrechende Schicht unter dem Betonboden war zu dünn.
Wir haben schließlich festgestellt, dass die Bodendämmung aus Polystyrol komplett durchnässt und verschimmelt war. Das Wasser ist auch durch die Folien gelaufen. Das Benzol kam wahrscheinlich davon. Bakterien und Schimmelpilze haben die Polystyroldämmung in seine Bestandteile zerlegt.
Wohnzimmer eines über 170 Jahre alten Hauses aus Bruchsteinen vor der Sanierung
Der vor wenigen Jahren eingebaute Betonboden war nass und verschimmelt
Auch der asbesthaltige Bodenbelag des Gangs musste wegen Feuchtigkeit entfernt werden
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Wohnzimmer eines über 170 Jahre alten Hauses aus Bruchsteinen vor der Sanierung4
Der vor wenigen Jahren eingebaute Betonboden war nass und verschimmelt5
Auch der asbesthaltige Bodenbelag des Gangs musste wegen Feuchtigkeit entfernt werden
Was waren deine Sanierungsempfehlungen?
Wir haben unter dem Boden einen richtigen Kanal gegraben. Dort läuft das Wasser über einen angrenzenden Keller in einen Sumpf und wird dann in die Kanalisation geleitet. Die Bruchsteine wurden von einem Profi gereinigt. Die Fensterbretter aus Spanplatten sind heute aus Vollholz. Der Bodenaufbau wurde erneuert. Nun kommen noch Holzdielen rein, aber mit Abstand von der Wand, denn die wird immer ein bisschen feucht sein. Den Heizungsbauer habe ich überzeugt, dass er eine Sockelheizung einbaut. Die trocknet die Wand.
Nachdem der Schimmel saniert war, hatte die Eigentümerin schon keine Kopfschmerzen mehr. Wenn mal alles fertig ist, kann sie ohne Beschwerden dort wohnen.
Wie habt ihr die Arbeit bei deiner Baubiologischen Beratungsstelle IBN „BAU & BIOLOGIE“ verteilt?
Ich begutachte Schimmelschäden, suche Schadstoffe und übernehme Schädlingsbefälle. Meinen Vater hole ich bei anderen Bauschäden, weil er seit über 40 Jahren auf dem Bau tätig ist. Altbauten sind sein Schwerpunkt. Mein Mann macht Verkehrswertermittlungen.
Ist ein Makler verpflichtet, das Vorhandensein von Schadstoffen mitzuteilen?
Ja, wenn er es weiß. Ich habe auch schon drauf bestanden, dass er weitergibt, was ich gefunden habe. In anderen Ländern gibt es wohl einen Gebäudeausweis nicht nur für Energie, sondern auch für Schadstoffe. Leider lässt sich da viel tricksen.
Was ist Dein Wunsch für die Zukunft?
Für meine Familie Gesundheit und Frieden; dass wir Menschen die ökologischen Herausforderungen geregelt bekommen. Und für die Baubiologie, dass sie den Stellenwert bekommt, den sie verdient hat. Dann wäre vieles besser.
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Quellenangaben und/oder Fußnoten:
BAU & BIOLOGIE –
Christine Ehm
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