Was krabbelt denn da? – Teil 2

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Von unliebsamen Mitbewohnern, Panikmache und unnötigen Gifteinsätzen.

Autorin

Christine

Ehm

Dipl.-Biologin, Chemikerin und Leiterin einer Baubiologischen Beratungsstelle IBN in 79771 Klettgau

Nach der Einführung ins Thema in Teil 1, soll nun anhand von drei Fallbeispielen aufgezeigt werden, warum zur Bestimmung und bzgl. Bekämpfungsmethoden Sachverstand nötig ist und nur nach genauer Bestimmung oft unsinnige und unserer Gesundheit und/oder dem Ökosystem schadende Gifteinsätze vermieden werden können.

Kirchen-Fliegen

In einer denkmalgeschützten Kirche traten über mehrere Jahre Fliegen auf, in den Monaten Mai-September so massiv, dass man vor lauter Fliegen nicht mehr durch die Kirchenfenster schauen konnte. Selbst im November waren unter jedem Sitzkissen im Kirchenraum mehrere Fliegen und der Boden der Orgelempore war bedeckt von toten Fliegen.

Der zuerst beauftragte Schädlingsbekämpfer wollte per Vernebelung ein Insektizid in der Kirche ausbringen (ungefähr alle 2 Monate, jeweils 5.000 € Kosten), nachdem er per Telefondiagnose die Blockfliege diagnostizierte. Da die Kirche über und über mit Wandgemälden bemalt ist und die Restauratorin nicht sagen konnte, ob die Malereien evtl. Schaden nehmen, nahm man davon zunächst Abstand. Der Kirchenträger entschied sich für eine unabhängige Zweitmeinung. Nach der Bestimmung der Tiere stand fest: Musca autumnalis (häufig als Stallfliege bezeichnet). Damit gehörte diese Fliege nicht mal in die Familie der Blockfliegen.

Hinzu kommt, dass berechtigte Zweifel bestehen, dass die geplanten Insektizide Wirkung gezeigt hätten: Dazu folgendes Zitat aus dem Lehrbuch der Parasitologie für Tiermedizin:

„Eine geringe oder nachlassende Wirkung von Insektiziden oder Larviziden (töten Larven ab) kann auf Anwendungsfehler oder Resistenzen der Fliegenpopulation beruhen. Solche Resistenzen sind bei Musca domestica gegen alle wichtigen Insektizidgruppen (Pyrethrum und Pyrethroide, Organophosphate, Carbamate) sowie gegen Entwicklungshemmer bekannt. Nach alarmierenden Daten einer 2008 in Brandenburg durchgeführten Studie waren in Milchviehbetrieben 87 % von 60 Musca domestica-Populationen gegen das Pyrethroid Deltamethrin resistent und 10 % teilresistent.“ Wissenschaftler gehen davon aus, dass auch andere Musca-Arten, wie Musca autumnalis, diese ausgeprägte Resistenzbildung besitzen.

Die Fliegen sind auch nicht, wie angenommen, ausschließlich von außen in die Kirche gekommen, dafür waren es einfach zu viele.

Nach einigen Nachforschungen stellte sich heraus, dass der Kirchenstuhlboden mit einer Stroh-Lehm-Mischung aufgeschüttet worden war und hierfür auch Stallmist eingebracht wurde. Dies war wohl so lange Zeit unproblematisch, bis die ersten Fliegenpopulationen die Kirche als Überwinterungsquartier wählten. Die Fliegen haben aber kaum Chancen, die Kirche wieder zu verlassen, was zur Vermehrung in der Kirche führte und zwar auf dem Material, was ihnen zur Verfügung stand: Stroh-Stallmist-Schüttung. Da die adulten Fliegen keine oder kaum Nahrung vorfanden, vermehrten sie sich besonders intensiv (Arterhaltung / Populationserhaltung), was zu der ausgeprägten Plage führte.

Abhilfe wurde durch zeitweise angebrachte Fliegengitter an den Schlitzen des Kirchenstuhlbodens geschaffen; nach kurzer Zeit war die Fliegenplage gebannt. Sollte diese Fliegenplage wieder auftreten, ist das Ausbringen von sog. Gegenspielern (andere nicht störende Insekten, die die Puppen der Fliegen parasitieren und so die Population eindämmen) als Zusatzmaßnahme in Betracht zu ziehen.

1 Sog. Stallfliegen (Musca autumnalis) auf dem Kirchenstuhboden.
2 Von der Schwarzen Rossameise (Camponotus herculeanus) zerfressenes Holz.
3 Schwarze Wegameise (Lasius niger): 3 geflügelte Jungköniginnen, Arbeiterinnen und Larven.

Denkmalgeschützter Schwarzwaldhof mit Ameisenbefall

An der Holzfassade eines denkmalgeschützten Schwarzwaldhofes zeigte sich ein Insektenbefall mit großen Fraßschäden. Fassade und Pfosten bestanden aus Fichtenholz. Dieses zeigte eindeutige Fraßspuren am Kernholz, teilweise waren die Pfosten aus Kernholz fast gänzlich zerfressen.

Bei dem untersuchten Insektenbefall handelte es sich um Ameisen der Art Camponotus herculeanus (Schwarze Rossameise). Diese besiedeln normalerweise lebende Nadelbäume im Wald und bilden Nester im Erdreich. Manchmal nisten die Ameisen dieser Art auch in verbautem Holz im Wald oder am Waldrand, was dort zu erheblichen Schäden führen kann.

Eine ständige Holzfeuchte von über 10 % macht Holz für Insektenbefall i.d.R. anfälliger, was hier nicht der Fall war. Hier spielte wohl eher die große Nähe zum Wald und eine Portion Pech eine Rolle.

Die Nester im und am Haus mussten entfernt und nach Möglichkeit in den Wald umgesiedelt werden. Da die Holzfassade schon zu großen Teilen zerstört war, musste diese neu aufgebaut werden. Hier gab es nun zwei Möglichkeiten: Die Holzfassade aus Laubholz wiederherstellen, um die Wahrscheinlichkeit eines Wiederbefalls zu minimieren oder wieder mit Fichtenholz, dann aber mit ständiger Sichtkontrolle.

Vom Einsatz von Gift bzw. Holzschutzmitteln zur Verhinderung eines Wiederbefalls wurde aus mehreren, u. a. folgenden Gründen dringend abgeraten und Abstand genommen:

  • Holzschutzmittel wirken durch das Aufbringverfahren nur unzureichend und meist an der falschen Stelle, denn Holzschutzmittel werden außen aufgebracht, die Ameisen dringen aber aus dem Erdreich kommend ins Kernholz ein.
  • Eine Schädlingsbekämpfung mit Gift im und am Haus ist nicht sinnvoll, weil diese nur kurzfristig nützt und aus anderen Nebennestern oder aus dem Hauptnest wieder weitere Nebennester gebaut werden können.
  • Insektizide sind sehr giftig für den Menschen.

Lasius Brunneus: Befall – oder doch nicht!?

Ein verzweifelter Anruf: „Mein Haus ist voller Ameisen. Jetzt will die Schädlingsbekämpfungsfirma Insektizide im ganzen Haus einsetzen! Gibt es da auch andere Möglichkeiten?“

Die beauftragte Schädlingsbekämpfungsfirma, erstellte im eigenen Labor die Diagnose „Lasius brunneus“ und schlug vor, mehrere Male toxische Insektizide im ganzen Haus auszubringen.

Der Kunde entschied sich für eine Zweitmeinung. Die erneute, unabhängige Bestimmung der Ameisenart sollte Aufschluss darüber geben, ob es sich tatsächlich um diese Ameisenart handelt und welche Gegenmaßnahmen getroffen werden können.

Lasius brunneus – auf Deutsch Braune Wegameise – ist in der Tat eine der Ameisenarten, die Bauschäden verursachen können. Auch hier kann es nach genauer Abwägung alternative Möglichkeiten zur Bekämpfung des Befalls geben. Nach der Bestimmung der Ameisen war aber  folgendes klar: Es handelte sich nicht um Lasius brunneus, sondern um die zwar lästige, aber ansonsten für die Bausubstanz im Allgemeinen ungefährliche Ameisenart Lasius niger (Schwarze Wegameise). So genügten dann auch verschiedene andere Maßnahmen ganz ohne Gift, um den Befall in den Griff zu bekommen.

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Quellenangaben und/oder Fußnoten:

Titelbild und Bilder 1, 2: Christine Ehm
Bild 3: A. Buschinger

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