Hanfkalk für historische Bausubstanz
Im historischen Ortskern der idyllischen Stadt Erlenbach am Main steht ein Ensemble, dessen Gebäude zu den ältesten des Ortes gehören. Eines der Wohnhäuser und eine Scheune waren massiv sanierungsbedürftig.
Das Wohnhaus erhielt einen blauen Außenputz. Im reparierte Klinkermauerwerk des Erdgeschosses überputzten wir nur nachträgliche Ausmauerungen und Fehlstellen.
Bei der Fachwerkscheune war der Sanierungsbedarf höher. Die historische Substanz der traditionellen Fachwerkkonstruktion sollte möglichst umfassend erhalten werden. Etwa ein Drittel der Gefache war aber nicht mehr zu retten und musste deshalb erneuert werden. Für das Ausmauern der Gefache entschieden wir uns für Hanfkalksteine.
Hanfkalksteine: Ein nachhaltiger Baustoff für Fachwerkhäuser
Die Verwendung von Hanfkalksteinen bietet im Vergleich zu konventionellen Baustoffen wie Ziegel oder Beton zahlreiche Vorteile:
- Ökologisch: Hanfkalksteine bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Hanfschäben und Kalk. Die Produktion ist energiearm und bindet CO2-Emissionen1.
- Nachhaltig: Die Steine sind diffusionsoffen und sorgen für ein angenehmes Raumklima, indem sie die Feuchtigkeit regulieren.
- Robust: Hanfkalksteine sind stabil und feuerfest. Sie haben eine gute Wärmedämmung und einen hervorragenden Schallschutz.
- Einfache Verarbeitung: Die Steine sind leicht zu verarbeiten und lassen sich einfach in die Gefache einlegen.
- Auf Grund der positiven Eigenschaften wie Diffusionsoffenheit, Feuchteregulierung und Alkalität eignen sich diese Steine hervorragend für das Ausmauern von Gefachen.
- Hanfkalk kann auch lose eingestampft werden. So ist ein lücken- und fugenloses Ausfachen möglich. Allerdings sind hierbei die Trocknungszeiten länger.
Das Ensemble aus Wohnhaus und Scheune gehört zu den ältesten erhaltenen Gebäuden in Erlenbach am Main
Haupthaus vor der Sanierung: Unterschiedliche Bauzeiten und Materialien lassen das Wohnhaus uneinheitlich erscheinen
Moderne Ziegel und Bimssteine des Wohnhauses erhielten einen blauen Kalkputz
Im Erdgeschoss umspielt der Kalkputz die gut erhaltenen historischen Klinker und verbirgt die Schadstellen
Zufriedener Rückblick auf die Sanierung
Bauherr (rechts) und Handwerker (Autor Silvio Stolpe) sind zufrieden
Scheune vor der Sanierung: Ein Drittel der Gefache war marode
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Das Ensemble aus Wohnhaus und Scheune gehört zu den ältesten erhaltenen Gebäuden in Erlenbach am Main2
Haupthaus vor der Sanierung: Unterschiedliche Bauzeiten und Materialien lassen das Wohnhaus uneinheitlich erscheinen3
Moderne Ziegel und Bimssteine des Wohnhauses erhielten einen blauen Kalkputz4
Im Erdgeschoss umspielt der Kalkputz die gut erhaltenen historischen Klinker und verbirgt die Schadstellen5
Zufriedener Rückblick auf die Sanierung6
Bauherr (rechts) und Handwerker (Autor Silvio Stolpe) sind zufrieden7
Scheune vor der Sanierung: Ein Drittel der Gefache war marode
Leinöl für das Fachwerk
Nach dem Entfernen der losen Gefache reinigten wie die Fassade mit einem Hochdruckreiniger. Die Fachwerkbalken wurden auf Schäden untersucht. Bis auf einige Risse in den Holzbalken, welche wir mit einem Leinölkitt reparierten, waren sie in einem sehr guten Zustand. Vor dem Anstrich grundierten wir das Fachwerk mit einem Halböl aus dem Histolith-System von Caparol. Als Schlussbeschichtung kam – passend zum System – die Leinölfarbe von Caparol 2-lagig zum Einsatz.
In die offenen Gefachen nagelten wir Dreikantleisten aus Eichenholz mit Edelstahlnägeln. Diese Aufkantung verbindet Fachwerk und Ausmauerung mechanisch und bildet eine Barriere gegen Schlagregen und Wind. Das Ausmauern der Gefache erfolgte dann mit einem reinen Kalkmörtel. Die Hanfkalksteine lassen sich hervorragend mit einer Säge schneiden oder mit etwas Geschick auch mit Hammer oder Beil zurechtschlagen. Die meisten Steine wurden von uns mit Hand zugeschlagen, lediglich die filigranen Stücke in den spitzen Winkeln schnitten wir mit einer Stichsäge zurecht.
Ökologischer Putz und Anstrich – Nachhaltigkeit bis ins Detail
Im Anschluss an die Sanierung der Gefache erfolgte die Gestaltung der Außenflächen mit Kalkputzen der Firma Hessler Kalkwerke. Wie auch am Wohngebäude trugen wir den Kalkgrundputz Hessler HP9 PM zweilagig auf und armierten nach der Durchtrocknung nochmal zusätzlich mit Hessler HP14. Als Oberputz entschieden wir uns für den Hessler HP90, einen Filzputz mit einer Korngröße von 1mm, der ein schönes, homogenes Oberflächenbild ergibt.
Wichtig bei Kalkputz ist eine ausreichende Nachbehandlung. Er darf nicht zu schnell austrocknen, weshalb wir ihn mehrfach mit Wasser besprühten. An besonders exponierten Stellen haben wir zum Schutz vor zu starker Sonneneinstrahlung zusätzlich eine Folie über die Fassade gehängt.
Abschließend strichen wir den Kalk mit Reinsilikatfarbe der Firma Keim. Diese mineralischen Farben sind besonders langlebig und atmungsaktiv und bilden eine optimale Schutzschicht für die Ausfachungen. Als Kontrast zum in einem satten Blauton gehaltenen Wohngebäude erhielten die Gefache den Grundton Cremeweiß. Gekrönt wurde das Farbkonzept mit Umrandungen der Gefache mit der blauen Fassadenfarbe sowie einem feinen Pinselstrich in der dunklbraunen Farbe des Fachwerkes am Übergang von Blau zu Cremeweiß.
Nageln der Dreiecksleisten in die Gefache
Auftragen des Kalk-Grundputzes
Die Umrandung im gleichen Blauton wie das Wohnhaus verbindet die Gebäude
Auch Details wie der Anschluss an das Vordach wurden sorgfältig ausgeführt
Meister Stolpe signiert sein Werk
Die fertige Scheune ergänzt das Ensemble stilvoll
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Nageln der Dreiecksleisten in die Gefache9
Auftragen des Kalk-Grundputzes10
Die Umrandung im gleichen Blauton wie das Wohnhaus verbindet die Gebäude11
Auch Details wie der Anschluss an das Vordach wurden sorgfältig ausgeführt12
Meister Stolpe signiert sein Werk13
Die fertige Scheune ergänzt das Ensemble stilvoll
Moderne Denkmalpflege mit ökologischen Baustoffen
Die ökologische Sanierung der beiden Gebäude in Erlenbach am Main zeigt, dass es möglich ist, historische Bausubstanz, Nachhaltigkeit und ästhetisch hochwertige Gestaltung miteinander zu verbinden.
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Über die Baubiologie
Die Baubiologie beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Menschen und ihrer gebauten Umwelt. Wie wirken sich Gebäude, Baustoffe und Architektur auf Mensch und Natur aus? Dabei werden ganzheitlich gesundheitliche, nachhaltige und gestalterische Aspekte betrachtet.
25 Leitlinien
Für einen schnellen, aufschlussreichen Überblick haben wir in 25 Leitlinien der Baubiologie die wichtigsten Parameter herausgearbeitet, sortiert und zusammengefasst. In 15 Sprachen, als PDF oder als Plakat erhältlich.
Besten Dank an Silvio für den Einblick in seine Fachwerkrestaurationsarbeit. Eine Frage hätte ich noch. Im Beitrag wird ausgeführt, dass die Eichenleisten zum einen eine mechanische Verbindung zwischen Holz und der Ausmauerung darstellen, auf der anderen Seite sogar Teil des Schlagregenschutzes sein sollen , wenn ich es richtig verstanden habe. Seh ich das richtig, Ihr lasst ganz bewußt Fugen, damit Regen auch gut wieder rauskommt? Wie verhält es sich aus Deiner Sicht, wenn man für die Wohnnutzung in einem historischen denkmalgeschützten Fachwerkhaus eine Innendämmung anbringen muss, um einen halbwegs zeitgemäßen Wärmeschutz zu bekommen. Da kommt ja dann an das Fachwerk von Innen weniger Wärme, was das Abtrocknen verzögert. Neben dem Schutz der Balkenköpfe über aktive Beheizung würd mich interessieren, wie Ihr in so einer Situation die Abtrocknung der Fassade unterstützt?
Gruß von Charlie Müller aus Erkheim
Hallo Charlie,
vielen Dank für Deine interessante und fachlich tiefgehende Frage – da steckt bereits viel bautechnisches Verständnis drin. Gerne beantworte ich das aus baubiologischer und bauphysikalischer Sicht.
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1. Die Funktion der Eichenleisten (Fachwerk – Ausmauerung – Schlagregenschutz)
Ja, Du hast das richtig verstanden: Die Eichenleisten bzw. „Riegelchen“ oder „Holznägel“ zwischen Fachwerk und Ausmauerung dienen nicht nur der mechanischen Verklammerung, sondern übernehmen auch eine bautechnische Funktion beim Feuchteschutz.
Schlagregenschutz durch Fugenoffenheit?
Klingt zunächst paradox, ist aber eine bewusst traditionelle Methode: Feuchtigkeitseintritt ist historisch nie vollständig verhindert worden – entscheidend ist das Austrocknungsverhalten. Daher:
• Offene oder leicht diffusionsoffene Fugen (z. B. durch Kalkmörtel) ermöglichen, dass eingedrungenes Regenwasser auch wieder rausdiffundieren kann.
• Die Eichenleisten sind dabei hydrophober als das Ausfachungsmaterial (oft Lehm oder Ziegel), was hilft, das Wasser gezielt abzuleiten oder zu puffern.
• Das Ganze funktioniert nur dann dauerhaft gut, wenn keine nachträglichen dichten Schichten (z. B. Zementputz oder Silikonfarben) aufgebracht werden, die die Diffusionsfähigkeit verhindern.
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2. Innendämmung im denkmalgeschützten Fachwerkhaus – Risiken und Lösungen
Die Innendämmung ist bauphysikalisch besonders anspruchsvoll, weil sich der Taupunkt in die Wand verlagert und die Trocknung nach innen reduziert wird. Genau das Problem sprichst Du an: Das Abtrocknungspotenzial des Fachwerks kann leiden.
Baubiologisch sinnvolle Prinzipien:
• Kapillaraktive, diffusionsoffene Dämmstoffe verwenden (z. B. Holzfaser, Calciumsilikat, Hanf, Schilfrohrplatten).
• Diese Materialien nehmen Feuchte auf und geben sie wieder ab, ohne dass es zu Schimmel oder Verrottung kommt.
• Dampfbremse statt Dampfsperre: Eine feuchteadaptive Dampfbremse (z. B. Intello von ProClima) hilft, Feuchte im Winter zu hemmen, lässt sie aber im Sommer wieder raus.
Zusätzliche Maßnahmen zur Austrocknungsförderung der Fassade:
1. Keine dichten Anstriche oder Putze außen! Kalk- oder Lehmputze fördern das Trocknungsvermögen.
2. Balkenköpfe gut belüften und ggf. temperieren – durch Heiznischen, Konvektoren oder Wandheizungssysteme im Innenbereich.
3. Regenabweiser oder konstruktive Dachüberstände können helfen, die Fassade trockener zu halten.
4. Klimamanagement im Innenraum: Ein gut steuerbares Heiz-/Lüftungsverhalten ist wichtig, ggf. durch eine kontrollierte Lüftung mit Feuchtesensorik.
5. Monitoring: In kritischen Fällen kann ein Feuchtemonitoring in der Wand sinnvoll sein, um Kondensation früh zu erkennen.
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Fazit:
Die bewusste Fugenoffenheit und Materialwahl beim Fachwerk hat ihren Grund: Es geht weniger um 100%ige Dichtigkeit, sondern um kontrollierte Feuchteregulation und Austrocknung.
Beim Thema Innendämmung im Denkmal kommt es vor allem darauf an, diffusionsoffene, kapillaraktive Systeme mit Feuchtepufferung einzusetzen – und auf Details wie Übergänge, Anschlüsse und Lüftung zu achten.
Liebe Grüße
Silvio
Die schöne Scheune und das Denkmal beziehen sich nun wieder aufeinander. Überraschend ist die organische Gestaltung des Haussockels. Die Erklärung, dass so viel wie möglich von dem schönen, unversehrten Ziegelmauerwerk gezeigt werden wollte, überzeugt.
Gut gemacht!
Super Projekt!!! Toll gemacht!