Sind schadstoffbedingte Sanierungskosten steuerlich absetzbar?

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Die Sanierung von Grundstücken und Bestandsgebäuden, die durch Altlasten oder Schad- bzw. Geruchsstoffe belastet sind, ist ein häufiges Thema. Die steuerliche Berücksichtigung entsprechender Sanierungskosten liegt im Fokus dieses Artikels. Er bietet einen Überblick über relevante Urteile und deren Auswirkungen auf die steuerrechtliche Anerkennung von Sanierungskosten als außergewöhnliche Belastungen.

Autor

Dr. Elmar

Liese

Rechtsanwalt in Berlin, spezialisiert auf Schadstoffe im Immobilienbestand, Altlastenrecht, Umweltrecht, bundesweit tätig.

Ausgangssituation

In Deutschland gibt es Tausende von Grundstücken mit problematischen Bestandsgebäuden. Altlasten, Schad- und/oder Geruchsstoffe hindern die bestimmungsgemäße Nutzung, sei diese gewerblich oder privat. Vor diesem Hintergrund ist häufiges Thema die Sanierung solcher Gebäude sowie die steuerliche Berücksichtigung der dafür aufgebrachten Kosten.

Steuerrecht – oder eher doch nicht?

Das deutsche Steuerrecht gilt wohl zu Recht als spröde Materie. Die Folge ist ein eher differenzierter Umgang mit steuerlichen Sachverhalten. Auf der anderen Seite kann die Beschäftigung mit steuerrechtlichen Themen durchaus hilfreich sein. Man denke nur an Initiativen zur Vereinfachung des Einkommensteuerrechts von Kirchhof oder Merz (!).1

Sanierungskosten in der steuerrechtlichen Praxis

Beispiel 1 FG Düsseldorf 2

Das erste Beispiel ist einem älteren Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf aus dem Jahr 1999 entnommen. Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung außergewöhnliche Belastungen aus einer “Asbestsanierung des Hausdachs” geltend – ein typischer Fall. Dennoch lehnte das Finanzamt die Anerkennung dieser Aufwendungen ab. Zu Recht?

Was sind außergewöhnliche Belastungen?

Damals wie heute wird dieser Begriff gesetzlich definiert (§ 33 Abs. 1 EStG): Es handelt sich um zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Unter „Aufwendungen“ verstehe man bewusste und gewollte Vermögensverwendungen. Diese müssten außergewöhnlich sein. Auszugrenzen seien übliche Aufwendungen der Lebensführung, typische Reparaturen am Haus sowie Kosten üblicher Abnutzung. Die Sanierung eines Daches mit asbesthaltigen Eternitplatten hingegen hält das Gericht für außergewöhnlich: Das Gericht zitiert den Asbest-Report3, die Fraunhofer Gesellschaft4 sowie den Dachdeckerverband und räumt dabei mit dem Irrglauben auf, solange Asbest nicht verarbeitet werde, gehe davon keine Gefahr aus. Die Kosten sind also außergewöhnliche Belastungen und somit stellt sich die Frage, in welcher Höhe diese berücksichtigt werden können?

Vorteile durch Nachteile?

Hat das zum Schadensersatz führende Ereignis neben Nach- auch Vorteile gebracht, stellt sich die Frage, ob diese auf den Schadensersatzanspruch angerechnet werden könnten? Dieses, dem allgemeinen Schadensrecht entstammende Prinzip, nennt man Vorteilsausgleichung. Das Gericht war der Auffassung, dem Steuerpflichtigen sei eine Werterhöhung zugeflossen. Diese bestünde darin, dass sich durch die früher als notwendig vorgenommene Dachsanierung die Nutzungsdauer des Daches verlängert hätte. Diese längere Nutzungsdauer sei nicht außergewöhnlich und damit im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen. Im Ergebnis außergewöhnlich seien nur die durch die Asbestkontamination entstandenen Mehrkosten und die Kosten vorzeitiger Erneuerung des Daches. Bedingung sei allerdings, dass der Steuerpflichtige den Aufwendungen nicht ausweichen könne, diese also zwangsläufig seien. Angesichts der bekannten Gefährlichkeit von Asbest hat das Gericht dies bejaht und ergänzend klargestellt, dass eine konkrete Gesundheitsgefährdung nicht bereits eingetreten sein müsse.

Beispiel 2BFH5 zu dioxinverseuchtem Boden

2007 formulierte der Bundesfinanzhof (BFH) zu einem dioxinverseuchten Grundstück: Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen.“ Die konkreten Kosten für den Bodenaustausch seien außergewöhnlich, da den Grundstückseigentümer kein Verschulden an der Belastung treffe, die Belastung für ihn zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs nicht erkennbar war und realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben seien. Zwischen Zwangsläufigkeit und Gesundheitsgefährdung stellt der BFH eine Verknüpfung für die Fälle her, die Aufwendungen für existenznotwendigen Bedarf (hier: Einfamilienhaus) betreffen: Aufwendungen für die Beseitigung konkreter Gefährdungen existenznotwendigen Bedarfs seien grundsätzlich zwangsläufig. Die von den Gegenständen ausgehende konkrete Gesundheitsgefährdung ist durch ein vor Durchführung der Beseitigungsmaßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nachzuweisen.

Beispiel 3BFH6 zu Chloranisolen im Holzfertighaus

Die Rechtsprechung zu den Aufwendungen für Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs wird hier fortentwickelt. Chloranisole schädigen das existenznotwendige Vermögen und stellten eine unzumutbare Beeinträchtigung dar. Geruchsstoffe stellt der Senat wahrnehmbaren Nachteilen wie Brand oder Hochwasser gleich. Um jedoch nur die den Umständen nach notwendigen und angemessenen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zum Abzug zuzulassen, ist die Unzumutbarkeit anhand objektiver Kriterien zu bestimmen. Handelt es sich um Geruchsbelästigungen, ist das Überschreiten von objektiv feststellbaren Geruchsschwellen erforderlich. Und neu: Die Zwangsläufigkeit von Beseitigungs- bzw. Wiederherstellungsmaßnahmen ist nicht (länger) durch ein zuvor erstelltes amtliches technisches Gutachten nachzuweisen.7 Interessant ist auch die Aussage, Baumängel seien keine Aufwendungen. Für die Beurteilung stellt das Gericht trotz des Verbots bestimmter Holzschutzmittel auf das Baujahr 1973 ab. Schließlich dürfen in den Sanierungskosten keine wertsteigernden Aufwendungen enthalten sein.

Beispiel 4FG Berlin-Brandenburg8 zu mangelhaftem Dachausbau

Aufmerksame Leserinnen und Leser werden das Ergebnis schon vermuten: Wie der BFH auch, stellt auch das FG fest, dass Baumängel keineswegs unüblich und somit nicht ungewöhnlich sind. Dies gilt auch dann, wenn eine selbstgenutzte Wohnung betroffen ist und Mängelansprüche gegenüber dem Werkunternehmer wegen dessen Insolvenz nicht durchsetzbar sind.

Beispiel 5FG Baden-Württemberg9 zu Formaldehyd im Schlafzimmer

Zunächst interessant ist, dass sich der Senat an dem Richtwert von 0,1 ppm orientiert und höhere Messwerte als typisierend gesundheitsgefährdend bezeichnet. In einer Gesamtschau war zu berücksichtigen, dass der Richtwert nur geringfügig überschritten wurde und damit die Emissionen nach Ansicht des Sachverständigen mit einem geringeren Aufwand als dem vollständigen Abriss und Neubau auf ein unbedenkliches Niveau hätten gesenkt werden können. Da es insgesamt an den Voraussetzungen für außergewöhnliche Belastungen fehlte, kam auch keine Anerkennung eines Teilbetrags infrage.

Fazit

Dieser kurze Ausflug in das Steuerrecht zeigt zunächst, dass die Rechtsprechung zum Thema außergewöhnliche Belastungen recht einheitlich ist. Die Urteile zeigen jedoch auch, dass ein vertieftes Verständnis für das zivile Haftungsrecht notwendig und baubiologische Kenntnisse hilfreich sind, um den Einzelfall lösen zu können. Letztendlich kommt es immer auf den Einzelfall an. Erfreulich ist schließlich, dass die Finanzgerichte mehr Verständnis für die Thematik „Schad- und Geruchsstoffe im Bestand“ aufzubringen scheinen, als manches Zivilgericht, aber daran arbeite ich noch … .

Quellenangaben

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2 Kommentare

  1. Vielen Dank für die Aufnahme dieses Themas.
    Zur Ergänzung hier aus meiner 5-jährigen Erfahrung zur Anerkennung der Außergewöhnlichen Belastung beim Finanzamt aufgrund Krankheit: es muss bereits im Januar bzw. Februar des Jahres (jetzt 2025) ein Amtsärztliches Gutachten vorliegen, um eventuell in dem Jahr (2025) durch die Krankheit auftretende Mehrkosten im darauffolgenden Jahr (2026) über die Einkommensteuer (2025) geltend zu machen. D.h., auch wenn ich am Anfang des Jahres nicht weiß, ob ich Maßnahmen wegen meiner Krankheit im laufenden Jahr haben werde, muss ich mich beim Amtsarzt schon im Januar vorstellen und ein Gutachten holen. Wenn ich dies nicht habe, dann erkennt das FA die finanzielle Mehrbelastung nicht an. Habe ich schon Mehrausgaben im Januar, ohne dass das Gutachten vorliegt, dann keine Anerkennung.

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    • Vielen Dank, dass Sie Ihre Erfahrungen hier teilen!
      Ihr IBN-Team

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1Dazu https://www.vlh.de/wissen-service/steuer-abc/steuererklaerung-auf-dem-bierdeckel-was-heisst-das.html
210 K 3923/96 E, DStRE 1999, 862
3Pütz (Hrsg.), 1. Aufl., Asbest-Report: vom Wunderstoff zur Altlast, 1989
4Albracht/Scherdtfeger (Hrsg.), Herausforderung Asbest, 1991, S. 72 f
5Urteil vom 20.12.2007 – III R 56/04
6Urteil vom 29. 3. 2012 – VI R 21/11
7Gfl. ist vom Gericht per Sachverständigengutachten zu ermitteln
8Urteil vom 18.03.2021 – 9 K 9147/19
9Urteil vom 01.02.2024 – 1 K 1855/21

Autor

Dr. Elmar

Liese

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