Baubiologische Empfehlungen für Arbeitsplätze und andere Daueraufenthaltsbereiche

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Meist ist vom gesunden und nachhaltigen Wohnen die Rede. Aber was ist mit Arbeitsplätzen, Homeoffice und anderen Daueraufenthaltsbereichen? Ist hier aus baubiologischer Sicht alles in Ordnung?

Auf Basis zahlreicher Fallbeispiele und Messungen wissen Baubiolog*innen, dass nicht nur Wohnräume unsere Gesundheit und die Umwelt belasten können, sondern auch Arbeitsplätze, Homeoffice und andere Daueraufenthaltsbereiche. Deshalb sollten auch hier baubiologische Kriterien bestmöglich berücksichtigt werden.

Um welche Arbeitsplätze und Daueraufenthaltsbereiche geht es?

Arbeitsplätze in Innenräumen, an denen keine Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchgeführt werden und bei denen es sich nicht um Lärmbereiche handelt. Dies sind beispielsweise Arbeitsplätze in Büros oder im Homeoffice, in Schulen, Kindergärten, Arztpraxen oder Verkaufsräumen, mit Einschränkungen auch in Fahrzeugen.

Daueraufenthaltsbereiche in Innenräumen außerhalb von Arbeitsplätzen im wirtschaftlichen Sinne, an welchen man sich regelmäßig mehrere Stunden aufhält, also z.B. Bereiche zum Lernen, Lesen, Medien nutzen, Ausruhen etc. Auch Schulen, Kindergärten, Heime, Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen gehören dazu.

Bei körperlich anspruchsvolleren Tätigkeiten und deshalb erhöhter Atemfrequenz sind teilweise strengere Maßstäbe anzulegen, so beispielsweise für Schadstoffe und Schimmelpilze.

Eine exakte Zuordnung bzw. Abgrenzung ist nicht möglich. Deshalb ist in jedem Einzelfall abzuklären, welche baubiologischen Anforderungen erfüllt werden können und sollen. Dies auch deshalb, weil jeder Mensch unterschiedlich empfindlich ist oder bereits an Krankheiten leidet.

Ursachen von Krankheiten in Innenräumen

Häufige Ursachen von Krankheiten sind gesundheitsschädliche Schadstoffe in Baustoffen, Inneneinrichtungen, Möbeln und Geräten wie z.B. Computer oder Kopierer, schlechtes Raumklima, Schimmel, Elektrosmog oder Radon. Gesundheitliche Symptome wie Allergien, Kopfschmerzen, chronische Müdigkeit, Schlafbeschwerden, Infektionen, Depressionen oder Atemwegsbeschwerden können die Folge sein.

Fühlen wir uns unwohl oder sind wir krank, schränkt das nicht nur unsere Lebensqualität und im schlimmsten Falle unsere Lebenszeit ein, sondern ist auch unsere Leistungsfähigkeit reduziert. Alleine schon deshalb sollte auch jeder Arbeitgeber ein Interesse daran haben, für „gesunde“ und angenehme Arbeitsplätze zu sorgen.

Prinzipiell und übergeordnet gilt:
„Jede Reduzierung von gesundheitsschädlichen Einflüssen ist anzustreben“

Der ideale Arbeitsplatz

Ideale Arbeitsplätze bzw. andere Daueraufenthaltsbereiche sollten u.a. folgende Kriterien erfüllen:

  • Gutes Raumklima bzgl. Luft, Temperatur, Feuchte …
  • Keine Schadstoffe in Baustoffen, Inneneinrichtung, Mobiliar und Geräten
  • Keine gesundheitsschädliche Schimmel- und Hefepilze, Staub, Bakterien, Viren und Allergene
  • Natürliche Materialien wie z.B. Vollholz, Materialien aus anderen nachwachsenden Rohstoffen, Lehm- und Kalkputze, Natursteine, mineralische Farben, Fliesen, Öle, Wachse …
  • Baustoffe mit geringer Radioaktivität sowie geringe Radonkonzentration in der Luft
  • Elektrosmog vermeiden: z.B. abgeschirmte Elektrokabel, LAN-Kabel statt WLAN oder Bluetooth, schnurgebundene Telefone statt Handy, strahlungsarme Computer und Beleuchtung, Sendeleistung von WLAN-Routern bestmöglich reduzieren …
  • Ruhige Arbeitsplätze, guter Schallschutz nach außen wie innen, gute Raumakustik
  • Gute Raumgestaltung z.B. bzgl. Proportionen, Formen und Farben / individuelle Bedürfnisse bzgl. Inneneinrichtung, Accessoires, Pflanzen etc. berücksichtigen
  • Gute Lichtverhältnisse mit viel natürlichem Licht einschl. individuell verstellbarem Blend- bzw. Sonnenschutz (Rollladen außen oder Rollos/Plissees innen) / gute Beleuchtung (Beleuchtungsstärke, Farbwiedergabe, flimmerfrei…)
  • Physiologische und ergonomische Erkenntnisse berücksichtigen: Bürodrehstuhl, dynamisches Sitzen, Tischfläche > 200 x 80 cm, Tischhöhe verstellbar (auch das Arbeiten im Stehen ermöglichen), Bildschirm und Schreibtisch im rechten Winkel zum Fenster, Abstand zum Bildschirm je nach Bildschirmgröße 50 – 120 cm, gute Bildschirme > 15 Zoll, zur Vermeidung von Verletzungen gerundete Ecken und Kanten, Bewegungspausen etc.
  • Energieverbrauch zum Heizen, Kühlen und für Geräte minimieren und erneuerbare Energiequellen nutzen
  • Beim Bauen, Sanieren, Einrichten negative Auswirkungen auf die Umwelt vermeiden, auch bzgl. Ökobilanz und Verbrauch von Baustoffen, Inneneinrichtung, Möblierung, Geräten, Bürobedarf etc.
  • Kurze Wege zum Arbeitsplatz und Nutzung von Fahrrad bzw. öffentlicher Verkehrsmittel fördern
  • Gute Arbeitsatmosphäre, Mitbestimmungsrechte, feste Arbeitszeiten/Tagesstruktur, Pausen, Work-Life-Balance u.v.m.

Darüber hinaus sind die Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung (einschl. der darin enthaltenen “Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen”) zu beachten!

Standard der Baubiologischen Messtechnik SBM

Eine gute und wichtige Arbeitshilfe ist der “Standard der Baubiologischen Messtechnik SBM”. Er bietet „eine Übersicht der physikalischen, chemischen, biologischen, raumklimatischen und sonstigen gesundheitlichen Risikofaktoren, welche in Schlaf- und Wohnräumen, an Arbeitsplätzen und auf Grundstücken sachverständig untersucht, gemessen, ausgewertet und schriftlich (mit Angabe der Messergebnisse, Messgeräte und Analyseverfahren) protokolliert werden.“

Während des Schlafens finden körperliche und geistige Regenerationsprozesse statt. Deshalb gibt es als Ergänzung zum SBM die „Baubiologischen Richtwerte für Schlafbereiche“. Daran sollte man sich auch bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen und anderen Daueraufenthaltsbereichen orientieren, schließlich halten wir uns hier oft ähnlich viele Stunden auf wie im Bett.

Für die gesundheitliche Beurteilung qualifiziert sind Baubiologische Messtechniker*innen IBN. Diese untersuchen, messen und protokollieren gesundheitliche Risikofaktoren und erstellen anhand der Ergebnisse individuell machbare Ausführungs- bzw. Sanierungsempfehlungen.

Fazit

Oberstes Ziel sollte es überall sein, gesundheitliche aber auch ökologische Belastungen so gering wie möglich zu halten und ein gut gestaltetes angenehmes Arbeitsumfeld zu schaffen! Stets ist im Einzelfall abzuklären, welche Anforderungen erfüllt werden können und sollen.

Ergänzende Informationen:

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2 Kommentare

  1. Kühlung über Flächenheizsysteme wird an Arbeitsplätzen immer relevanter. Die Abwärme kann in Warmwasser umgewandelt werden (braucht nicht jeder Betrieb, Nahwärmenetz wäre ideal).

    Höhenverstellbare Tische zur Anpassung und Positionswechsel sind heute Standard – sitting kills sind auch Sofas und andere neuen Polster – Ungetüme in open space – schaut nett aus, ist aber kontraproduktiv.

    Ideal für Büros sind Tische, die beim Fenster schmal (60 cm z.B.) und in der Raumtiefe tief sind (100 cm für Kommunikation am stehenden Tisch – man schaut heute häufig gemeinsam in einen dann gedrehten Bildschirm!): weder Blendung noch Spiegelung, Raumkontrolle und fensternahes Sitzen (bitte 3-Scheibenverglasung aus Komfortgründen). Kein bodentiefes Glas – muss bis unten abgedunkelt werden, kein Ausblick. Bewegungswahrnehmung im Randbereich der Augen überlasten das Gehirn (im Augenwinkel bis zu 60.000 Kfz auf einer Bundesstraße). Viele ergonomische Aspekte sind auch baubiologisch relevant!

    Antworten
    • Vielen Dank für die ergänzenden Hinweise.
      Ja, rund um gesunde Arbeitsplätze spielt natürlich noch viel mehr rein, als in einem kurzen Bericht dargestellt werden kann.
      Das entsprechende umfassende Wissen wird im Fernlehrgang Baubiologie IBN (z.B. in den Kursen Raumklima, Lärm – Schallschutz – Bauakustik, Wohnphysiologie oder Licht und Beleuchtung) sowie in unserer Weiterbildung rund um die Baubiologische Messtechnik SBM gelehrt.

      Antworten

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Titelbild: Adobe Stock, goodluz

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