Ständerbau mit hohem Vollholzanteil
Eine bewusste Bauherrschaft hat sich dazu entschlossen, auf Nummer sicher zu gehen. Ziel war, etwaigen, in der Nutzungsphase aus der luftdichten Gebäudehülle austretenden Schadstoffen vorzubeugen und zugleich höchste Dämmstandards zu erfüllen. Bereits die Auswahl des Bauplatzes erfolgte als Teil der Gesamtstrategie: die gewünschte Photovoltaik lässt sich auf der nach Süden ausgerichteten Hanglage optimal platzieren. Der ländliche Ort im Westerwald garantiert frische Luft und ein ruhiges Wohnumfeld. Der Quadratmeterpreis erschlossenen Baulands von rund 68 Euro ermöglicht günstige Grunderwerbskosten.
Recycling-Dämmung aus Glas und Zellulose
Das Wohnhaus verfügt auf zwei Ebenen über rund 195 m² Wohnfläche. Ohne weitere Gründung steht es direkt auf Schaumglasschotter und einer Stahlbeton-Bodenplatte. Darauf montierten die Zimmerer eine Balkenkonstruktion, deren Zwischenräume mit Zellulose gedämmt wurden. Direkt auf der Bodenplatte platziert wurden die Innenwände sowie die sich selbst tragende Gebäudehülle aus vorproduzierten Holzrahmenbauelementen, ebenfalls mit eingeblasener Zellulose gedämmt. Innenseitig steifen diagonale massivhölzerne Platten die Konstruktion aus (Abb. 2). Die auf diese Platte folgende Installationsebene wurde in eine im Nassverfahren hergestellte Holzfaserdämmplatten hineingefräst, die zugleich als Putzebene für den Feinlehmputz als Innenraumabschluss dienten. Nach außen schließen Holzfaserplatten den Zellulose-Einblasbereich des Ständerwerks sauber ab, die sowohl beim Außenwand- als auch beim Dachaufbau zum Einsatz kamen (Abb. 3). Hierauf schraubten die Zimmerer eine Vertikallattung, die als Hinterlüftungsebene und Unterkonstruktion für die Fassade aus unbehandelten, horizontal befestigten Lärchenholzbrettern dient. Den Bodenabschluss bilden massivhölzerne Platten aus Weißtanne.
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Das Passivhaus in Holzrahmenbauweise basiert auf zwei Urbaustoffen: Holz und Lehm2
Grundrisse und Schnitt
Multifunktionale leimfreie Holzplatte
Besonders baubiologisch ist die massivhölzerne GFM-Platte (= Glue Free Massive = leimfrei massiv). Sie ist frei von Bauchemie und besteht einzig aus Schwarzwälder Nadelholz – gesägt, gehobelt und getrocknet. Sie dient als Aussteifung, luftdichte Ebene, Dampfbremse, Dämmung und Raumoberfläche. Hergestellt wird sie aus fünf Einzelbrettern aus VOC-unkritischem Weißtannenholz mit einer Restfeuchte von ca. 12 %, in die längsseitig Schwalbenschwanzverbindungen gefräst werden. In Folge werden die Bretter unter hohem Druck zu rechteckigen, 62,5 cm breiten Platten in Längsrichtung statisch wirksam ineinandergeschoben. Danach ist die GFM-Platte, mit der knapp 3 m hohe Holzrahmenbauwände ausgesteift werden können, luftdicht. Des Weiteren erfüllt sie auch die Kriterien für den Dampfdiffusionswiderstand, wodurch sie zugleich eine natürliche Dampfbremse ohne Folien im Wandaufbau bildet. Hinzu kommt, dass die Massivholzebene eine Dämmwirkung besitzt, ferner Feuchtigkeit speichert und diese bei Trockenheit wieder an die Innenraumluft abgibt. Obendrein wirkt die GFM-Ebene im Brandfall als eine Art schmale Brandwand im Wandaufbau, die das Durchschlagen der Flammen verzögert. Die GFM-Platte gibt es in zwei hier verbauten Grundvarianten:
- als rechteckige Verlegeplatte mit der sowohl der Fußboden, die Treppenstufen, (Abb. 4) als auch der Dachstuhl (Abb. 5) und Teilbereiche der Innenwände in rustikaler Sichtqualität bekleidet wurden,
- sowie als (schadstofffreier OSB-Platten-Ersatz) Diagonalplatte zur Aussteifung des Holzrahmenwerks.
Eine massivhölzerne Platte steift die Rahmenkonstruktion aus und bildet zugleich die luftdichte Ebene und die Dampfbremse
Das Passivhaus in der Bauphase mit Holzfaserplatten
Aufbau der Außenwand
Aufbau der Innenwand
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Eine massivhölzerne Platte steift die Rahmenkonstruktion aus und bildet zugleich die luftdichte Ebene und die Dampfbremse4
Das Passivhaus in der Bauphase mit Holzfaserplatten5
Aufbau der Außenwand6
Aufbau der Innenwand
Buchtipp
Vom Autor dieses Beitrags Marc Wilhelm Lennartz ist das Buch “Neues Bauen mit Holz – Typen und Konstruktionen“
Elektrische Lehmplatten-Heizelemente
Die Beheizung des Passivhauses erfolgt über werkseitig vorproduzierte Lehmbauplatten als Deckenheizung. In deren Inneren befinden sich elektrische Heizschleifen mit einer Leistung von bis zu 275 W je Platte, die mit einer Eigenversorgungsquote von ca. 60 % von der hauseigenen Solaranlage gespeist werden. Dabei werden dank spezieller Heizleiter nur schwache elektrische und magnetische Wechselfelder erzeugt (Abb. 6). Wie groß die Felder sind, kann messtechnisch überprüft werden.
Da ein Passivhaus ohnehin nur noch ein Minimum an Heizwärme benötigt, konnte dadurch in einem Zug sowohl die sparsame Flächenheizung, als auch eine Abwechslung zu den Holzoberflächen realisiert werden. Zur Komplettierung des wohngesunden Raumklimas errichtete man den Treppenaufgang vom EG ins OG aus massiven Lehmsteinen, der zugleich als großdimensionaler Wärmespeicher fungiert (Abb. 7). Ein Blower-Door-Test belegte den für ein Passivhaus erforderlichen Standard bzgl. Luftdichtheit.
Die Treppenstufen und der Fußboden mit 3 cm dicken GFM-Verlegeplatten aus Weißtanne: dauerhaft und kostengünstig
Auch der Sichtdachstuhl der offenen Galerieebene wurde mit den massiven Platten in rustikaler Sichtqualität bekleidet
Auftrag des Feinlehmputzes auf die Lehmbauelemente der elektrischen Deckenheizung
Der Treppenaufgang aus Lehmbausteinen dient als massiver Wärmespeicher
Die Südseite des Passivhauses mit der Photovoltaik-Anlage und den großen Fensterflächen spiegelt das Konzept der Gebäudetechnik
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Die Treppenstufen und der Fußboden mit 3 cm dicken GFM-Verlegeplatten aus Weißtanne: dauerhaft und kostengünstig 8
Auch der Sichtdachstuhl der offenen Galerieebene wurde mit den massiven Platten in rustikaler Sichtqualität bekleidet9
Auftrag des Feinlehmputzes auf die Lehmbauelemente der elektrischen Deckenheizung10
Der Treppenaufgang aus Lehmbausteinen dient als massiver Wärmespeicher11
Die Südseite des Passivhauses mit der Photovoltaik-Anlage und den großen Fensterflächen spiegelt das Konzept der Gebäudetechnik
Eigenversorgungsquote Strom: 60 %
Die modular aufgebaute, emissionsfreie Gebäudetechnik basiert auf einer Photovoltaik-Anlage und einem Batteriespeicher. Damit in Kombination sorgen eine kleine Wärmepumpe und ein Warmwasserspeicher für Warmwasser mit max. 70 Grad. Sie bescheren dem Passivhaus eine Eigenversorgungsquote von etwa 60 % im Jahresmittel – bei einem Überschuss in der Gesamtjahresbilanz. Dazu stellt eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung den kontinuierlichen Luftaustausch sicher. Beim Bau des Passivhauses wurden rund 73,5 m3 massives Holz verarbeitet, woraus eine CO2-Speicherung von über 67 Tonnen resultiert (Abb. 8).
Baudaten
Wohnfläche | 195 m² |
Nutzfläche | 28 m² |
Baujahr | 2020 |
Bodenaufbau | Schaumglasschotter 50 cm | Stahlbeton-Bodenplatte 25 cm | Balkenkonstruktion 16 cm – ausgeblasen mit Zellulose | GFM-Diagonalplatte 3 cm |
Holzrahmenbauelemente von außen nach innen | unbehandelte, horizontale Lärchenhölzer | Vertikallattung | Holzfaserdämmplatte (Nassverfahren) 6 cm | KVH-Ständerwerk 6×24 cm – ausgeblasen mit Zellulose | GFM-Diagonalplatte 3 cm | Holzfaserdämmplatte (Nassverfahren) 6 cm als Installationsebene | Feinlehmputz 1 cm |
Innenwände | Feinlehmputz 1 cm | Holzfaserplatte (Nassverfahren) 4 cm | KVH-Ständerwerk 6×12 cm – ausgeblasen mit Zellulose | GFM-Diagonalplatte 3 cm | Schilfmatte | Feinlehmputz 1 cm |
Planung | Klumpp Architekten, Ruppach-Goldhausen, www.klumpp-architekten.com |
Holzbau | B&D Holzbau GmbH, Krunkel, www.bdhaus.de |
GFM-Platten | Massivholz Junker GmbH, Nordrach, www.gfm-system.com |
Lehmbau | WEM GmbH, Urmitz, www.wandheizung.de |
Baukosten | (Kostengruppen 300 u. 400) brutto 535.000 Euro |
Energiedaten
Energiestandard | gemäß Passivhaus-Projektierungspaket (PHPP) |
Massiver Wärmespeicher | Lehmsteine 8 m³ (Gewicht 10 to) |
Strom | Photovoltaik-Anlage 7,4 kW Peak, Hausstromspeicher 8 kW |
Warmwasser | Wärmepumpe, Pufferspeicher 290 l |
Flächenheizung | WEM elektrisch |
Endenergiebedarf pro Jahr | 10,49 kWh/m² |
Primärenergiebedarf pro Jahr | 16,78 kWh/m² |
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Über die Baubiologie
Die Baubiologie beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Menschen und ihrer gebauten Umwelt. Wie wirken sich Gebäude, Baustoffe und Architektur auf Mensch und Natur aus? Dabei werden ganzheitlich gesundheitliche, nachhaltige und gestalterische Aspekte betrachtet.
25 Leitlinien
Für einen schnellen, aufschlussreichen Überblick haben wir in 25 Leitlinien der Baubiologie die wichtigsten Parameter herausgearbeitet, sortiert und zusammengefasst. In 15 Sprachen, als PDF oder als Plakat erhältlich.
Die kritische Anmerkung von Sven Weimann finde ich sehr berechtigt. Neben den genannten Kritikargumenten könnte es auch bei einigen Menschen dem Vorurteil Nahrung geben, dass Baubiologie etwas für Besserverdienende ist. Wenngleich Besserverdienenden zugestanden werden kann, ihre gute monetäre Situation baulich Ausdruck zu geben…
Es hat mich gefreut, über ein Passivhaus nach baubiologischen Kriterien zu lesen – mit vielen durchdachten Details und einer hohen Eigenversorgungsquote. In dieser Hinsicht sicherlich ein Leuchtturmprojekt. Was mich jedoch bedenklich stimmt, ist, dass hier für ein Einfamilienhaus eine Wohnfläche von knapp 200 qm verbaut wurde! Sowohl beim Wohnungsbau als auch beim Straßenverkehr lässt sich seit Jahren feststellen, dass trotz immer besserer Energieeinsparung der Gesamtverbrauch nicht signifikant sinkt, da Fahrzeuge und auch Wohnhäuser immer größer dimensioniert werden. Das Einfamilienhaus als SUV! In den Neubaugebieten überall zu sehen. Auch wenn natürliche Baustoffe in der Regel nachwachsen, sind sie dennoch kostbare Ressourcen, die man sparsam einsetzen sollte. Ein weiterer Punkt ist die immer weiter zunehmende Flächenversiegelung. Kleine Baukörper, Gründächer (die sich auch mit PV-Modulen kombinieren lassen) und kleine Kiesflächen statt großzügig gepflasterter Terrassen und Stellplätze wären hier gefragt. In dieser Hinsicht ist das beschriebene Haus viel zu groß dimensioniert und kein Leuchtturmprojekt. Es würde mich freuen, wenn die Aufmerksamkeit von Bauherren und Planern mehr in diese Richtung gehen würde. Auch mit kleinen Flächen lassen sich hohe Wohnwerte schaffen!
Moin, das Projekt sieht gut aus und ist gelungen, Baustoffe, Energie und viel Licht.
Eine Frage bleibt mir jedoch immer offen, wenn ich Dachflächenfenster über einem Treppenhaus oder in 5 – 6 m über dem Geschossboden sehe:
Wie können diese gereinigt werden (Innen und Außen)?
Mit Ihrer kritischen Fragen haben Sie natürlich Recht. Dachflächenfenster sind für die Qualität und die Lichtverhältnisse in einem Gebäude oft ein Segen. Deshalb nimmt man es unter der Abwägung der Vor- und Nachteile gerne mal in Kauf, dass die Reinigung hoch liegender Dachfenster schwierig ist. Dachfenster müssen i.d.R. nur etwa alle zwei Jahre gereinigt werden. Im Einzelfall ist dann abzuwägen, ob dies besser mit Leiter von innen oder über das Dach besser ist. Aus Sicherheitsgründen sollte dies nach Möglichkeit durch einen Dienstleister (z.B. in Kombination meiner Sichtung/Wartung des Daches) erledigt werden.
Eine Alternative wären sog. Lichtkamine (z.B. von lichtkamin.de). Aber auch bei diesen sollte ab und an gereinigt werden.