Baubiologie als Bildungsauftrag: Ökologische Baustoffe in die Ausbildung integrieren
Ein erschreckender Anfang: Veraltete Strukturen in der Ausbildung
Als ich vor zwei Jahren meine Tätigkeit als Fachlehrer an einer Berufsförderschule für Maler und Verputzer aufnahm, wurde ich unmittelbar mit einem massiven Problem konfrontiert: Die Ausbildungsbedingungen waren erschreckend rückständig. Die technische Ausstattung war stark veraltet, viele Werkzeuge fehlten, und das Lehrmaterial war oft mehrere Jahrzehnte alt – in einigen Fällen über 35 Jahre.
Am beunruhigendsten war jedoch der Blick in den Lehrplan: Baubiologische Kriterien wie z. B. das Wissen zu ökologischen Baustoffe waren nicht vorgesehen. Lehrinhalte zu Aspekten wie Nachhaltigkeit, Wohngesundheit oder ressourcenschonendes Bauen fehlten gänzlich. Der Einfluss konventioneller Industrieprodukte ist nach wie vor zu groß, und so werden zukunftsweisende Themen systematisch ausgeblendet.
Ein neuer Weg: Praxisnah, ökologisch, kreativ
Sofort war mich klar: Wenn ich hier ausbilde, dann nicht nach „Schema F“, sondern mit einer Vision. Ich möchte junge Menschen nicht nur Schmalspurwissen vermitteln, sondern sie zu verantwortungsvollen Gestaltern ihrer Umwelt ausbilden – mit technischem Können, ästhetischem Feingefühl und ökologischem Bewusstsein.
Dazu gehörte zunächst die Ausstattung: Ich brachte moderne Werkzeuge und Maschinen in die Schulklassen, damit eine saubere, zeitgemäße Ausbildung möglich ist. Doch der eigentliche Wandel liegt in der inhaltlichen Ausrichtung: Mein Unterricht fokussiert sich heute eindeutig auf das Arbeiten mit ökologischen Materialien wie Lehmputze, Kalkfarben, Silikatbeschichtungen oder Naturdämmstoffe. Meine Schüler*innen lernen nicht nur die handwerkliche Verarbeitung, sondern auch die ökologischen Hintergründe. Warum ist Lehm feuchtigkeitsregulierend? Welche Auswirkungen hat Wärmedämmung aus Polystyrol auf das Raumklima? Wie können wir gesund bauen?





Projektarbeit als Kernstück der Ausbildung
Die Antworten auf solche Fragen entstehen nicht nur im Theorieraum, sondern vor allem im praktischen Tun. Unser Unterricht ist projektbasiert aufgebaut. Die Schüler*innen gestalten reale Musterflächen, setzen Techniken direkt um und erleben dabei, wie sich ökologische Materialien verarbeiten lassen – und wie sie wirken.
Ein besonders gelungenes Beispiel dafür war die Gestaltung unseres Schulflurs, den wir mit einer Klasse gemeinsam umgebaut und künstlerisch gestaltet haben. Der Gang war zuvor ein funktionaler, farbloser Durchgangsbereich. In einem mehrwöchigen Projekt wurde er zu einem Ausdruck ökologischen und gestalterischen Arbeitens.
Zunächst errichteten wir eine Trockenbau-Vorwand mit einer Holz-Unterkonstruktion, die die Schüler*innen selbstständig planten und montierten. Diese Fläche wurde anschließend mit einem ruhig wirkenden Lehmfeinputz versehen – als ausgleichender, harmonischer Gegenpol zur Wandfläche dahinter. Denn auf der zurückspringenden Wand trugen wir Lehmspachtel auf, den die Schüler*innen mit Blättern, Zweigen und Ästen strukturierten. Diese wild-natürliche Gestaltung erzeugte eine plastische, organische Oberfläche, die den Naturbezug unserer Arbeit sichtbar macht. Besonders kreativ wurde es bei der Modellierung von Ästen aus Gips, die anschließend mit Lasuren farblich gestaltet wurden – ein Teil der künstlerischen Auseinandersetzung mit Form und Farbe. In Zusammenarbeit mit den Schreinerklassen fertigten wir darüber hinaus Holzbuchstaben mit dem Kürzel unserer Schule, JDLS (Johannes de la Salle) sowie eine hochwertige Holzverkleidung.
Gekrönt wurde das Ganze durch eine gezielte Beleuchtung, die die Texturen betont, die Tiefe hervorhebt und dem Raum eine atmosphärische Wirkung verleiht. Dieses Projekt hat unsere Werte auf beeindruckende Weise sichtbar gemacht – und bei den Schüler*innen einen bleibenden Eindruck hinterlassen.





Künstlerische Gestaltung als Bildungsauftrag
Die künstlerische Auseinandersetzung mit Material, Form und Raum ist ein weiterer zentraler Bestandteil meines Unterrichts. Leider wird dieser Aspekt in vielen Ausbildungsgängen vernachlässigt, obwohl gerade das Malerhandwerk enorme gestalterische Möglichkeiten bietet.
Bei uns entstehen freie Arbeiten, plastische Reliefs, Oberflächenexperimente und kreative Kompositionen. Die Schüler*innen können sich ausprobieren, eigene Ideen entwickeln und umsetzen. Das fördert nicht nur das handwerkliche Können, sondern auch die individuelle Ausdruckskraft.
Fazit: Handwerk neu denken – ökologisch, kreativ, menschlich
Mein Ziel ist eine Ausbildung, die fundiertes Handwerk mit ökologischer Verantwortung und gestalterischem Anspruch verbindet. Ich bin überzeugt: Wenn wir heute ausbilden, müssen wir unsere Schüler*innen auf eine andere Bauwelt vorbereiten – eine Welt, in der nachhaltiges, gesundes und ressourcenschonendes Bauen nicht Ausnahme, sondern Standard ist.
Unser Projekt im Schulflur hat beispielhaft gezeigt, wie das gelingen kann: durch praktisches Arbeiten, durch kreative Freiheit und durch echte Zusammenarbeit zwischen Gewerken. So entsteht nicht nur ein schöner Raum, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Bedeutung unserer Arbeit.
Denn wer heute ausbildet, trägt Verantwortung für das Bauen von morgen – und damit auch für die Welt, in der wir leben wollen.
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Über die Baubiologie
Die Baubiologie beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Menschen und ihrer gebauten Umwelt. Wie wirken sich Gebäude, Baustoffe und Architektur auf Mensch und Natur aus? Dabei werden ganzheitlich gesundheitliche, nachhaltige und gestalterische Aspekte betrachtet.
25 Leitlinien
Für einen schnellen, aufschlussreichen Überblick haben wir in 25 Leitlinien der Baubiologie die wichtigsten Parameter herausgearbeitet, sortiert und zusammengefasst. In 15 Sprachen, als PDF oder als Plakat erhältlich.

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