Neubau einer Wohnanlage in Ziegelbauweise

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Seit viertausend Jahren wird in Bad Reichenhall Salz gewonnen. Das sieht man der Stadt im Berchtesgadener Land auch an, ihre Architektur ist vielerorts durch die Saline geprägt. Wer zwischen den historischen Gebäuden etwas Neues plant, muss diese Stimmung verinnerlichen. Genau das tut diese Wohnanlage, die neben der Kirche St. Nikolaus in Ziegelbauweise neu geplant wurde.

Die Architektur dieser Wohnanlage greift einiges auf, was man in der Nachbarschaft sieht: das steile Satteldach ohne Dachüberstände. Einen kompakten Baukörper, einfach gehalten und weiß verputzt. Zugleich gibt es zeitgenössische Elemente, die deutlich machen, dass hier modern gedacht wurde, um einladende neue Räume zu schaffen.

Der Standort der neuen Wohnanlage ist am Rand der Altstadt, direkt vor der historischen Stadtmauer. Nur wenige Schritte sind es bis zum Fluss Saalach und den historischen Triftanlagen. Dort haben einst die Reichenhaller das Holz aus dem Fluss geholt, das Triftmeister und Triftknechte flussaufwärts in Waldgebieten geschlagen hatten und nach Reichenhall triften ließen. Die knapp einen Meter langen Holzstämme aus Fichtenholz wurden als Brennholz in der alten Saline dringend gebraucht. Nur wenige Meter weiter ist der alte Kirchberger Bahnhof.

Der Neubau in der Anton-Winkler-Straße hat 247 Quadratmeter Wohnfläche. Die acht Apartments sind jeweils etwa 35 Quadratmeter groß. Gebaut wurde ein Jahr lang, von Mai 2019 bis Mai 2020. Architekt Michael Dufter und Bauleiter Andreas Brettl setzten ein Konzept mit deutlich ökologischen Akzenten um: Wärme wird ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen, dank Pellet-Heizung. Für eine spätere Einbindung von Solarenergie wurde alles vorbereitet: Es gibt einen bivalenten Warmwasserpufferspeicher, der es auch möglich machen wird, einen solaren Heizkreis einzubinden. Hierfür gibt es bereits Leitungen vom Keller bis zum Dach.

Rohbau aus perlitgefüllten Ziegel (Poroton-S8)

Optimal für Kreislaufwirtschaft

Ökologische Überlegungen lagen auch der Auswahl der Baustoffe zugrunde. Man entschied sich für den perlitgefüllten Ziegelstein in der Wandstärke von 42,5 Zentimetern. Denn er bringt neben seinen hervorragenden Wärmedämm-Eigenschaften auch guten Schallschutz mit. Den braucht es an diesem Standort: Der Neubau liegt zwischen einer vielbefahrenen Straße und einer Bahnstrecke. Die massive Ziegelwand erfordert keine zusätzliche Dämmung. Ortsansässige Handwerker haben, wie für die Gegend üblich, einen so genannten „Waschelputz“ aufgetragen. Seine strukturierte Oberfläche zeigt deutlich die besondere Arbeitsweise. Sooft es ging, hat man bei diesem Gebäude auf Kunststoffe und Produkte der organischen Synthesechemie verzichtet. Wo Wärmedämmung nötig war, wurden Holzweichfaserplatten verbaut. Die Fenster sind aus unbehandeltem Lärchenholz – ein Material, das lange hält und dabei sehr wartungsarm ist. Diese simplen, traditionsreichen Materialien bestimmen nun das Erscheinungsbild des Hauses: Es ist einfach, unprätentiös, unspektakulär und will auch so sein – zumal es, dank seiner ökologischen und langlebigen Materialien, lange Zeit gut dastehen kann und wird. Bauherr und Architekt hatten stets auch die Produktion und Entsorgung ihrer Baustoffe im Blick: Viele der Materialien haben in der Herstellung wenig Energie gebraucht. Und sie können später, wenn sie doch entsorgt werden sollten, problemlos in einem neuen Stoffkreislauf wiederverwendet werden.

Bauen für Menschen mit psychischen Krankheiten

Dieses Gebäude ist für Menschen, die eine psychische Krankheit haben. Sie tun sich oft etwas schwerer mit Dingen des Alltags. Womit und wie schwer, ist unterschiedlich. Deswegen sind auch die Bedürfnisse ganz verschieden, wie diese Menschen wohnen wollen und welche Betreuung sie brauchen. Hier hat ein zur Arbeiterwohlfahrt (AWO) gehörender Trägerverein, der Projekte für Jugend- und Sozialarbeit e. V., ein Apartment-Haus für diese Zielgruppe gebaut. In die acht Wohneinheiten sind Menschen eingezogen, die weitgehend selbstständig wohnen und leben können. Sie werden vom Team des Trägers bei einigen Alltags-Herausforderungen professionell unterstützt und ambulant betreut.

Grundrisse:
8 Erdgeschoss
9 Obergeschoss
10 Dachgeschoss

Baudaten

Bauzeiten05/2019–05/2020
GebäudetypMehrfamilienhaus
Wohneinheiten8
Grundstücksgröße978 m2
Abmessungen16 x 9,50 m
Wohnfläche247 m2
Konstruktionmonolithischer Ziegel
Außenwandbaustoff Schlagmann Poroton-S8, 42,5 cm
WärmeschutzU-Wert Außenwand 0,18 W/m2K
Fenster 1,00 W/m2K
AnlagentechnikHolz-Pelletkessel, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung
EnergiestandardKfW-Effizienzhaus-Standard 55
BauherrenProjekte für Jugend- und Sozialarbeit e. V., Gemeinnützige GmbH des Projektevereins, München
ArchitekturMichael Dufter, Schneizlreuth
BauunternehmenRupert Zach GmbH, Schneizlreuth
TragwerksplanungJosef Roitner, Freilassing

© Schlagmann Poroton

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Abbildungen: Michael Dufter

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