Vergiss’ g’rad den Mobilfunkmast, wenn Du selbst ein Smartphone hast! – Teil 1

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Smartphones โ€“ Sendehรคufigkeit: Es gab einmal eine Zeit, da waren Mobile Phones nicht smart, sondern nur handy. Sie waren einfache Kommunikationsprothesen fรผr mobile Telefonate von unterwegs, und sie taten nur das, was man ihnen sagte. Das Sagen hatten der Kommunikationsprothesentrรคger โ€“ also der Benutzer โ€“ und die Mobilfunk-Basisstation: Der Benutzer, wenn er telefonierte oder eine SMS verschickte und die Basisstation mit ihren Aufgaben zur Organisation des Netzes.

Autor

Dr.-Ing. Martin H.

Virnich

Dipl.-Wirtsch.-Ing., Mรถnchengladbach, ist Elektroingenieur, Baubiologe und Baubiologischer Messtechniker IBN, Sachverstรคndiger fรผr EMF/EMVU und Grรผndungsmitglied des VDB e.V.

Zu den Aufgaben der Basisstation gehรถrte das “Handover” zur nรคchsten Basisstation, wenn der Benutzer mobil unterwegs war. Und die Aufforderung an das “Handy”, sich etwa im Stundenintervall bei ihr zu melden, wenn es nicht durch die Gegend gefahren oder getragen wurde.

Von Apps, Internet, Email, “always online” und “Social Media” war damals nicht die Rede. Das hat sich mittlerweile grundlegend geรคndert โ€“ die Handys sind “smart” geworden. MaรŸgebliche Voraussetzung dafรผr war neben der Entwicklung hochkomplexer Hardware auf kleinstem Raum, dass der Mobilfunk internetfรคhig wurde. Der groรŸe Durchbruch kam im Jahr 2007 mit dem ersten iPhone von Apple.

Nun wurde der Funktionsumfang der Mobilteile, die jetzt “Smartphones” hieรŸen, immer gewaltiger. Man konnte quasi stรคndig online sein, die “App” wurde zum allgegenwรคrtigen und allmรคchtig erscheinenden Helfer. Das Smartphone wurde fรผr viele zum unverzichtbaren stรคndigen Begleiter.

Mit ihren โ€žsmartenโ€œ Eigenschaften und der Mรถglichkeit des Internetzugriffs entwickelten die Smartphones aber auch ein intensives heimliches, von den bisherigen “Bestimmern” unabhรคngiges Eigenleben, was das Sendeverhalten betrifft. Standen mit der Einfรผhrung des Mobilfunks die Immissionen der Basisstationen als Hochfrequenzbelastung im Fokus der Kritik, so sind mit der massiven Verbreitung der Smartphones ihre Hochfrequenz-Emissionen mindestens genauso bedeutend, meistens sogar bedeutender, befinden sich die “Smarten”โ€œ doch โ€“ anders als die Sendemasten โ€“ in unmittelbarer Nรคhe des Benutzers.

Sendehรคufigkeit von Smartphones

Eine erste messtechnische Untersuchung zu diesem Thema wurde 2013 zusammen mit dem VDB vom Baubiologischen Messtechniker Dietrich Ruoff durchgefรผhrt [1]. Er zeigte eindrรผcklich auf, dass bezรผglich der Sendehรคufigkeit zwischen klassischen Handys und Smartphones ein riesiger Unterschied besteht: Das nun “smarte” Phone entwickelt eine Fรผlle von eigenmรคchtigen Sendeaktivitรคten (Abb. 1).

Handy Standby
Abb. 1 Typisches Handy-Standby, Meldung alle 4 Stunden (links) vs. Smartphone im Standby (rechts), keine Apps beim Smartphone aktiv, WLAN deaktiviert; Aufzeichnungsdauer jeweils 4,5 Stunden (Quelle: [1], S. 200)

Bei baubiologischen Untersuchungen stellen Messtechniker immer wieder fest, dass sich die Situation seit 2013 noch deutlich verschรคrft hat. Im Folgenden werden hierzu exemplarisch die Ergebnisse einer Mobilfunk-Langzeitaufzeichnung vorgestellt. Die Messungen erfolgten mittels Breitband-Messgerรคt und nachgeschaltetem Datenlogger in einem Reihenendhaus mit drei Bewohnern: Vater, Mutter und 15-jรคhrige Tochter, alle drei Smartphone-Trรคger โ€“ also fรผr heutige Verhรคltnisse ein “normaler” Zustand.

Das Zimmer der Tochter befindet sich direkt neben dem Elternschlafzimmer; gemessen wurde auf einer Kommode im Elternschlafzimmer.

Die gesamte Aufzeichnungsdauer in Abb. 2 betrรคgt ca. 2,5 Tage: Vom 30.05. 19 Uhr bis zum 02.06. 8 Uhr morgens.

Grafik Langzeitaufzeichnung
Abb. 2 Langzeitaufzeichnung der Hochfrequenz-Immissionen im Frequenzbereich 800 MHz โ€“ 2,7 GHz (Mobilfunk-Basisstationen und Mobilteile)

Die dominanten senkrechten schwarzen Striche stellen die Immissionen der drei Smartphones im Haushalt dar. Die Intensitรคt geht รผber die Skalierung von 500 ฮผW/m2 hinaus. (5 V Ausgangsspannung des Breitbandmessgerรคtes entsprechen orientierend 500 ฮผW/m2). Der untere “weiรŸe Sockel” reprรคsentiert die gesamten Immissionen der umliegenden Mobilfunk-Basisstationen. Die Hรถhe ist zeitlich unterschiedlich und hรคngt vom aktuellen Auslastungsgrad der Basisstationen ab.

Aufgrund der langen Aufzeichnungsdauer von ca. 2,5 Tagen verschwimmen die einzelnen Ausschlรคge ineinander. Abb. 3 zeigt daher eine weniger dicht gedrรคngte Darstellung der Immissionen von 8 Uhr bis 24 Uhr (= 0 Uhr) an einem Tag.

Grafik Langzeitaufzeichnung morgens
Abb. 3 Ausschnitt aus der Langzeitaufzeichnung der Hochfrequenz-Immissionen (Tag, 8 โ€“ 0 Uhr)

An den Lรผcken zwischen den hohen Ausschlรคgen kann man genau erkennen, wann alle drei Bewohner nicht zu Hause waren.

Auch nachts gibt es keine Ruhe, und die starke Ausstrahlung der Mobilteile bleibt erhalten: Im Durchschnitt alle 5 bis 6 Minuten gehen die Smartphones aus eigenem Antrieb “auf Sendung” (Abb. 4).

Abb. 4 Ausschnitt aus der Langzeitaufzeichnung der Hochfrequenz-Immissionen (Nacht, 23 โ€“ 9 Uhr)

Wer auf diese Weise sein Smartphone unbekรผmmert mit der vollen Funktionalitรคt betreibt, braucht sich um andere Hochfrequenz-Immissionen, wie z. B. die von vernetzten Funkrauchmeldern, die einmal pro Stunde mit 10 Milliwatt senden oder um Smart Meter mit einem Sendeintervall von 15 Minuten keine Gedanken mehr zu machen.

Wie wรผrde das Bild wohl aussehen, wenn man die Messung z. B. in einem Klassenzimmer, in einem GroรŸraumbรผro, im Zug, im Kino, im Restaurant oder an einem Elternabend machen wรผrde, wenn sich zehn, zwanzig oder dreiรŸig Smartphone-Trรคger auf engem Raum treffen? Nun, die Impulsdichte wรคre zehn-, zwanzig- oder dreiรŸigmal so hoch โ€“ ein wahres Mobilfunk-Feuerwerk โ€“ aber nicht vom Sendemast, sondern aus den eigenen Taschen!

Was kann ich tun?

Was kann man nun tun, um das ungestรผme Sendeverhalten der Smartphones zu “zรคhmen”?

Dabei sind mindestens drei Sendequellen zu betrachten: Mobilfunk, WLAN und Bluetooth โ€“ ggf. kommt noch NFC dazu. WLAN und Bluetooth kรถnnen i.d.R. in den Systemeinstellungen einfach und jedes fรผr sich deaktiviert werden โ€“ man muss es bei Nichtgebrauch nur tun.

Beim Sendeverhalten bezรผglich Mobilfunk gibt es mehrere mรถgliche Betriebszustรคnde, mit denen die Funktionalitรคt des Smartphones und damit auch seine Sendehรคufigkeit erheblich eingeschrรคnkt werden kann (Abb. 5).

Mobilfunk Sendeverhalten
Abb. 5 Funktionalitรคt und Mobilfunk-Sendeverhalten von Smartphones

Typischerweise hat der durchschnittliche Smartphone-Benutzer alles eingeschaltet, was geht. So verfรผgt er รผber den vollen Funktionsumfang und fรผhlt sich jederzeit vollkommen vernetzt.

Schaltet man bei den Systemeinstellungen unter “Mobiles Netz” –> “Mobile Daten” aus, so werden die vielfรคltigen eigenmรคchtigen Mobilfunk-Zugriffe des Smartphones auf das Internet unterbunden.

Man ist dann nicht mehr โ€žvoll vernetztโ€œ und vom stรคndigen Geplรคrre der โ€žSocial Mediaโ€œ (WhatsApp, Facebook, Twitter, usw.) vorรผbergehend befreit. Aber man ist noch fรผr eingehende Telefonate und SMS erreichbar. Kontakt mit der Basisstation nimmt das Mobilteil nun nur noch kurz etwa einmal pro Stunde auf, wenn es nicht “unterwegs” ist. Und natรผrlich bei jedem Handover zur nรคchsten Basisstation, wenn es unterwegs ist. Je nach Geschwindigkeit kann dies alle paar Minuten sein.

Aktiviert man den Flugmodus, so wird zusรคtzlich noch die Telefonie und SMS abgeschaltet und alle Sendeaktivitรคten โ€“ inkl. WLAN, Bluetooth und NFC โ€“ sind unterbunden. Es funktionieren jetzt nur noch Offline-Anwendungen, die auf dem Smartphone gespeichert sind (insbes. Musik, Videos, Spiele). Zumindest, wenn man den vollen Funktionsumfang nicht benรถtigt und in der Nacht, sollten die Internetverbindungen deaktiviert oder der Flugmodus eingeschaltet werden.

Smartphones im drahtgebundenen Ethernet-LAN

Handyzubehรถr
Netzwerk-Adapter mit Apple Lightning-Stecker fรผr iPhone/iPad auf Ethernet-LAN RJ45-Buchse

Und schlieรŸlich gibt es noch eine interessante Mรถglichkeit, die Sender im Smartphone zum Schweigen zu bringen und dabei den vollen Funktionsumfang beizubehalten: Man bindet das Smartphone in ein vorhandenes drahtgebundenes Ethernet-Netzwerk (LAN) ein. Hierzu gibt es Adapter, รผber die man das Smartphone an der Systembuchse (Lightning-Anschluss bei iPhones/iPads bzw. Micro-USB/USB-C bei anderen Typen) an das LAN anschlieรŸen kann, so wie man es vom PC oder Notebook gewohnt ist (Abb. 6). Neben der Strahlungsreduzierung auf null hat man hiermit die zusรคtzlichen Vorteile, dass das nutzbare Mobilfunk-Datenvolumen und der Akku extrem geschont werden. In dieser Betriebsart sollte natรผrlich der Flugmodus eingeschaltet sein โ€“ etliche Smartphones tun das tatsรคchlich automatisch von selbst: Das ist einmal wirklich nicht nur “smart”, sondern sogar “wise”.

Tipp fรผr iPhones:

Die Abschaltung von WLAN und Bluetooth sollte man bei iPhones ab iOS 11 nur in den Systemeinstellungen vornehmen und nicht im Kontrollzentrum.
Nรคheres hierzu siehe Frage + Antwort: Smartphones?

Quellenangaben

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6 Kommentare

  1. Vielen Dank fรผr diesen informativen und hilfreichen Beitrag! Werde ihn weiterempfehlen. Als Elektrosensible werde ich gerne auf die Option Ethernet zurรผckgreifen.

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  2. Achtung: das Iphone-X pulst stark mit ca. 2 Hz auch im Flugmodus, vielleicht auch schon frรผhere Modelle, gemessen mit HFE59B-UBB

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  3. Ja danke viel mals! Das โ€œSmartphoneโ€ per Ethernet, habe ich jetzt auch seit einigen Wochen und bin sehr zufrieden damit ๐Ÿ˜‰ jetzt ist es auch mal schnell.

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  4. Sehr informativer Artikel fรผr Technik-Laien. Vielen Dank !

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Titelbild: IBN
[1] โ€“ Ruoff, Dietrich: Emissionen von Smartphones; in: Tagungsband der 7. EMV-Tagung โ€žEnergieversorgung & Mobilfunkโ€œ des Berufsverbandes Deutscher Baubiologen VDB e.V. am 12.โ€“13.04.2013 in Mรผnchen; Im Verlag des AnBUS e.V.; Fรผrth 2013; ISBN 978-3-9814025-3-7; S. 195-204

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Dr.-Ing. Martin H.

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